Symposium der Medizininformatik-Initiative: Dateninfrastruktur steht bereit
V.l.n.r.: Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied des Nationalen Steuerungsgremiums der MII und Mitglied der Nationalen Task Force des NUM, und Sebastian C. Semler, Geschäftsführer des TMF e.V., Leiter der MII-Koordinationsstelle, auf dem MII-Symposium 2023. © TMF e.V.
Unter dem Motto „Gesundheitsdaten nutzen, Forschung stärken, Therapien verbessern“ kamen beim Symposium der Medizininformatik-Initiative (MII) am 13. Dezember 2023 in Berlin rund 300 Teilnehmende zusammen. In diesem Jahr ist die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte MII in die Ausbau- und Erweiterungsphase gestartet. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizininformatik, Patientenversorgung und Forschung der deutschen Hochschulmedizin und weiterer MII Partner haben die aktuellen Ergebnisse der Initiative, die Forschungsdateninfrastrukturen und neuen Anwendungsfälle präsentiert.
Das Grußwort hielt Andreas Klein, Leiter des Referats eHealth, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). © TMF e.V.
Im Grußwort des BMBF wurde deutlich, dass die MII erfolgreich gezeigt habe, wie Datenanalysen helfen können, Therapien zu verbessern und Krankheiten vorzubeugen. Der Mehrwert der Datennutzung für die medizinische Forschung werde insbesondere bei standortübergreifender Zusammenarbeit sichtbar. Von den MII-Strukturen und -Prozessen profitierten Forschende aller Universitätskliniken und darüber hinaus. So könnte das Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG) der MII als Blaupause für die Arbeit der im Gesundheitsdatennutzungsgesetz vorgesehenen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten dienen.
Bundesweit wurden im Rahmen der MII an den Universitätskliniken Datenintegrationszentren (DIZ) eingerichtet. Ein DIZ sammelt Forschungs- und Versorgungsdaten der Klinik, bereitet sie datenschutzgerecht auf und stellt sie der Wissenschaft standortübergreifend zur Verfügung. Der MII Kerndatensatz beschreibt, welche Patientendaten die DIZ mindestens vorhalten sollen. Die DIZ wurden Anfang 2023 in das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) integriert und sollen nachhaltig finanziert werden. Sie werden weiterhin über die MII harmonisiert fortentwickelt. Die in diesem Jahr aufgenommene Kooperation zwischen MII und NUM soll weiter vorangetrieben werden.
In seiner Keynote sagte Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied des Nationalen Steuerungsgremiums der MII und Mitglied der Nationalen Task Force des NUM: „Die MII hat im Feld der klinischen Routinedaten die bundesweite Vernetzung und Zusammenarbeit der Hochschulmedizin in den letzten Jahren entschieden vorangetrieben. Durch die von der MII geschaffene Infrastruktur können Daten aus der Patientenversorgung der Universitätskliniken standortübergreifend geteilt und für die medizinische Forschung genutzt werden, unter Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherheit. Das macht die Initiative zu einem Vorreiter bei der Digitalisierung in der Gesundheitsforschung und wird die Patientenversorgung weiter verbessern. Die Einbindung ins NUM, das neben den klinischen Routinedaten weitere klinische Forschungsdaten erschließt, bietet der Dateninfrastruktur der MII eine langfristige Perspektive.“
Erste Datennutzungsprojekte im FDPG durchgeführt
Dr. Philip Kleinert, wissenschaftlicher Mitarbeiter der TMF, sprach zum Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG). © TMF e.V.
Essentiell für die MII-Infrastruktur ist das FDPG, das die Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung ermöglicht. Es bietet Forschenden seit Mai 2023 die Möglichkeit, die verfügbaren Datenbestände aus der Versorgungsdokumentation aller deutschen Universitätskliniken über einen zentralen Zugang abzufragen und zu beantragen. Im FDPG sind bereits Daten von mehr als zehn Millionen Patientinnen und Patienten abfragbar. 25 Standorte der MII sind mit ihren DIZ an das Portal des FDPG für Machbarkeitsanfragen angeschlossen. Das Portal wird bereits von knapp 400 Forschenden genutzt, wobei die Nutzerzahl stetig steigt. In Vorbereitung auf einen möglichen European Health Data Space wäre Deutschland somit bereits mit funktionierenden Strukturen für Datenzugangsstellen gerüstet.
Wie die Datenbeantragung funktioniert, demonstrierte Prof. Dr. Andreas Chiocchetti vom Universitätsklinikum Frankfurt am Beispiel des NUM-Projektes coverCHILD, das vom BMBF gefördert wird. Ziel von coverCHILD ist es, eine Forschungsplattform für die Datenanalyse zu entwickeln, die sich am Beispiel von COVID-19 den Auswirkungen von Infektionskrankheiten und deren Folgen auf die psychische und somatische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen widmet.
Prof. Chiocchetti sagte:
Ohne die MII und das FDPG wären die Kerndatensätze nur sehr schwer über die vielen Standorte hinweg erschließbar. Wir von coverCHILD können nun auf etablierte Standards und Prozesse zurückgreifen, um die diagnostischen Muster von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie und in Zukunft flächendeckend zu verstehen.
