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„Erst Marke, dann Geld“

Fundraising: klare­ Analyse und langfristige Organisations­entscheidung nötig

Geldscheine Wäscheleine

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Aktives Engagement der Leitungsebene, ein hoher Bekanntheitsgrad sowie die Bereitschaft, zunächst zu investieren und sich langfristig zu engagieren: Dies sind wesentliche Voraussetzungen für ein erfolgreiches Fundraising. Darüber hinaus ist eine klare Analyse der Ziele und der Zielgruppen unerlässlich. Über diese Kernanforderungen waren sich alle Referenten des TMF-Workshops zum Fundraising für medizinische Forschungsverbünde einig, der am 10. Juni 2013 unter der Leitung von Liane Clevert (Centrum für Schlaganfallforschung Berlin) und Wiebke Lesch (Kompetenznetz Angeborene Herzfehler) in Berlin stattfand.

Fundraising ist im Gesundheitswesen in Deutschland noch weitgehend Neuland. Es gibt erst wenige erfolgreiche Beispiele. Ziel des Workshops war es, Vertreter von medizinischen Forschungsverbünden und -einrichtungen in die Grundlagen des Fundraisings einzuführen, geeignete Rechtsformen darzustellen und die Möglichkeiten der Kooperation mit privatwirtschaftlichen Unternehmen auszuloten.

Zielgruppe, Zielgruppe, Zielgruppe

Wichtigste Prämisse für den Erfolg des Fundraisings sei die aktive Mitarbeit des Vorstands oder Präsidiums sowie eine klare Analyse der Organisation. Darauf wies Dr. Eckard Schenke, Leiter der Förderstiftung MHH plus, hin, der in die Grundlagen des Fundraisings einführte. Eine Stakeholder-Analyse müsse zeigen, welche Personen oder Gruppen mit einer Spendenbitte angesprochen werden können. Die Grundfrage laute: Welche Personen spreche ich wie auf welche Frage an? Kurz: „Zielgruppe, Zielgruppe, Zielgruppe“. Aber auch die „institutional readyness“, also die Bereitschaft einer Organisation, das Thema langfristig zu verfolgen, sei eine wichtige Grundvoraussetzung.

Die Förderstiftung MHH plus, die 2011 gegründet worden ist, hat zunächst an der Basis begonnen und spricht mit Mailings entlassene stationäre Patienten an. Inzwischen wird auch das Erbschaftsmarketing vorangetrieben. Instrument hierfür ist unter anderem der MHH-Vorsorgetag, eine Veranstaltung, bei der MHH-Experten über Themen wie Patientenverfügung, Erbrecht und die Möglichkeit informieren, mit einem Testament zu helfen. Das Vorgehen der MHH sei in Deutschland zurzeit noch eher ungewöhnlich, in den angelsächsischen Ländern jedoch schon seit langem üblich, so Schenke. Ein nächstes Ziel der Stiftung sei die Durchführung einer Großspenderkampagne zur Co-Finanzierung eines Klinik-Neubaus.

Von CSR zu CR: Wandel gestalten

„Es geht nicht darum, nur kurzfristig Unternehmen Geld aus der Tasche zu ziehen.“ So formulierte Mathias Kröselberg (Agentur Pro bono) den Anspruch, langfristige Kooperationen zwischen gemeinnützigen Organisationen und privaten Unternehmen einzugehen. Während für Kooperationen bisher meist eine Zielgruppen- und Branchenkongruenz als Voraussetzung gesehen wurde, ginge es heute zunehmend darum, gemeinsame Werte zu schaffen. Die Entwicklung gehe von der Corporate Social Responsibility (CSR) zur Corporate Responsibility (CR): Gesellschaftliches Engagement werde zunehmend als integraler Bestandteil der unternehmerischen Handlungs­felder gesehen.

Im Bereich der Unternehmenskooperationen überwiege derzeit das Sponsoring, so Kröselberg. Wichtig sei es, auf der Basis der eigenen Strategie klare Leitlinien für die Kooperation zu erarbeiten. Er wies darüber hinaus – und in Übereinstimmung mit allen anderen Referenten des Workshops – eindringlich darauf hin, dass Fundraising sehr aufwändig ist und sehr viel, sehr kleinteilige Arbeit bedeutet: „Fundraising ist Ackerbau und Viehzucht!“

Fundraising ist Beziehungsmanagement 

Schirmherren, Freundeskreise, wissenschaftliche Beiräte: Hochkarätig besetzt können solche Netzwerke den Abstand zu potentiellen Unterstützern in der Gesellschaft verringern, wie Saskia de Vries am Beispiel der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) zeigen konnte. Allerdings müssten diese Kreise auch kontinuierlich gepflegt werden.

Kontinuität sei auch den Spendern gegenüber unerlässlich. Man müsse beispielsweise eine verlässliche Dankeskultur etablieren, die sicherstellt, dass jeder Spender direkt eine Rückmeldung erhält. Für erfolgreiches Fundraising müsse man in Kontakten, Menschen und Hintergründen denken.

Thema platzieren und Spenden für Projekte einwerben 

Benefiz-Veranstaltungen sind ein gutes Instrument, um ein Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren und um Spenden für Projekte einzuwerben, so Dr. Gaby Allrath, Leiterin Marketing der Deutschen Diabetes-Hilfe. Seit 2011 findet jährlich die Diabetes-Charity-Gala statt, bei der unter anderem der Thomas-Fuchsberger-Preis vergeben wird.

