EU-Gesundheitsdatenraum: effizientere Behandlungen und lebensrettende Forschung
© Shchipkova Elena/Shutterstock.com
Das Europäische Parlament hat am 24. April 2024 die Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums beschlossen, was den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu ihren persönlichen Gesundheitsdaten verbessern und den sicheren Austausch von Daten im öffentlichen Interesse fördern soll.
Am Mittwoch stimmten die Abgeordneten mit 445 Ja- und 142 Nein-Stimmen (39 Enthaltungen) für die interinstitutionelle Vereinbarung zur Einrichtung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums. Die Vereinbarung wird es Patientinnen und Patienten ermöglichen, auf ihre Gesundheitsdaten in elektronischer Form zuzugreifen, auch aus einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie leben, und den Angehörigen der Gesundheitsberufe erlauben, die Akten ihrer Patienten mit deren Zustimmung (sog. Primärnutzung) auch aus anderen EU-Ländern einzusehen. Diese elektronischen Gesundheitsakten (EHR) würden Patientenzusammenfassungen, elektronische Verschreibungen, medizinische Bilder und Laborergebnisse enthalten.
Das Gesetz ermöglicht die sichere Übermittlung von Gesundheitsdaten an Angehörige der Gesundheitsberufe in anderen EU-Ländern (auf der Grundlage der MyHealth@EU-Infrastruktur), z. B. wenn Bürger in einen anderen Staat umziehen. Es wird möglich sein, die Gesundheitsdaten kostenlos herunterzuladen.
Gemeinsame Nutzung von Daten für das Gemeinwohl mit Schutzmaßnahmen
Darüber hinaus würde der Gesundheitsdatenraum das Forschungspotenzial von Gesundheitsdaten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form freisetzen. Daten wie Gesundheitsakten, klinische Versuche, Krankheitserreger, Gesundheitsansprüche und Kostenerstattungen, genetische Daten, Informationen aus öffentlichen Gesundheitsregistern, Wellness-Daten und Informationen über Ressourcen, Ausgaben und Finanzierung des Gesundheitswesens könnten für Zwecke des öffentlichen Interesses, einschließlich Forschung, Statistik und Politikgestaltung (so genannte Sekundärnutzung), verarbeitet werden. Die Daten könnten beispielsweise dazu verwendet werden, Behandlungen für seltene Krankheiten zu finden, bei denen kleine Datensätze und Fragmentierung derzeit Fortschritte bei der Behandlung verhindern.
Damit die Sekundärnutzung von Daten im Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) zukünftig möglich wird, sollen im Rahmen des Projektes TEHDAS2 Leitlinien und technische Spezifikationen für Datenhalter, Datennutzer und Gesundheitsdaten-Zugangsstellen erstellt werden. TEHDAS2 ist eine Joint Action des EU4Health-Programms im Rahmen einer direkten Zuwendung an die Mitgliedsstaaten für vorbereitende Aktivitäten zur Sekundärnutzung von Daten im Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Das Bundesministerium für Gesundheit hat als für Deutschland zuständige Behörde die TMF ebenso wie das Forschungsdatenzentrum des BfArM und die Gematik für das Vorhaben mit ins Boot geholt.
Die sekundäre Nutzung wird nicht für kommerzielle Zwecke wie Werbung, die Bewertung von Versicherungsanträgen oder Kreditbedingungen oder für Entscheidungen auf dem Arbeitsmarkt erlaubt sein. Die Entscheidungen über den Zugang zu den Daten werden von den nationalen Datenzugangsstellen getroffen.
Robuste Datenschutzgarantien
Das Gesetz stellt sicher, dass die Menschen ein Mitspracherecht haben, wenn es um die Verwendung ihrer Daten und den Zugang zu ihnen geht. Die Patienten werden die Möglichkeit haben, den Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten durch Angehörige der Heilberufe zu verweigern (es sei denn, dies ist zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person erforderlich) oder die Verarbeitung zu Forschungszwecken abzulehnen, abgesehen von bestimmten im öffentlichen Interesse liegenden, politischen oder statistischen Zwecken. Die Patienten müssen auch jedes Mal informiert werden, wenn auf ihre Daten zugegriffen wird, und haben das Recht, die Berichtigung unrichtiger Daten zu verlangen.
Tomislav Sokol (EVP, Kroatien), Mitberichterstatter des Umweltausschusses, sagte: "Der Gesundheitsdatenraum kann uns dabei helfen, die uns zur Verfügung stehenden Daten auf sichere Art und Weise zu nutzen, was der Forschung im Bereich neuer Behandlungsmethoden einen wichtigen Impuls geben wird. Er wird Behandlungslücken verhindern, indem er dafür sorgt, dass Angehörige der Gesundheitsberufe grenzüberschreitend auf die Daten ihrer Patienten zugreifen können. Gleichzeitig wird durch die Opt-out-Möglichkeit sichergestellt, dass die Patienten ein Mitspracherecht haben und dass das System vertrauenswürdig ist. Das wird ein großer Schritt nach vorn für die digitale Gesundheitsversorgung in der EU sein."
Annalisa Tardino (ID, Italien), Mitberichterstatterin des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, sagte: "Der Gesundheitsdatenraum wird den Zugang aller zur Gesundheitsversorgung verbessern. Künftig können Ärzte befugt werden, auf die Krankenakten und Laborergebnisse ihrer Patienten in anderen Regionen oder sogar in anderen EU-Mitgliedstaaten zuzugreifen, was Geld und Ressourcen spart und bessere Heilungsmöglichkeiten bietet. Wir haben auch Opt-outs durchgesetzt, um sicherzustellen, dass die Patienten ein Mitspracherecht haben, wie ihre Daten verwendet werden. Obwohl wir uns noch stärkere Maßnahmen gewünscht hätten, konnten wir eine Position finden, die von einer Mehrheit akzeptiert werden kann.
Nächste Schritte
Das vorläufige Abkommen muss noch vom Rat förmlich genehmigt werden. Nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt es zwanzig Tage später in Kraft. Es wird zwei Jahre später angewandt, mit einigen Ausnahmen, einschließlich der primären und sekundären Verwendung von Datenkategorien, die je nach Kategorie vier bis sechs Jahre später gelten.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes reagiert das Parlament auf die Forderungen der Bürger, die in den Schlussfolgerungen der Konferenz über die Zukunft Europas formuliert wurden. Dazu gehören der Vorschlag 8(1), in dem ausdrücklich die Schaffung eines Gesundheitsdatenraums zur Erleichterung des Austauschs empfohlen wird, sowie die Vorschläge 35(7) und 35(8) zu Daten und künstlicher Intelligenz.
Weitere Informationen: Pressemitteilung auf der Website des Europäischen Parlaments