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Registertage 2024 widmen sich den Zukunftsthemen der Regis­ter

Aktuelle Gesetzgebungsverfahren, der Europäische Gesundheits­daten­raum, Ethik und Partizipation sowie die Weiterentwicklung von Registern zu Forschungs­platt­formen waren die Kernthemen der Registertage 2024.

PD Dr. med. Anne Regierer, Prof. Dr. Rainer Röhrig, Markus Algermissen, Sarah Kosecki, Sebastian C. Semler und Dr. Anna Niemeyer auf den Registertagen 2024

PD Dr. med. Anne Regierer (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin), Prof. Dr. Rainer Röhrig (Uniklinik RWTH Aachen), Markus Algermissen (Bundesministerium für Gesundheit), Sarah Kosecki (Bundesministerium für Gesundheit), Sebastian C. Semler (TMF e.V.) und Dr. Anna Niemeyer (TMF e.V.) auf den Registertagen 2024. © TMF e.V.

Auf den Registertagen 2024 trafen sich vom 16.-17. Mai 2024 in Berlin rund 200 Exper­tinnen und Experten aus Forschung, Politik und Industrie, um gemein­sam die Heraus­forderungen patientenbezogener Register vor dem Hintergrund neuer Gesetzgebungs­ver­fahren zu diskutieren. Im Mittelpunkt des bis auf den letzten Platz ausverkauften Sympo­siums standen am ersten Tag die Chancen und Herausforderungen verschiedener Gesetz­gebungsverfahren für Register sowie die Gesetzgebung zum europäischen Gesundheits­daten­raum. Der zweite Tag befasste sich mit den Heraus­forderungen der Verknüpfung von Registern mit externen Datenbeständen, der aktiven Einbindung von Patientinnen und Patienten in die Forschung sowie der Frage, wie Register als Forschungsplattform agieren können.

Ministerialdirigent Markus Algermissen vom Bundesministerium für Gesundheit auf den Registertagen 2024

Ministerialdirigent Markus Algermissen vom Bundesministerium für Gesundheit. © TMF e.V.

Panel: Registergesetz ante por­tas

Keynote-Speaker Ministerialdirigent Markus Algermissen vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erläuterte zur Kongresseröffnung den aktuellen Stand des geplanten Registergesetzes, welches „einen wichtigen Baustein der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung darstellt“. In der Zukunft soll im Zusammenspiel mit anderen Gesetzen ein vernetztes Gesundheitsdatenöko­system entstehen. Algermissen erläuterte, dass das Gesetz die Transparenz zu Registern und ihrer Qualität steigern, die Standardisierung sowie die Vernetzung untereinander fördern und so zu einer besseren Registerdaten­nutzung in Deutschland beitragen soll. Ein wichtiger Baustein hierfür, die Möglichkeit für Register die Krankenversichertennummer (KVNR) der Patientinnen und Patienten miterfassen zu dürfen, ist ebenfalls Bestandteil des vorgesehenen Gesetzes. Der Zeitpunkt des Referentenentwurfs sei allerdings derzeit nicht absehbar. Das Registergesetz adressiert nicht spezialgesetzlich geregelte Register, die zukünftig die Möglichkeit erhalten sollen, sich einem Qualifizierungsprozess zu unterziehen, um sich für eine erleichterte Datenverarbeitung qualifizieren zu können. Algermissen hielt fest: „Wir wollen mit dem Register­gesetz bundes­einheitliche Rechts­grundlagen für die Er­he­bung und Verarbeitung von Daten in Regis­tern schaffen.“ Eine sogenannte Zentralstelle für medizinische Register (ZMR) soll Register dabei unterstützen, diesen Qualifizierungsprozess zu durchlaufen.

Wir wollen mit dem Register­gesetz bundes­einheitliche Rechts­grundlagen für die Er­he­bung und Verarbeitung von Daten in Regis­tern schaffen.