Für die praktische Umsetzung sei es wichtig zu beachten, dass eine solche Veranstaltung in den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb falle. Die Veranstaltung könne deshalb nicht aus Spenden finanziert werden, sondern man benötige hierfür wiederum eigenes Sponsoring. Außerdem kämen Spenden auch im Rahmen einer solchen Veranstaltung nicht von selbst. Großspenden sollte man bereits im Vorfeld akquirieren und für die Gäste verschiedene Spendenoptionen schaffen.

Finanzierungs-Mix bringt Stabilität

Die Deutsche Leberstiftung, die ihre Aufgaben aus dem Kompetenznetz Hepatitis übernommen hat, finanziert ihre Arbeit seit 2011 selbst, wie Geschäftsführerin Bianka Wiebner berichten konnte. Dabei setzt die Stiftung auf einen Mix aus verschiedenen Geldquellen, was zur Stabilität der Verbundarbeit beiträgt: von Mitteln für wissenschaftliche Projekte über Spenden und Sponsorengelder für das HepNet-Symposium bis zu Beiträgen der assoziierten Personen und Unternehmens-Partner der Deutschen Leberstiftung.

Dabei machen die Beiträge der Partner und Assoziierten bisher den größten Anteil der Einnahmen aus. „Bei den Spenden ist noch Luft nach oben“, so Wiebner. Um die Interessensgruppen auf die Möglichkeit zu spenden hinzuweisen, sei zum Beispiel „Das Leber-Buch“, das sich an Patienten und allgemein Interessierte wendet, mit einem Aufkleber versehen worden: „1 € pro Exemplar geht als Spende an die Deutsche Leberstiftung“.

Aktuelle Rechtsänderungen zugunsten von Stiftungen

Rechtsanwalt Dr. Christoph Mecking (Berlin) betonte das im Fundraising zumeist geltende Prinzip Schenkung, das Geben ohne Gegenleistung meint. Dieses sei vom Gesetzgeber steuerlich vergünstigt. Um in diesem Sinne Fundraising betreiben zu können, ist eine Rechtsform notwendig; der Gesetzgeber lässt hierfür verschiedene Personengesellschaften und Körperschaften zu, beispielsweise den Verein, die GmbH, die Aktiengesellschaft oder die Stiftung. Dabei seien, so Mecking, insbesondere Stiftungen als geeignetes Instrument zu bewerten, zumal auch aktuelle Gesetzesänderungen diese weiter begünstigten: So sei zum 1. März 2013 die Frist für die zeitnahe Mittelverwendung auf zwei Jahre erhöht worden. Auch die so genannte Geprägeklausel, die den ideellen Bereich und den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zueinander ins Verhältnis setzte und eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit herbeiführen konnte, sei aufgegeben worden.

Die Zahl der Stiftungen habe seit 1990 kontinuierlich zugenommen, sei allerdings seit 2008 etwas rückläufig, erläuterte Mecking. Dies liege insbesondere daran, dass zunehmend unselbständige Stiftungen gegründet würden, die zunächst z.B. unter einer Dachstiftung geführt und teilweise mit dem Tod des Stifters erst rechtlich selbständig würden. Das Instrument der Stiftung sei insgesamt in den vergangenen Jahren flexibler geworden, so könnten beispielsweise auch „Verbrauchsstiftungen“ als Stiftungen auf Zeit gegründet werden, die nach einem bestimmten festzulegenden Verfahren die Mittel für die Erfüllung des Stiftungszwecks aufbrauchen.

Wenn, dann richtig 

„Wenn man Fundraising machen will, dann richtig“, so formulierte eine Teilnehmerin ihr Fazit aus dem Workshop. „Langfristig denken, frühzeitig anfangen“, sagte ein anderer Teilnehmer. Die meisten der vertretenen medizinischen Forschungsverbünde aus dem Umfeld der TMF haben bisher lediglich erste Berührungspunkte mit dem Thema oder allenfalls erste Recherche- und Analyseschritte unternommen. Es sei deutlich geworden, dass dies keine „nebenher“ zu bewältigende Aufgabe sei, sondern dass sich eine Person ganz um dieses Thema kümmern sollte. Die Leitungsebene muss mitziehen, und man muss der Entwicklung mindestens drei, eher fünf Jahre Zeit geben. Einigkeit bestand aber darüber, dass auch in Deutschland das Thema Fundraising im Gesundheitswesen in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird.  

Impressionen

Schenke TMF Workshop Fundraising 2013

Dr. Eckard Schenke (Förderstiftung MHHplus) © TMF e.V.

Kroeselberg TMF Workshop Fundraising 2013

Mathias Kröselberg (Agentur Pro bono) © TMF e.V.

Wiebner TMF Workshop Fundraising 2013

Bianka Wiebner (Deutsche Leberstiftung) © TMF e.V.

De Vries TMF Workshop Fundraising 2013

Saskia de Vries (ACHSE e. V.) © TMF e.V.

Allrath TMF Workshop Fundraising 2013

Dr. Gaby Allrath (Deutsche Diabetes-Hilfe) © TMF e.V.

Mecking TMF Workshop Fundraising 2013

Dr. Christoph Mecking (Rechtsanwalt) © TMF e.V.