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Gefühle ansprechen und den Dialog suchen

Auch und gerade bei kleinen Budgets ist die strategische Planung der Kommunikations­maßnahmen in medizinischen Forschungs­netzen unerlässlich.

Headergrafik für das Thema Kommunikation & Stakeholder Engagement

© bonezboyz - stock.adobe.com

Zeitgemäße Wissenschafts- und Gesundheits­kommunikation basiert auf strategischen Konzepten, nutzt die Kraft der Emotionen und setzt auf den vertrauens­bildenden Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Dies waren zentrale Botschaften des TMF-Schulungs­workshops „Kommunikations­maßnahmen für medizinische Forschungsnetze entwickeln“, der am 14. April 2011 in Berlin stattfand.

Grafik Strategie by Lesch Specht 2011

Die Strategie ist das intellektuelle Herzstück einer jeden Konzeption (Lesch/Specht 2011). © TMF e.V.

Wie können medizinische Forschungsnetze Patienten und Probanden, aber auch Förderer und die Gesellschaft über die Ziele und Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte informieren? Wie kann die Kommunikation gelingen, wenn Probanden für Register oder Bio­material­banken gewonnen oder Patienten zur Teilnahme an klinischen Studien bewegt werden sollen? Ziel des Workshops, an dem rund 30 Kommunikations­verantwortliche von Forschungsnetzen und -einrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen, war es, den Teilnehmern das Handwerkszeug einer zielgruppengerechten strategischen Kommunikation zu vermitteln.
 

Wissenschafts­kommunikation: Von PUS zu PUR

Selbstverständnis und Anforderungen an die Wissenschafts­kommunikation haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt, konstatierte Alexander Gerber, Geschäftsführer der innokomm GmbH – Forschungszentrum für Wissenschafts- und Innovations­kommunikation, in seinem Einstiegsvortrag. Von einseitiger Informations- und Überzeugungsarbeit („Public Understanding of Science“, PUS) habe sie sich fortentwickelt hin zu einem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und der Darstellung von Wissenschaft als Prozess („Public Understanding of Research“, PUR). Der Trend gehe in Richtung „Edutainment“, also einer verstärkten Emotionalisierung und Inszenierung von Wissenschaftsthemen, so die Aussage Gerbers. Dies zeigen auch die Ergebnisse der von ihm koordinierten Trendstudie (www.wk-trends.de). Auch die direkte Kommunikation von Wissenschaftlern mit der Öffentlichkeit bei Veranstaltungen oder im Internet sei zur Vertrauensbildung unverzichtbar. Das World Wide Web eröffne der Wissenschaft gute Chancen zu einer besseren Wahrnehmung ihrer Interessen.

Michael Siewert (medpirica) führte in die Grundlagen der Ziel­gruppen­segmentierung anhand empirischer Daten ein und stellte verschiedene Ansätze und Wege vor. Sie alle haben ihre Berechtigung und können als Versuche angesehen werden, die Wirklichkeit abzubilden. Die Zielgruppensegmentierung ist essentiell für die Fokussierung der Kommunikations­maßnahmen: Welche Personen sollen mit welchen Botschaften erreicht werden? Es könne dann, so Siewert, beispielsweise nicht mehr nur einen Newsletter für alle Adressaten geben. Es sollten jedoch nicht mehr als vier bis sechs Typen ausdifferenziert werden, da eine Umsetzung verschiedener Strategien darüber hinaus nicht mehr realisierbar sei. Die anschließende Diskussion zeigte, dass eigene Forschung zur Ziel­gruppen­bestimmung in groß angelegten Kampagnen unerlässlich ist. In kleineren Projekten jedoch ist dies nicht immer umsetzbar. Es könnten dann behelfsweise vorhandene Segmentierungen oder Gesundheits­typologien genutzt werden, die allerdings nicht sehr marktspezifisch sind.
 