Im anschließenden Panel „Registergesetz ante por­tas“ erörterten Ministerialdirigent Markus AlgermissenProf. Dr. Lutz Nährlich (Justus-Liebig-Universität Gießen), Prof. Dr. med. Bertil Bouillon (Klinikum Köln-Merheim), und PD Dr. med. Anne Regierer (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin) Effekte und Konsequen­zen für Register aus dem Registergesetz. Regierer begrüßte es sehr, dass das BMG sich mit dem Thema auseinandersetzt und sieht viele Chancen im Registergesetz. „Wir müssen uns ganz sicher um Datenqualität kümmern, aber gleichzeitig machen uns die Kosten Sorgen, die durch die Prozesse zur Sicherung der Datenqualität, aber auch durch den vorgesehenen Auditierungsprozess entstehen“, so Regierer. 

Bouillon wünscht sich, dass Register mehr als bisher zur Grundlage für Studien werden: „Damit werden Register zu einem wertvollen Bestandteil für die medizinische Forschung zum Wohle unserer Patienten“, äußert er zuversichtlich. An eine Zentralstelle für medizinische Register hat er den Wunsch, dass sie „nah dran und transparent“ agiert. Das unterstreicht auch Prof. Dr. Lutz Nährlich, der die Qualifizierung der Register als „lernenden dynamischen Prozess“ begreift, der mehrfach in verschiedenen Zyklen durchlaufen werden kann.

Prof. Dr. Lutz Nährlich auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Lutz Nährlich, Justus-Liebig-Universität Gießen. © TMF e.V.

Prof. Dr. med. Bertil Bouillon auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. med. Bertil Bouillon, Klinikum Köln-Merheim. © TMF e.V.

PD Dr. med. Anne Regierer auf den Registertagen 2024

PD Dr. med. Anne Regierer, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin. © TMF e.V.

Session: Gesundheits­daten­nutzungs­gesetz und Register

Register sind wichtige Datenbestände für Forschung und Versorgung. Welche Auswirkungen das 2024 in Kraft getretene Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) auf Register hat, beleuchteten Sebastian C. Semler, TMF-Geschäftsführer, und Prof. Dr. Dr. Christian Dierks, Geschäftsführer bei Dierks+Company, aus wissenschaftlicher, organisatorischer und juristischer Perspektive. „Das Ende 2023 vom Bundestag beschlossene GDNG markiert einen Paradigmenwechsel in den gesetzlichen Vorgaben. Es ermöglicht eine bessere Datennutzung bei gleichzeitig gestrafftem Datenschutz“, so Semler. Für Register sind bestimmte Regelungen des GDNG nützlich, aber es braucht zusätzlich ein Registergesetz, sind sich die Experten einig. „Das GDNG schafft eine gute Grundlage für Register, aber es muss für Register weiterentwickelt werden“, so Dierks. Dazu zählen die Schaffung von Linkage-Möglichkeit für alle Register mit durchgängiger Lösung und einer einheitlichen Architektur zu einem „Forschungspseudonym“, welches die Anschlussfähigkeit an den europäischen Gesundheitsdatenraum ermöglicht.

Sebastian C. Semler auf den Registertagen 2024

Sebastian C. Semler, TMF-Geschäftsführer. © TMF e.V.

Prof. Dr. Dr. Christian Dierks auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Dr. Christian Dierks, Geschäftsführer bei Dierks+Company. © TMF e.V.

Das Ende 2023 vom Bundestag be­schlos­sene GDNG markiert einen Paradigmen­wechsel in den gesetzlichen Vorgaben.

Svenja Windeck auf den Registertagen 2024

Svenja Windeck, Universitätsklinikum Aachen. © TMF e.V.

Svenja Windeck vom Universitätsklinikum Aachen beleuchtete in ihrem Vortrag das GDNG und seine ganz praktischen Auswirkungen für das Nationale Obduktionsregister. Durch die Einführung des GDNG liege nun eine einwilligungsfreie zweckgebundene Eigenforschung mit Gesundheitsdaten mit bundesweit verbindlichen Bestimmungen vor, so Windeck. Dennoch seien einige Fragen offen, wie beispielsweise die Abstimmung der Genehmigungsprozesse mit Datenschutzbehörden und Ethikkommissionen oder die Anforderungen an die Nutzung von Bioproben außerhalb der Biobank.

