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„Jugendliche reden auf Facebook nicht über Krankheit“

Gesundheitsforschung hat viele Zielgruppen – das Format ist entscheidend

Vier Personen sitzen an einem Tisch und unterhalten sich. Über ihren Köpfen sind Sprechblasen und eine leuchtende Glühbirne.

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Das Thema Gesundheit betrifft fast jeden, Botschaften aus der Gesundheits­forschung sind für verschiedenste Gruppen interessant – oder sollten es sein. Wissen über die eigene Erkrankung, die besten Therapieoptionen oder gesundheits­förderndes Verhalten haben direkten Einfluss auf die gesundheitliche Entwicklung von Menschen. In einer Session im Rahmen des diesjährigen Forums Wissenschafts­kommunikation am 13. November 2013 in Karlsruhe wurde deutlich, wie wichtig es ist, die Präferenzen der jeweiligen Zielgruppe zu kennen und auf dieser Basis geeignete Kommunikations­formate zu entwickeln. Die Session war von der TMF-Arbeitsgruppe Wissenschafts­kommunikation initiiert und unter der Leitung von Dr. Silke Argo (NGFN) konzipiert und organisiert worden.

Forum Wissenschaftskommunikation 2013

© TMF e.V.

„Nur zielgerichtete und gute Aufklärung hilft chronisch Kranken dabei, sich richtig zu verhalten – Patienten bei der Genesung und Gesunden bei der Vorbeugung“, so formulierte es Monika Landgraf, Leiterin Presse am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), die die Veranstaltung mit dem Titel „Gesundheits­forschung hat viele Zielgruppen – das Format ist entscheidend“ moderierte. Wiebke Lesch, die Sprecherin der Arbeitsgruppe, berichtete jedoch aus eigener Erfahrung: „Man sollte sich als Kommunikator nicht einbilden, dass man die Zielgruppe kennt“. Es sei dringend anzuraten, die Botschaften und Formate in der Zielgruppe zu testen oder sie sogar gemeinsam mit ihr zu entwickeln.

Teenager gestalten Kampagne zu angeborenen Herzfehlern mit

Kampagne Kompetenznetz Angeborene Herzfehler

© Kompetenznetz Angeborene Herzfehler

In ihrer Funktion als Leiterin des Bereichs Kommunikation und Marketing des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler hat sie bei der Entwicklung der Kampagne „Kümmere dich um dein Herz“ Jugendliche in den Prozess einbezogen. Diese sorgten beispielsweise dafür, dass Motive für die Zielgruppe ansprechender gestaltet wurden. Dies ist wichtig, denn Ziel der Kampagne ist es, Teenager mit angeborenem Herzfehler dazu zu motivieren, sich mit ihrem Herzfehler auseinanderzusetzen und notwendige Kontroll­untersuchungen wahrzunehmen. In der Transitionsphase zwischen Kinder- und Erwachsenen­medizin gingen die Patienten häufig verloren und manche kehrten erst später mit gesundheitlichen Schäden in das medizinische System zurück, die vermeidbar gewesen wären, erläuterte Lesch.

Die Kampagne setzt auf Poster und Postkarten in Kliniken und Praxen sowie auf die Website des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler. Facebook dagegen werde als Kanal derzeit nicht genutzt, denn „Jugendliche reden auf Facebook nicht über Erkrankungen – im Gegenteil: das Thema Krankheit wird hier vermieden oder gar verheimlicht“, so Wiebke Lesch.

Gesundheits­informationen im Internet auf Basis von Qualitätskriterien erstellen

Krebsinformationsdienst

© KID

Der Krebs­informations­dienst (KID) mit Sitz am Deutschen Krebs­forschungs­zentrum (DKFZ) setzt auf eine Telefonhotline und ein umfangreiches Online-Informations­angebot, um Patienten und Angehörige sowie auch die interessierte Öffentlichkeit über das Thema Krebs zu informieren. Die hohe Anzahl von Anfragen per E-Mail und Besuchern der KID-Website bestätigten den allgemeinen Trend zu einer zunehmenden Suche von Gesundheits­informationen im Internet, erläuterte Dr. Susanne Weg-Remers, die den Krebs­informations­dienst leitet. Anliegen des KID sei es deshalb, verlässliche Gesundheits­informationen auf Basis von Qualitätskriterien bereitzustellen, wie sie beispielsweise vom Deutschen Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin formuliert worden sind.

Um neuere Nutzergruppen zu erreichen und direktes Feedback von den Nutzern zu erhalten, setzt der KID seit einiger Zeit auch auf eine Facebook-Präsenz. Darüber hinaus wird ein Online-Quiz eingesetzt, um wichtige Fragen und häufige Fehleinschätzungen rund um das Thema Brust­krebs­früh­erkennung zu adressieren.

