Datenschätze heben – Datenschutz gewährleisten
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„Es ist möglich, medizinische Forschung datenschutzgerecht zu gestalten.“ Dieses Resümee aus 15 Jahren Begleitung von Forschungsprojekten bei der Entwicklung, Abstimmung und Umsetzung von Datenschutzkonzepten zog Prof. Dr. Klaus Pommerening (Universität Mainz) beim TMF-Workshop zum Datenschutz in der medizinischen Forschung, der am 29. Oktober 2014 in Berlin stattfand. Derzeit besteht allerdings insbesondere bei der Sekundärnutzung von Behandlungsdaten für Zwecke der Forschung und Qualitätssicherung noch großer Diskussionsbedarf. Die nach wie vor große Bedeutung des Themas zeigte sich nicht zuletzt auch daran, dass die Veranstaltung mit rund 170 Teilnehmern ausgebucht war.
Prof. Dr. Klaus Pommerening stellt die neuen Datenschutzkonzepte der TMF vor. © TMF e.V.
Pommerening stellte als Hauptautor auch die neuen generischen Datenschutzkonzepte der TMF vor, die gerade in der Schriftenreihe der TMF erschienen sind. Die Konzepte, die die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im März 2014 Forschungsprojekten als Basis für die Ausarbeitung konkreter Datenschutzkonzepte empfohlen hat, sind für die Publikation in einen umfassenden Leitfaden eingebettet worden.
Die Arbeitsgruppe Datenschutz der TMF berät seit vielen Jahren medizinische Forschungsprojekte auch bei der Erstellung und Umsetzung ihrer Datenschutzkonzepte. Sinnvoll sei es, bereits in einem frühen Stadium das Projekt in der Arbeitsgruppe vorzustellen und mit der Arbeitsgruppe über den Prozess hin im Austausch zu bleiben, empfahl Pommerening, der die Arbeitsgruppe seit ihren Anfängen 1999 leitet. In einem etablierten Verfahren können Projekte auch ein Votum der Arbeitsgruppe zu ihrem Datenschutzkonzept erhalten.
Gutachter Dr. Uwe Schneider stellte das von der TMF eingeholte Rechtsgutachten vor. © TMF e.V.
Die systematische Analyse von Behandlungsdaten ist eine vielversprechende Methode
Viele Fragen und großen Diskussionsbedarf gibt es derzeit noch bei der datenschutzrechtlichen Bewertung der Sekundärnutzung von Behandlungsdaten: Zunehmend greift medizinische Forschung auf Daten aus der Versorgung zurück. Das „Heben dieses Datenschatzes“ und dessen systematische Analyse kann nicht nur die Qualitätssicherung im Gesundheitsbereich deutlich verbessern, sondern ist darüber hinaus auch für viele Forschungsfragen von hohem Wert. Hierzu zählen retrospektive Studien, Machbarkeitsanalysen im Vorfeld von Studien, Untersuchungen zur Pharmakovigilanz und viele weitere klinische und epidemiologische Fragestellungen. Deren systematische Analyse ist eine vielversprechende Methode, die nicht zuletzt auch für die Qualitätssicherung im Gesundheitsbereich bedeutsam ist, aber auch Bedeutung hat für epidemiologische Forschungsfragen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projektes cloud4health hat die TMF zu zahlreichen offenen Rechtsfragen in diesem Zusammenhang ein Rechtsgutachten eingeholt, das Gutachter Dr. Uwe K. Schneider (Vogel & Partner, Karlsruhe) bei dem Workshop vorstellte.