Session: Register und die Ethik

In der Session „Register und die Ethik“ wurde der Frage nachge­gangen, wie es gelingen kann, die zunehmenden Forschungs­vor­haben auf der Basis von Registerdaten angemessen durch Ethik-Kommissionen beraten zu lassen. Müssen jeweils alle zuständigen Ethik-Kommissionen der beteiligten datenerfassenden Einrichtungen bei jeder beabsichtigten Auswertung beteiligt werden, führt dies zu einem administrativen Aufwand, der kaum noch zu bearbeiten ist.

Prof. Dr. Georg Schmidt auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Georg Schmidt, Vorsitzender des Arbeitskreises der Ethik-Kommissionen (AKEK). © TMF e.V.

Der Vorsitzende des Arbeitskreises der Ethik-Kommissionen (AKEK) Prof. Dr. Georg Schmidt legte in seinem Vortrag dar, dass die derzeitigen gesetzlichen Strukturen die Arbeit der Register erheblich erschweren. Ethik-Kommissionen hätten die originäre Aufgabe, Patientinnen und Patienten bzw. Probandinnen und Probanden, die an der Forschung teilnehmen, zu schützen. „Die Forschung steht momentan vor großen administrativen Herausforderungen“, so Schmidt. Forschung, die durch uneinheitliche und redundante Prozesse verzögert oder sogar unmöglich gemacht wird, stellt ein großes Problem dar. Das möchte der AKEK unter Leitung von Prof. Schmidt jetzt angehen: „Ich setze mich dafür ein, dass es ein Einreichungsportal für Register und Studien gibt. Weiterhin sollten einheitliche Antragsunterlagen und definierte Bewertungsmaßstäbe existieren. Das Prinzip muss sein: ‚Eine Studie – ein Votum!‘“, betont Schmidt auf den Registertagen.

In der anschließenden Paneldiskussion diskutierten Prof. Dr. Georg Schmidt, Prof. Dr. Rainer Röhrig, Uniklinik RWTH Aachen, Irene Schlünder, TMF e. V., Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Rupp, Universitätsklinikum Heidelberg, und Dr. med. Christine Mundlos, ACHSE e. V., Lösungsansätze. Die Panelisten waren sich einig, dass es eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Verwendung von Gesundheitsdaten brauche und dass diese Diskussion außerhalb eines Krankenhaussettings stattfinden müsse. Die Nutzung von Gesundheitsdaten könne beispielsweise durch ein internetbasiertes Transparenzportal angezeigt werden, welches die Öffentlichkeit informiert.

Prof. Dr. Rainer Röhrig auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Rainer Röhrig, Uniklinik RWTH Aachen. © TMF e.V.

Irene Schlünder auf den Registertagen 2024

Irene Schlünder, TMF e.V. © TMF e.V.

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Rupp auf den Registertagen 2024

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Rupp, Universitätsklinikum Heidelberg. © TMF e.V.

Dr. med. Christine Mundlos auf den Registertagen 2024

Dr. med. Christine Mundlos, ACHSE e. V. © TMF e.V.

Panel: Registries in the Euro­pean Health Data Space (EHDS)

Welche Möglichkeiten der im April 2024 vom Europäischen Parlament beschlossene Europäische Gesund­heitsdatenraum (EHDS) für die registerbasierte Forschung eröffnet, diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft im Panel „Registries in the Euro­pean Health Data Space (EHDS)“. Der sekundäre EHDS soll durch die Erleichterung der europaweiten Nachnutzung in anonymisierter oder pseudonymisierter Form das Forschungspotenzial von Gesundheitsdaten heben. Daten wie Gesundheitsakten, klinische Studien, Informationen aus öffentlichen Gesundheitsregistern, Biobanken, genetische Daten oder Wellness-Daten könnten zu Forschungszwecken im öffentlichen Interesse verknüpft und im Rahmen der Sekundärdatennutzung verarbeitet werden. Die Daten könnten beispielsweise dazu verwendet werden, Behandlungen für seltene Krankheiten zu finden, bei denen kleine Datensätze und Fragmentierung derzeit Fortschritte bei der Behandlung verhindern.