Im Wartezimmer nutzbar: App des IGeL-Monitor

Wer bei einem Arztbesuch schon mal ratlos war angesichts der Frage, ob diese oder jene dringend angeratene „Individuelle Gesundheits­leistung“ (IGeL) nun wirklich sinnvoll ist oder doch eher nicht, der kann sich nun ganz schnell gleich vor Ort orientieren: Der „IGeL-Monitor“, der im Auftrag des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. Anfang 2012 online gegangen ist, bietet seit diesem Jahr auch eine App an, über die die Informationen mobil abgerufen werden können. Die Informationen der App seien identisch mit denen auf der Website, allerdings fehlten hier die eher an Fachleute gerichteten Hinter­grund­informationen, erläuterte Dr. Christian Weymayr, der Redakteur des IGeL-Monitors.

Aufgabe des IGeL-Monitors ist es, ärztliche Leistungen, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen, hinsichtlich ihres möglichen Nutzens und Schadens zu bewerten. Die Informationen sollen als Grundlage für eine Entscheidungs­findung dienen. Um dem jeweiligen Informations­bedarf verschiedener Zielgruppen in unterschiedlichen Situationen Rechnung zu tragen, werden die Informationen auf fünf verschiedenen Ebenen dargestellt: von einer zusammen­fassenden Bewertungsaussage im ersten Satz über eine kompakte Information in zwei Absätzen über einen ausführlicheren Text, der die Bewertung begründet, bis hin zu Evidenzsynthese und Ergebnisbericht, die die Ergebnisse der wissenschaftlichen  Literatur zusammenfassen und die Bewertung für ein Fachpublikum diskutieren. Die meisten Nutzer läsen jedoch primär die Kompaktinformationen, so Christian Weymayr. Um auch die Hintergründe der Bewertungen besser vermitteln zu können, erwäge man derzeit eine Ergänzung des Angebotes durch Kurzvideos.

Genomforschern über die Schulter schauen – komplementäre Angebote für den Ober­stufen­unterricht

Genomic Explorer

© Nationales Genomforschungsnetz

„Science in Process“ zu zeigen und Schülern die Möglichkeit zu bieten, Wissenschaftlern bei der Arbeit „über die Schulter zu schauen“ ist das Ziel der Schulmaterialien, die im Nationalen Genom­forschungs­netz (NGFN) erarbeitet worden sind. Dr. Silke Argo, die die NGFN-Geschäftsstelle leitet, betonte, dass das Angebot komplementär zu den etablierten Schulmaterialien konzipiert sei, die die essentielle Aufgabe hätten, konsolidiertes Wissen zu vermitteln. Die Materialien vermitteln komplexe Themen der medizinischen Genomforschung fundiert und trotzdem anschaulich aufbereitet mit Darstellung aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen. Die Materialien für Schüler der Sekundarstufe II trügen dazu bei, die erlernten Grundlagen zu festigen und mit Leben zu füllen. Für Lehrer stehen ergänzende Unterlagen bereit, mit denen ganze Unterrichtseinheiten geplant werden können. Die Materialien sind mit Förderung durch das BMBF realisiert worden, teilweise gemeinsam mit dem Gläsernen Labor Berlin und der Genomxpress-Redaktion.

Neben Formaten wie der CD „GENial einfach!“ mit umfangreichen Materialien, dem Magazin GENOMXPRESS Scholae sowie der Veranstaltung „Tag der Genomforschung“ bietet das NGFN auch einen spielerischen Zugang zum Thema: Der „Genomic Explorer“ ist ein Computerspiel zum Thema Human­genom­forschung. Die Spieler können hier interaktiv durch den menschlichen Körper navigieren und beim Lösen von Wissensaufgaben zur Genetik Punkte sammeln. Alle Materialien erfreuten sich großer Beliebtheit, die Unterrichts­materialien seien mittlerweile fast vergriffen, so Silke Argo.   

Interaktives Element

Um die Zuhörer zu aktivieren und auch während der Vorträge einzubinden, kam ein TED-System zum Einsatz: Zu verschiedenen Fragen erhoben die Referenten ein Meinungsbild oder testeten das Wissen der Teilnehmer. Das Wissen über das menschliche Genom erwies sich in dieser Gruppe beispielsweise als sehr gut. Den IGeL-Monitor schätzten die Teilnehmer in der Abfrage als noch kritischer in seinen Bewertungen der geprüften Angebote ein als er tatsächlich ist.