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Das Gutachten zeigt, dass die Sekundärnutzung von Behandlungsdaten für Zwecke der Forschung und der Qualitätssicherung grundsätzlich gesetzeskonform möglich ist, jedoch ist eine Vielzahl von Regelungen und Restriktionen im Detail zu beachten: Vorgaben finden sich nicht nur in den Bundes- und Landesdatenschutzgesetzen, sondern beispielsweise auch in den Landeskrankenhausgesetzen. Das Gutachten schlüsselt für jeden Fall auf, welche gesetzgeberischen Vorgaben maßgeblich sind. Lebhaft diskutiert wurde, ob und mit welchen Mitteln umfangreiche klinische Daten wirksam anonymisiert werden können. Zudem wurde betont, dass das Vertrauen der Patienten ein hohes Gut ist. Der in verschiedenen Fallkonstellationen rechtlich definierte Spielraum für die interne Forschung ohne Einwilligung der Patienten dürfe nur dann genutzt werden, wenn die Nachfrage nach einer Einwilligung wirklich nicht möglich ist.
Dr. Martin Sedlmayr erklärte, dass die elektronische Datenauswertung es erlaube, Daten schneller und in besserer Qualität auszuwerten. © TMF e.V.
Text Mining-Strategien machen auch unstrukturierte klinische Daten zugänglich
Dr. Martin Sedlmayr (Universität Erlangen) wies darauf hin, dass die Sekundärnutzung klinischer Daten nichts Neues sei, sondern Papier-basiert schon seit langem erfolge. Neu sei die elektronische Auswertung, die es erlaube strukturierte Daten schneller sowie – wie im Rahmen des cloud4health-Projektes gezeigt werden konnte – auch mit besserer Qualität und Zuverlässigkeit auszuwerten. Ein Problem dabei sei jedoch, dass ein großer Teil des klinischen Wissens in Freitexten vorliege. Aufgabe des cloud4health-Projektes war es deshalb, auch einen Ansatz für die Nutzung unstrukturierter Daten durch den Einsatz von Text Mining-Strategien zu entwickeln. Da es für die Behandlungseinrichtungen in der Regel wirtschaftlich nicht sinnvoll sei, hierfür eigene Infrastrukturen vorzuhalten, habe das Projekt ein Konzept für eine Bereitstellung entsprechender Infrastrukturen als Service erarbeitet. Dabei geschieht das Text Mining in einer sicheren Cloud-Infrastruktur, die für das Projekt exemplarisch beim Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI aufgebaut wurde.
Ein generisches Datenschutzkonzept für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der Cloud
Anonymisierung und Pseudonymisierung sind zentrale Bestandteile des von der TMF im Rahmen des cloud4health-Projektes entwickelten Datenschutzkonzeptes, das Dr. Astros Chatziastros (TMF-Geschäftsstelle) erläuterte. Demnach sei vor der Verarbeitung in der Cloud die Anonymisierung oder Pseudonymisierung der unstrukturierten Daten in der Klinik unabdingbar. Auf dieser Basis könne es je nach Anwendungsfall und anwendbarem Recht unterschiedliche Modelle der Nutzung geben. Sowohl retrospektive Analysen ohne spezifische Einwilligung des Patienten seien möglich, als auch prospektive Vorhaben mit einer einrichtungsübergreifenden Pseudonymisierung bei einem Treuhänder. Letztere würden auch die Verfolgung eines Einrichtungswechsels ermöglichen, was aus inhaltlichen Gründen notwendig sein kann. Die einrichtungsübergreifende Pseudonymisierung setze allerdings in jedem Falle eine Einwilligung der Patienten voraus.
Irene Schlünder berichtet über den aktuellen Stand der Stellungnahme zur Nutzung von Bestandsdaten aus der Patientenversorgung. © TMF e.V.
Umfassende Neuordnung des europäischen Datenschutzrechts
Das Rechtsgutachten zur Sekundärnutzung von Behandlungsdaten zeigt sehr deutlich die Heterogenität des Datenschutzrechts auf, die für die Forschungseinrichtungen insbesondere bei der Planung multizentrischer Studien zu enormen Aufwänden führt. Eine Vereinheitlichung wäre aus Sicht der Forscher hier also sehr zu wünschen. Hoffnungen hatten sich in diesem Zusammenhang auf den aktuellen Entwurf einer EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) gerichtet, mit dem eine umfassende Neuordnung des Datenschutzrechts auf europäischer Ebene in Vorbereitung ist.