Dr. Mélodie Bernaux auf den Registertagen 2024

Dr. Mélodie Bernaux, Europäische Kommission. © TMF e.V.

Insbesondere die Verknüpfung von Registerdaten mit Daten aus der elektronischen Patientenakte könnte neue Möglichkeiten für Forschungsfragen eröffnen. Aber auch die Nutzungsbreite der eigenen Daten, z. B. für registerbasierte Interventionsstudien im europäischen Umfeld, kann eine Verbesserung der Sichtbarkeit und gleichzeitig eine Stärkung der finanziellen Basis für Register bedeuten, betonte Dr. Mélodie Bernaux von der Europäischen Kommission auf den Registertagen. Sarah Kosecki vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) begrüßt die Einrichtung des EHDS sehr: „The EHDS will be an amazing opportunity and it’s quite impressive how the regulators came up with this regulatory framework“.

Sarah Kosecki auf den Registertagen 2024

Sarah Kosecki, Bundesministerium für Gesundheit (BMG). © TMF e.V.

Eine Herausforderung stellt mit Sicherheit die Bereitstellung von Daten für den EHDS dar, da viele bestehende Register keine hinreichend standardisiert beschriebenen Metadaten haben. Petra Hasselqvist, Swedish Association of Local Authorities and Regions (SALAR), betont: „We have to fix the health data sharing possibilities in Sweden before we can work efficiently with the EHDS. In general, I’m positive, but we have to work hard to be able to share data.“ Dr. Nienke Schutte, Sciensano, zeigt sich jedoch optimistisch, dass Register ein sehr guter „Use Case“ für das Data Sharing darstellen. Univ.-Prof. Dr. med. Georg Heß vom EMCL-Register an der Universitätsmedizin Mainz, sieht die Gefahr, dass hierfür die Komplexität für Register erheblich erhöht werde, was dazu führen könne, dass einige akademische Register daran scheitern. Prof. Nährlich begrüßte auf dem Panel die Initiative, die durch die neuen Rahmenbedingungen große Chancen böte, den Betrieb von Registern jedoch auch vor neue anspruchsvolle Aufgaben stelle, auch für die finanziellen Aspekte müssten geeignete Lösungen gefunden werden.

Insgesamt stellen die Harmonisierung und die Herstellung der Interoperabilität eine der großen Herausforderungen des EHDS dar. Für Register ist es von essenzieller Bedeutung, dass nationale Bestrebungen zur Standardisierung mit den europäischen im Einklang sind, waren sich die Expertinnen und Experten einig.

Petra Hasselqvist auf den Registertagen 2024

Petra Hasselqvist, Swedish Association of Local Authorities and Regions (SALAR). © TMF e.V.

Dr. Nienke Schutte auf den Registertagen 2024

Dr. Nienke Schutte, Sciensano. © TMF e.V.

Univ.-Prof. Dr. med. Georg Heß auf den Registertagen 2024

Univ.-Prof. Dr. med. Georg Heß, EMCL-Register an der Universitätsmedizin Mainz. © TMF e.V.

In general, I’m positive, but we have to work hard to be able to share data.

Tobias Hartz auf den Registertagen 2024

Tobias Hartz, Klinisches Krebsregister Niedersachsen (KKN). © TMF e.V.

Registertage 2024 – Tag 2

Tag 2 der Registertage begann mit einer Session zur Vernetzung von Registerdaten. Moderiert von Tobias Hartz, Klinisches Krebsregister Niedersachsen (KKN), ging es um Fragen der Verknüpfung von heterogenen Datenquellen, Interoperabilität und Record Linkage.

