Sterblichkeit bei COVID-19-Patienten in deutschen Unikliniken im Jahresverlauf 2020 gesunken
© ST.art - stock.adobe.com
Die Sterberate bei COVID-19-infizierten Patientinnen und Patienten in Deutschland ist rückläufig, wie eine vom Universitätsklinikum Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg geleitete Forschungsgruppe berichtet. In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie wurden Krankenhausaufenthalte von 1.318 COVID-19-Patienten aus 14 deutschen Universitätskliniken von Januar bis September 2020 untersucht. Die Analyse zeigt einen Rückgang der durchschnittlichen Sterberate bei COVID-19-Patienten von anfangs 20,7 Prozent (Januar bis April) auf 12,7 Prozent (Mai bis September). Das kann aus Sicht der Forschenden ein Beleg für eine kontinuierliche Optimierung der COVID-19-Behandlung, bessere Therapieempfehlungen und zunehmende Erfahrung der Behandlungsteams mit der Erkrankung sein. Die klinikübergreifenden Datenauswertungen wurden durch die Vorarbeiten der Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und deren Ausbau im Rahmen des CODEX-Projekts ermöglicht.
„In dieser Untersuchung wird zum ersten Mal für die stationäre Versorgung von COVID-19-Patienten in deutschen Unikliniken gezeigt, dass die anfänglich sehr hohe Sterberate relevant gesunken ist“, sagt Professor Jürgen Schüttler, Direktor der Anästhesiologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen. „Die bisher erzielten Fortschritte der MII ermöglichen quasi zum richtigen Zeitpunkt standortübergreifende Analysen, um den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie besser zu begegnen.“
Die Gesamtsterblichkeit von stationär behandelten COVID-19-Patienten in 14 deutschen Unikliniken lag im Beobachtungszeitraum von Januar bis September 2020 bei 18,8 Prozent. Bei beatmeten Fällen lag die Sterberate im ersten Abschnitt von Januar bis April bei 39,8 Prozent und sank im späteren Zeitraum von Mai bis September auf 33,7 Prozent. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt der reduzierten Sterblichkeitsrate bei Patienten mit einem Alter über 60 Jahre.
Risikofaktoren untersucht: Alter, Geschlecht, Komorbiditäten
Die Sterberaten von stationären COVID-19-Patienten wurden abhängig von verschiedenen Faktoren wie Beatmungsstatus, Geschlecht, Lebensalter, Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und in Kombination mit verschiedenen Komorbiditäten, das heißt zusätzlichen Krankheitsbildern, untersucht. Häufige weitere Erkrankungen der COVID-19-Patienten waren Niereninsuffizienz (35,2 %), Blutarmut (26,0 %) und Diabetes mellitus (21,1 %). Mit 58,3 Prozent war der Großteil der COVID-19-Patienten mindestens 60 Jahre alt. Unter den verstorbenen Patienten stammen 82,6 Prozent aus dieser Altersgruppe. Der Anteil männlicher COVID-19-Patienten lag insgesamt bei 63,4 Prozent, bei den beatmeten Patienten waren 74,9 Prozent männlich, bei den verstorbenen 72,6 Prozent. Die gefundenen Risikofaktoren wie männliches Geschlecht, höheres Alter und das Komorbiditätsmuster entsprechen laut Schüttler den bereits in früheren Publikationen veröffentlichten Ergebnissen.
Datenintegrationszentren der MII ermöglichen standortübergreifende COVID-19-Forschung
Grundlage der Studie sind die sogenannten Datenintegrationszentren (DIZ) der MII. Seit 2018 haben bundesweit 29 Unikliniken in der MII diese Zentren errichtet, um Daten aus der Versorgung und der Forschung klinikübergreifend und datenschutzgerecht für die Forschung nutzbar zu machen. Die DIZ sind an die bestehende Krankenhaus-IT-Infrastruktur angebunden und ermöglichen eine zunächst dezentrale Datenhaltung. Die Unikliniken behalten dabei jeweils die Hoheit über ihre Daten. Systematisch werden klinische Datenquellen erschlossen und die entsprechenden Daten harmonisiert und in einem standardisierten Datenmodell im DIZ für die Forschung bereitgestellt. Für die Studie wurden die DIZ der MII föderiert analysiert, das heißt, es wurden Analysemethoden für verteilt liegende Daten angewandt. Grundlage für die Datenauswertung sind neben der technischen Infrastruktur auch die in der MII geschaffenen regulatorischen Rahmenbedingungen.
„Die MII-Infrastruktur stellt die Grundlage für die Forschungsdatenplattform zu COVID-19 dar, die seit August 2020 im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) entwickelt wird. Ziel des Projekts CODEX ist es, einen COVID-19-spezifischen Forschungsdatenbestand aller universitär-stationären Fälle zu erstellen. In diesem Kontext arbeiten mittlerweile alle deutschen Unikliniken intensiv an der Bereitstellung des sogenannten GECCO-Datensatzes (German Corona Consensus) in ihren DIZ, um in Zukunft weitergehende verteilte Analysen zur Versorgung von COVID-19-Patienten durchführen zu können“, so Sebastian C. Semler, TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Leiter der MII-Koordinationsstelle und gemeinsam mit Ralf Heyder, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Leiter des CODEX-Gesamtprojekts.
Hintergrund Medizininformatik-Initiative
Ziel der Medizininformatik-Initiative (MII) ist die Verbesserung von Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung durch innovative IT-Lösungen. Diese sollen den Austausch und die Nutzung von Daten aus Krankenversorgung, klinischer und biomedizinischer Forschung über die Grenzen von Institutionen und Standorten hinweg ermöglichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die MII bis 2022 mit rund 160 Millionen Euro. In den vier Konsortien DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH arbeiten alle Einrichtungen der Universitätsmedizin in Deutschland an über 30 Standorten gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretern daran, die Rahmenbedingungen zu entwickeln, damit Erkenntnisse aus der Forschung direkt den Patienten erreichen können. Datenschutz und Datensicherheit haben dabei höchste Priorität.
Für die nationale Abstimmung der Entwicklungen innerhalb der MII ist eine Koordinationsstelle zuständig, die die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF) gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD) in Berlin betreibt.
Hintergrund CODEX
Das im August 2020 gestartete Projekt CODEX (COVID-19 Data Exchange Platform) ist zentraler Baustein des von der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordinierten und zunächst mit 150 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Mit CODEX wird eine sichere, erweiterbare und interoperable Plattform zur Bereitstellung von Forschungsdaten zu COVID-19 aufgebaut, die die Universitätskliniken bundesweit verbindet. Damit sollen der Wissenschaft strukturierte Daten mit hoher Qualität zur Verfügung gestellt und neuartige Auswertungen ermöglicht werden. Grundlage sind die Vorarbeiten, insbesondere die Datenintegrationszentren, der Medizininformatik-Initiative (MII) des BMBF.
Pressekontakt
Sophie Haderer
Tel.: 030 − 22 00 24 732
E-Mail: mailto:presse@tmf-ev.de
Weiterführende Informationen