Von der Ziegruppe zur Strategie

Die Grundlagen der strategischen Kommunikationsplanung – von der Zielgruppe zur Strategie – vermittelten Workshop-Leiterin Wiebke Lesch, Kommunikations­verantwortliche für das Kompetenznetz Angeborene Herzfehler und Sprecherin der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit der TMF, und ihre Kollegin Katharina Specht. Sie spannten den Bogen vom Briefing („Um welches Problem geht es?“) über die Analyse (Welche Ziele? Welche Zielgruppen? Positionierung? Kommunikations­botschaften und -inhalte?) bis hin zu den Maßnahmen („Mit welchen Mitteln und Maßnahmen soll über welche Medien kommuniziert werden“) und zur abschließenden Evaluation. Im anschließenden Praxisteil hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, diese Methodik selbst in Übungsaufgaben anzuwenden.
 

Auch die Wissenschaft kommt an der Online-Kommunikation nicht vorbei

Wie man über soziale Medien wie Facebook und Twitter mit der allgemeinen Öffentlichkeit und mit Journalisten in Dialog treten und hier – auch mit relativ kleinen Budgets – viele Menschen erreichen kann, zeigte Oliver Seim, Online-Redakteur bei der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Neben den Vorteilen eines direkten Dialoges mit dem Publikum über das Internet thematisierte Seim aber auch die damit verbundenen Herausforderungen – etwa den vergleichsweise hohen Zeitaufwand und die noch eher geringen Erfahrungen mit der strategischen Kommunikation im Web 2.0. Es müssten Ressourcen zur Verfügung stehen, um mögliche Gegenkampagnen auffangen und Fragen aus der Community aufgreifen zu können. Dennoch ist Seim sich sicher: Die Vernetzung der realen Welt mit dem Internet wird weiter zunehmen. An der Online-Kommunikation komme auch die Wissenschaft nicht vorbei.
 

Wie die Umsetzung von Kommunikations­strategien in der Praxis aussieht, war Thema der Vorträge am Nachmittag:

Auf einen breiten Mix der Kommunikations­instrumente setzte etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihrer erfolgreich verlaufenen Jugendkampagne „Alkohol? Kenn dein Limit“, die Peter Lang, Bereichsleiter „Themen- und ziel­gruppen­spezifische gesundheitliche Aufklärung“ bei der BZgA vorstellte. Die Kampagne erreicht allein mit der Internetplattform www.kenn-dein-limit.info jährlich mehr als 700.000 Besucher, in den sozialen Netzwerken hat sie 38.000 Fans.

Ranja von der Ropp von der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. stellte die Kampagnen zum Tag der Seltenen Erkrankungen in Deutschland und auf europäischer Ebene vor. Insbesondere EURORDIS, die europäische Dachorganisation für Patienten mit Seltenen Erkrankungen, setzt hierzu vor allem auf Online Campaigning.

Über die Möglichkeiten von „Entertainment Education“ als Maßnahme der Gesundheitsförderung berichtete Dr. Claudia Lampert (Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg), die auch das Netzwerk Gesundheits­kommunikation (www.netzwerk-gesundheitskommunikation.de) koordiniert. Ernsthafte Themen und Anliegen in fiktionalen, unterhaltsamen Formaten zu platzieren, ist eine Kommunikations­strategie, die sich zunehmend etabliert. In den USA und in den Niederlanden gibt es bereits Institutionen, die entsprechende Gesundheits­informationen für die Medienbranche bereitstellen und die Tipps geben, wie die Informationen aufbereitet sein müssen (www.media-health.nl). Wesentlich sei, so Lampert, eine Analyse des Programmangebotes und des Informations­verhaltens der avisierten Zielgruppe vorzunehmen und die Botschaften sehr klar zu formulieren.

Grafik Konzeptionspyramide by Becker 2001

Die Konzeptionspyramide: Aus den Zielen leiten sich die Strategien und aus diesen die Maßnahmen ab. (Becker 2001) © TMF e.V.

Grafik Kommunikationsplanung by Lesch Specht 2011

Arbeitsschritte einer professionellen Kommunikationsplanung: Nach der Analyse folgen Konzeption und Strategie. (Lesch/Specht 2011) © TMF e.V.