Im BMG-geförderten Projekt Plato 2 wird das Ziel verfolgt, ein Konzept zur Schaffung einer Plattform zu entwickeln, die eine bundesweite anlassbezogene Datenzusammenführung und Analyse der Krebsregisterdaten aus den Ländern sowie eine Verknüpfung von Krebsregisterdaten mit anderen Daten ermöglicht. Prof. Dr. Sylke Zeißig, Universität Würzburg, stellte das Projekt anhand von sechs Anwendungsfällen am Beispiel unterschiedlicher Krebsarten vor. Bis Ende 2024 arbeiten an Plato 2 das Zentrum für Krebsregisterdaten, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe, die Krebsregister sowie Patientenorganisationen.

Prof. Dr. Sylke Zeißig auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Sylke Zeißig, Universität Würzburg. © TMF e.V.

Christopher Hampf von der Unabhängigen Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald zeigte die Arbeitsbereiche einer Treuhandstelle auf: Identitätsmanagement, Pseudonymmanagement und Einwilligungsmanagement. Sie arbeitet projekt- oder leistungserbringerspezifisch. Im Gegensatz dazu erfüllt eine Vertrauensstelle auf Bundesebene legislativ vorgegebene Aufgaben. Am Beispiel des Modellvorhabens Genomsequenzierung erklärte Anna Lübbe, Robert Koch-Institut (RKI), dass die föderierte Vertrauensstelle mit Sitz am RKI ein Record Linkage auf Basis der Krankenversicherungsnummer (KVNR) durchführt. Unter Record Linkage versteht man die individuelle Verknüpfung von unterschiedlichen Gesundheitsdaten, um einen gemeinsamen Datensatz zu erstellen. Das Ziel ist die Vermeidung von Dubletten und die korrekte Zusammenführung zusammengehörender medizinischer Daten. Die Möglichkeit für Register die KVNR der Patientinnen und Patienten mit erheben zu können, um ein späteres Record Linkage zu ermöglichen, wäre hierfür ein zentraler Schritt.

Christopher Hampf auf den Registertagen 2024

Christopher Hampf, Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald. © TMF e.V.

Anna Lübbe auf den Registertagen 2024

Anna Lübbe, Robert Koch-Institut (RKI). © TMF e.V.

Im Anschluss stellte Prof. Dr. Martin Sedlmayr, Technische Universität Dresden und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, die gemeinsame AG Externe Daten der Medizininformatik-Initiative (MII) und des Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) vor. Der Broad Consent der MII erlaubt es, Patientendaten, Kassendaten und Bioproben zu erheben. Die AG Externe Daten arbeitet daran, klinische Routinedaten der Datenintegrationszentren (DIZ) mit weiteren Daten wie Kassendaten und Registerdaten zu verknüpfen. Sie sei offen für Kooperationen mit weiteren Akteuren.

PD Dr. Anne Regierer, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) Berlin, zeigte im Anschluss, dass auch die Verknüpfung von Daten verschiedener Register Vorteile mit sich bringt. So werde angestrebt, die Klinischen Krebsregister jeweils mit dem MS-Register, dem Mukoviszidose-Register und dem RABBIT-Register per Record Linkage zu verknüpfen. Das könne die Analysemöglichkeit und Aussagefähigkeit von Registerdaten erhöhen und viele neue Fragestellungen ermöglichen, z.B.: Wie beeinflussen Langzeittherapien das Krebsrisiko?

Wie die Verknüpfung von strukturierten Daten aus der klinischen Routine mit Registern durch die Datenintegrationszentren (DIZ) der MII bereits gelingt, präsentierte PD Dr. Joachim Havla, Institut für Klinische Neuroimmunologie, LMU Klinikum, am Beispiel des MS-Registers. Patientendaten aus dem DIZ des LMU Klinikums München könnten datenschutzgerecht in das Register der deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) integriert werden.

Prof. Dr. Martin Sedlmayr auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Martin Sedlmayr, Technische Universität Dresden und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. © TMF e.V.

PD Dr. med. Anne Regierer auf den Registertagen 2024

PD Dr. med. Anne Regierer, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin. © TMF e.V.