In einer gemeinsamen Stellungnahme hatten Forscher aus der TMF und dem KKS-Netzwerk allerdings im Juli 2014 darauf hingewiesen, dass bei der Ausgestaltung von Regularien und Verfahrensweisen, die dem Schutz des Bürgers dienen, ebenfalls darauf geachtet werden muss, biomedizinische Forschung nicht unnötig be- oder gar zu verhindern. Insbesondere hatten sie auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass die Nutzung von Bestandsdaten aus der Patientenversorgung für die Forschung stark eingeschränkt oder sogar verhindert werden könnte. Irene Schlünder (TMF-Geschäftsstelle), die die Stellungnahme maßgeblich mit erarbeitet hatte, berichtete über den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens, mit dessen Abschluss derzeit nicht vor Ende 2015 gerechnet wird. Als nachbesserungsbedürftig wurde in der Stellungnahme insbesondere die unklare Verweislogik zwischen den für die biomedizinische Forschung entscheidenden Bestimmungen für Gesundheitsdaten (Artikel 9 und 81) einerseits sowie der Forschung mit Gesundheitsdaten (Artikel 9 und 83) andererseits kritisiert. Was die Forschung vor allem brauche, seien eindeutige Regeln.
Die Teilnehmer der Podiums-diskussion verdeutlichten, dass die Datennutzung mit einer weiteren Verbesserung von Therapiemöglichkeiten verbunden sein kann. © TMF e.V.
Nutzen und Risiken sorgfältig gegeneinander abwägen
Dass mit der Nutzung der Daten aus dem Behandlungskontext große Hoffnungen für eine weitere Verbesserung von Therapiemöglichkeiten verbunden sind, machten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Mittag deutlich. Es sei aber genauso wichtig, die Interessen der Betroffenen im Hinblick auf ihre informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen und Nutzen und Risiken sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Es besteht darüber hinaus, wie sich in der Diskussion zeigte, großer Bedarf, die Vorgaben für die Ausgestaltung von Einwilligungserklärungen national wie auch auf europäischer Ebene zu harmonisieren. Dies betrifft sowohl die akademische wie auch die industrielle Forschung: In einer großen multinationalen Studie könnten leicht bis zu 100 verschiedene Einwilligungserklärungen im Einsatz sein.
Von Gutachten und Konzepten über Werkzeuge und Services bis zur Beratung
Abschließend stellte Dr. Johannes Drepper (TMF-Geschäftsstelle), der den Workshop und die Podiumsdiskussion moderiert hatte, die Unterstützungsangebote der TMF zur datenschutzgerechten Umsetzung biomedizinischer Forschungsprojekte vor. Das Spektrum reicht von Gutachten und generischen Konzepten über Tools und elektronische Services bis hin zu Beratungsangeboten.
Diese Angebote können von allen Forschern in der Regel frei genutzt werden, auch unabhängig von einer Mitgliedschaft ihres Projektes in der TMF. Die Forscher, die über die Mitgliedschaft von Forschungsverbünden oder -einrichtungen auch in die aktive Arbeit der TMF eingebunden sind, können darüber hinaus ihre Anforderungen einbringen und die Lösungen mitgestalten. Mit ihren Mitgliedsbeiträgen, die in bestimmten Fällen auch förderfähig sind, ermöglichen die Verbünde und Einrichtungen diese gemeinsame Arbeit. Wesentliches Merkmal gemeinsamer Projekte ist, dass sie nicht individuelle Fragen eines einzelnen Projektes, sondern solche Probleme lösen, die eine Reihe von Projekten betreffen und damit eher grundsätzlicher Natur sind.
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Einladungs- und Programmflyer | 177.55 KB |
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Vortragsfolien
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Dr. Martin Sedlmayr: Cloud Computing für Big-Data-Analysen in der Medizin | 2.88 MB |
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