Anhand von Datennutzungsprojekten im Rahmen der MII und des NUM werden derzeit die Antragstellung und Durchführung von Projekten im FDPG ausgewertet, um die Prozesse weiter zu verbessern.
Vernetzung mit weiteren Datenquellen
Ein Schwerpunkt der aktuellen Förderphase der MII liegt darin, neue Partner aus dem ambulanten Bereich einzubeziehen und neue Datenquellen zu erschließen. Die im Rahmen der MII geförderten Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit verfolgen das Ziel, ambulante und regionale Partner an die MII-Infrastruktur anzubinden, wie Prof. Dr. Dagmar Krefting, Universitätsmedizin Göttingen, erläuterte. In einem Panelgespräch wurde anschließend diskutiert, wie die Daten der Universitätsmedizin zukünftig mit Krankenkassen- und Registerdaten verknüpft werden können. „Gute Forschung erfordert einen möglichst umfassenden Blick auf die betroffenen Patientinnen und Patienten. Dazu werden MII und NUM die klinischen Daten aus den DIZ mit weiteren Daten kombinieren, wie beispielsweise den versorgungsnahen Daten der Krankenkassen, Studiendaten oder Informationen aus Registern", so die Paneldiskutanten Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Dr. Jochen Schmitt und Prof. Dr. Martin Sedlmayr, beide von der Technischen Universität Dresden und vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. In der vor kurzem gegründeten gemeinsamen Arbeitsgruppe „Externe Daten“ von MII und NUM wird dieses Thema intensiv behandelt.
Darüber hinaus wurden neue klinische und methodische Anwendungsfälle der MII vorgestellt. Sie umfassen ein breites Spektrum, von der personalisierten Krebsmedizin über Risikomodelle für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zur vereinfachten Nutzung von klinischen KI-Anwendungen. Präsentiert wurde auch, welche Services die DIZ ihren eigenen klinischen Standorten bieten und welche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen die MII insbesondere Klinikerinnen und Klinikern anbietet, um Daten nutzen zu können.
Panelgespräch zur Verknüpfung mit externen Daten: (v.l.n.r.) Dr. Frank Wissing, MFT/MII-Koordinationsstelle, Prof. Dr. Martin Sedlmayr, Prof. Dr. Jochen Schmitt, beide von der Technischen Universität Dresden/vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Universitätsmedizin Greifswald. © TMF e.V.
Prof. Dr. Dagmar Krefting, Universitätsmedizin Göttingen, stellte die Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit vor. © TMF e.V.
Veranstaltungsvideo
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Hintergrund
Ziel der MII ist es, Routinedaten aus der Patientenversorgung bundesweit digital zu vernetzen und für die medizinische Forschung verfügbar zu machen, um Krankheiten zukünftig schneller und effektiver behandeln zu können. Daran arbeiten alle Einrichtungen der Universitätsmedizin Deutschlands gemeinsam mit nichtuniversitären Kliniken, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretungen in den vier Konsortien DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die MII bis einschließlich 2026 mit insgesamt über 480 Millionen Euro. Datenschutz und Datensicherheit haben hierbei höchste Priorität.
Die MII baut seit 2018 Dateninfrastrukturen an den Universitätskliniken auf. Anhand vielfältiger Anwendungsfälle – von der Intensiv- bis zur Krebsmedizin – demonstrierten die MII-Partner bereits den Mehrwert ihrer IT-Lösungen in der Praxis. Im Fokus der Ausbau- und Erweiterungsphase (2023-2026) steht eine erweiterte Zusammenarbeit zwischen den Universitätskliniken und deren Kooperation mit neuen Partnern, insbesondere auch aus der regionalen Versorgung.
Ein wichtiger Baustein dieser Infrastruktur ist das Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG). Es soll nicht nur MII-Partnern, sondern allen Forschenden als zentrale Anlaufstelle dienen, wenn sie Daten und Bioproben der Universitätsmedizin nutzen wollen. Zugleich richtet sich das FDPG an Bürgerinnen und Bürger. Es macht transparent, welche Projekte mit Patientendaten forschen und welche Ergebnisse dabei herausgekommen sind.
Ergänzend fördert das BMBF im Rahmen der MII sechs Digitale FortschrittsHubs Gesundheit (2021-2025). Ihre Aufgabe ist es, (zunächst in Pilotprojekten) die Pionierarbeit der Unikliniken in weitere Bereiche des Gesundheitssystems einzubringen: von der ambulanten Versorgung in Praxen bis zur Rehabilitation und Nachsorge. Zur Stärkung von Forschung und Lehre im Bereich der digitalen Gesundheit unterstützt das BMBF zudem neu eingerichtete Professuren mit insgesamt 21 Nachwuchsgruppen (2020-2026).
Für die nationale Abstimmung der Entwicklungen innerhalb der MII ist eine Koordinationsstelle zuständig, die die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF) gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD) in Berlin betreibt.