PD Dr. Joachim Havla auf den Registertagen 2024

PD Dr. Joachim Havla, Institut für Klinische Neuroimmunologie, LMU Klinikum. © TMF e.V.

 Dr. Tanja Kostuj auf den Registertagen 2024

Dr. Tanja Kostuj, St. Marien-Hospital Hamm. © TMF e.V.

Session: Partizipation in und mit Regis­tern

Dass Patient Reported Outcome Measures (PROMs) nicht mit Partizipation gleichzusetzen sind wurde gleich zu Beginn in der Session Partizipation in und mit Registern, moderiert von Dr. Tanja Kostuj, St. Marien-Hospital Hamm, klargestellt. So liefern Patientinnen und Patienten für PROMs zwar eigene Daten, könnten aber nicht über Fragestellungen und Datenitems entscheiden. Wichtig sei es, Patientinnen und Patienten von Beginn an in Forschungsprojekte einzubeziehen. Am Beispiel der Krankheit Osteogenesis imperfecta (OI), einer seltenen angeborenen Bindegewebsstörung, zeigte Claudia Finis, Charité – Universitätsmedizin Berlin/Berlin Institute of Health (BIH), dass Patienten in Umfragen oft andere Symptome als beschwerdeführend beschreiben als Ärztinnen und Ärzte. Dementsprechend würden Symptome wie beispielsweise Schmerz und Fatigue in wissenschaftlichen Studien zu OI nicht ausreichend berücksichtigt.

Claudia Finis auf den Registertagen 2024

Claudia Finis, Charité – Universitätsmedizin Berlin/Berlin Institute of Health (BIH). © TMF e.V.

Prof. Björn Rosengren, Lund University, stellte vor, wie Patientenvertretungen im Steering Board des Schwedischen Sprunggelenkregisters mitwirken und wies auf die Notwendigkeit hin, Forschungsergebnisse verständlich zu kommunizieren. Für die Öffentlichkeit und Patienten sollten Berichte aus der Registerforschung auf Webseiten verfügbar sein. Praktische Empfehlungen, wie Patientinnen und Patienten als For­schungspartner eingebunden werden können, erläuterte auch Prof. Dr. Anja Strangfeld, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) Berlin und Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie betonte: „Clinical trials are only as credible as their endpoints.“ Das heißt, es sei notwendig, die für Patienten relevanten Fragestellungen wissenschaftlich zu untersuchen. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Patienten und Forschenden bei der Planung und Durchführung von Forschungsprojekten sowie der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse führe zu relevanteren und besseren Resultaten. Zu beachten sei allerdings, dass die Patientenperspektive nicht immer einfach zu messen, häufig unerwartet und individuell sei. Bernd Rosenbichler vom 2023 gegründeten Alström Syndrom e.V. ergänzte, wichtig seien die globale Vernetzung von Registern, eine einfache Sprache gegenüber Betroffenen und die Kommunikation von Vorteilen der Registerforschung. Zum Abschluss der Session betonte PD Dr. Anna Levke Brütt, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dass Patientenbeteiligung in Versorgungsforschungsprojekten immer notwendiger werde. Es müsse weiter darüber berichtet und kritisch reflektiert werden. Nur so könnten Outcomes, Qualität und Impact von Partizipation deutlich werden.

Prof. Björn Rosengren auf den Registertagen 2024

Prof. Björn Rosengren, Lund University. © TMF e.V.

Prof. Dr. Anja Strangfeld auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Anja Strangfeld, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) Berlin und Charité – Universitätsmedizin Berlin. © TMF e.V.

 Bernd Rosenbichler auf den Registertagen 2024

Bernd Rosenbichler, Alström Syndrom e.V. © TMF e.V.

PD Dr. Anna Levke Brütt auf den Registertagen 2024

PD Dr. Anna Levke Brütt, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. © TMF e.V.

Session: Qualitäts­siche­rung mit und durch Regis­ter

Registerdaten sollen zukünftig auch für die gesetz­liche Indikatoren gestützte Qualitätssicherung herangezogen werden. Wie kann das gelingen und wie geht es hier voran? Das ist das Thema der Session „Qualitätssicherung mit und durch Register“, welche von Dr. Christof Veit vom BQS Institut moderiert wird.

Wie man externe Qualitätssicherung und medizinische Register gemeinsam denken und besser miteinander verzahnen kann, darüber sprach Dr. Silvia Klein vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) in ihrem Vortrag. Das IQTIG berät als unabhängiges Institut den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) dabei, wie er die medizinische Versorgungsqualität in Deutschland messen und verbessern kann und entwickelt Qualitätsindikatoren für die Gesundheitsversorgung. „Register sollten frühzeitig die fachlichen und technischen Anforderungen der Qualitätssicherung berücksichtigen“, fordert Klein. Die Erschließung der Datenquelle Register für die Qualitätssicherung brauche Zeit. Weiterhin müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, so Klein.

Dr. Silvia Klein auf den Registertagen 2024

Dr. Silvia Klein, Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). © TMF e.V.

Dr. Christof Veit auf den Registertagen 2024

Dr. Christof Veit, BQS Institut. © TMF e.V.

Register sollten frühzeitig die fach­lichen und technischen Anfor­derungen der Qualitäts­sicherung berücksichtigen.

Dr. med. Heiko Trentzsch auf den Registertagen 2024

Dr. med. Heiko Trentzsch, LMU München. © TMF e.V.

Dr. med. Heiko Trentzsch von der LMU München stellte vor, wie das TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) als Qualitäts­sicherungs­instrument eingesetzt wird. Seit seiner Gründung im Jahr 1993 wurden Ergebnisdaten von über 450.000 Behandlungsverläufen im TraumaRegister dokumentiert. Allein in 2020 flossen mehr als 35.000 Fälle aus fast 700 Kliniken in das TraumaRegister DGU® ein. „Vollzähligkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten sind wichtig“, betont Trentzsch. Die teilnehmenden Kliniken sind primär in Deutschland lokalisiert, doch zunehmend tragen auch andere europäische und außereuropäische Länder dazu bei. Das TraumaRegister DGU® wird von den Kliniken nicht nur als Instrument zur externen Qualitätssicherung genutzt, sondern stellt darüber hinaus seit Jahren eine Grundlage für die klinische und die Versorgungsforschung dar.

Prof. Dr. med. Klaus Berger MPH, MSC, Universität Münster, berichtete vom Einfluss der Qualitätssicherung auf Versorgung und Strukturen beim akuten Schlaganfall. „Methodisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen Registern und externer Qualitätssicherung“, so Berger. „Ein Verständnis der Datenerhebung in der Qualitätssicherung als „Register zur Qualitätssicherung“ erlaubt mehr als nur die Qualitätssicherung.“ Register würden sich auch gut als Rekrutierungsinstrument für klinische Studien der Phase 3 und 4 oder Beobachtungsstudien eignen.

Das AKTIN-Notaufnahmeregister nutzt Routinedaten aus der Patientenversorgung in der Notaufnahme für die Gesundheitsberichterstattung, Qualitätssicherung und Versorgungsforschung. Dr. rer. nat. Susanne Drynda stellte dar, dass die Herausforderungen des Registers in der Datenqualität liegen. Es sei eine enge Kommunikation mit Kliniken erforderlich, um die Datenqualität zu verbessern.

Prof. Dr. med. Klaus Berger auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. med. Klaus Berger MPH, MSC, Universität Münster. © TMF e.V.

Dr. rer. nat. Susanne Drynda auf den Registertagen 2024

Dr. rer. nat. Susanne Drynda, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. © TMF e.V.

Methodisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen Registern und externer Qualitätssicherung.

Prof. Dr. Tim Mathes auf den Registertagen 2024

Prof. Dr. Tim Mathes, Universitätsmedizin Göttingen. © TMF e.V.

Session: Register als For­schungs­platt­form

Die Session „Register als For­schungs­platt­form“ war die letzte der diesjährigen Registertage und gleichzeitig ein Ausblick auf die Möglichkeiten der Weiterentwicklung für Register. Intensiv wurde diskutiert, wie Registerbasierte Interventionsstudien und registerbasierte Randomized Controlled Trials (RCT) dazu beitragen, dass Register als Forschungsplattform dienen können, indem sie bestehende Registerdaten nutzen, um klinische Studien durchzuführen. Medizinische Register können es ermöglichen, potenziell große Patientenpopulationen für Studien zu rekrutieren, zu untersuchen und dabei Ressourcen effizient zu nutzen. Die Herausforderung liegt darin, diese im internationalen Umfeld zunehmend an Beliebtheit gewinnende Methode auch in Deutschland in der Forschungslandschaft zu etablieren. „The future are plattform trials and trials within registry cohorts“, ist Prof. Dr. Tim Mathes von der Universitätsmedizin Göttingen überzeugt. Großes Potenzial sieht er darin Daten von rRCTs and „observational data“ zu kombinieren.

Alexander Stahmann von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) stellte vor, wie das Multiple Sklerose Register bereits für Studien genutzt wird. Die Registerdokumentation wird um studienspezifische Aspekte erweitert und bereits vorliegende longitudinale Verläufe können in die Analysen einbezogen werden. „Damit die Forschung zu relevanten Wirkstoffen nicht nach der Zulassung endet, werden vergleichende Untersuchungen durch registerbasierte RCTs eingesetzt, um diese Lücke zu schließen“, erläuterte Stahmann.

Dr. rer. biol. hum., Dipl. Ing. Thomas Bierbaum vom Deutschen Netzwerk für Versorgungsforschung (DNVF) bestätigte, dass die Bedeutung registerbasierter Studien für die Versorgungsforschung stetig zunimmt. Best Practice Beispiele aus der Onkologie zeigen bereits, wie Registerdaten genutzt werden können, um Leitlinien zu überprüfen, die Wirksamkeit und Qualität von Diagnostik und Versorgung zu evaluieren und Empfehlungen für Leitlinien und Interventionen abzuleiten. „Unser Fokus liegt darauf, durch eine mehrstufige Befragung im Verbundprojekt „Registerbasierte Interventionsstudien in Deutschland – Anforderungen, Möglichkeiten, Limitationen und Perspektiven" die Hürden und Defizite bei der Durchführung registerbasierter Studien zu identifizieren“, so Bierbaum.

Dr. Lena Kristina Beilschmidt, Roche Pharma AG, zeigte das Potenzial auf, wie aus Registern echte Dateninfrastrukturen durch Datenvernetzung werden können. Sie betonte, dass die Pharmaindustrie keine eigenen Register betreibe, sondern bestehende Register nutze und unterstütze. Dazu wünscht sie sich allerdings mehr Transparenz über Prozesse, Zuständigkeiten, Timelines und Kosten für die Datennutzung. „Wir brauchen mehr Datenqualität“, forderte sie außerdem. „Um die Registerlandschaft in Deutschland gesellschaftlich nachhaltig aufzustellen, müssen wir uns alle gemeinsam engagieren.“

Die Registertage 2024 in Berlin waren ein voller Erfolg. Mehr als 200 Expertinnen und Experten haben gemeinsam wichtige Impulse für die zukünftige Registerforschung gesetzt. Austausch, Diskussion und Vernetzung haben den Kongress zu einem bedeutenden Networking-Event der Registerszene gemacht.

Alexander Stahmann auf den Registertagen 2024

Alexander Stahmann, Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). © TMF e.V.

Dr. rer. biol. hum., Dipl. Ing. Thomas Bierbaum auf den Registertagen 2024

Dr. rer. biol. hum., Dipl. Ing. Thomas Bierbaum, Deutsched Netzwerk für Versorgungsforschung (DNVF). © TMF e.V.

Dr. Lena Kristina Beilschmidt auf den Registertagen 2024

Dr. Lena Kristina Beilschmidt, Roche Pharma AG. © TMF e.V.

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