Biobanken verknüpfen alle Bereiche der translationalen Forschung – Standardisierung ist unerlässlich
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Biobanken-Netzwerke überspannen die gesamte Wertschöpfungskette und verknüpfen alle Disziplinen in der biomedizinischen Forschung. Sie sind der Kleister, der die Community zusammenhält, und eine der wichtigsten Brücken in der modernen translationalen Forschung. Sie seien deshalb ein guter Ort, um mit der Standardisierung und Harmonisierung von Forschungsinfrastrukturen zu beginnen, erklärte Dr. Martin Yuille, Direktor des Centre for Integrated Genomic Medical Research (CIGMR), beim 2. Nationalen Biobanken-Symposium, das am 12. und 13. Dezember 2013 in Berlin stattfand. Das Programm spiegelte diese vielfältigen Verknüpfungen wider und reichte von Biobanking in klinischen Studien über IT und Interoperabilität bis zu den Perspektiven der Qualitätssicherung und aktuellen ethischen Fragen der Biobanken-Forschung. Mit 190 Teilnehmern und einer noch größeren Anzahl von Interessenten hat sich das Symposium als die spezifische nationale Fachveranstaltung zum Thema Biobanken etabliert.
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Die Entwicklung der translationalen Medizin erfordert eine immer engere Zusammenarbeit zwischen allen Stufen des Forschungsprozesses – von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Forschung. Auch die Medikamentenentwicklung in der pharmazeutischen Industrie ist heute nicht mehr ein linearer Prozess von der wissenschaftlichen Entdeckung bis zum zugelassenen Produkt, stattdessen finden ständig zahlreiche Rückkopplungen sowie eine fortlaufende Überprüfung des neuen Medikaments in der Anwendung statt. Diese Veränderungen machten ein gutes Management der Netzwerke ebenso notwendig wie eine standardisierte Arbeitsweise, so Yuille. Bisher gebe es allerdings nicht viel Erfahrung: „Wir experimentieren mit Forschungsinfrastrukturen“.
Interessen und Anforderungen aus Versorgung und Forschung balancieren
Biobanken spielen in klinischen Studien eine immer größere Rolle. Dies bringt nicht zuletzt für Pathologen eine Reihe neuer Herausforderungen mit sich, da sie immer häufiger darüber entscheiden müssen, Proben für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Dabei steht der Pathologe oftmals vor der Frage, ob er das Material nicht besser für die Nachsorge des Patienten behalten sollte, wie Prof. Dr. Christoph Röcken (Christian-Albrechts-Universität Kiel) berichtete. Er plädierte für eine klare Differenzierung zwischen Pathologiearchieven der Krankenversorgung, spezifischen Studien-bezogenen Biobanken und Forschungsbiobanken, um den verschiedenen Interessen und Anforderungen von Gewebesammlungen in Patientenversorgung und Forschung besser gerecht werden zu können. Im Rahmen des Symposiums stellten außerdem verschiedene Forschungseinrichtungen ihre Biobanken-Plattformen vor.
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Harmonisierung ist die wichtigste Aufgabe
Um große Mengen von Daten nicht nur in Metastudien, sondern möglichst auf den in verschiedenen Projekten gesammelten Rohdaten auswerten zu können, müssen neben ethischen und rechtlichen insbesondere auch technische Hürden überwunden werden. Ein Lösungsansatz, den Prof. Dr. Paul Burton (University of Bristol) vorstellte, folgt dem Grundsatz, die Analyse zu den Daten statt die Daten zur Analyse zu bringen. Im Projekt DataSHIELD wird dieser Ansatz erprobt. Es konnte gezeigt werden, dass eine auf den gepoolten individuellen Daten basierende Metaanalyse exakt die gleichen Ergebnisse bringen kann wie eine traditionelle Metaanalyse auf der Ebene von Studien.
Die wichtigste Aufgabe dabei sei jedoch, wie Burton betonte, die Harmonisierung der Daten. Gerade in den großen Biobanken-Netzwerken, die in letzter Zeit in Deutschland wie international entstehen, spielt diese Harmonisierung der Daten eine wichtige Rolle. Biobanken-Projekte verschiedener Universitäten stellten daher im Symposium ihre Ansätze vor.
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"Nachhaltigkeit und Biobanking" im Vortrag von Dipl.-Kfm. Alexander Maier © TMF e.V.
Klären, wer die Kosten trägt
Noch nicht abschließend geklärt ist für viele der großen Biobanken das langfristige Geschäfts- und Finanzierungsmodell. So stellte beispielsweise Dr. Tilman Rau (Universitätsklinikum Erlangen) die Frage, ob Forscher, die Proben für ihre Analysen nutzen, an den Kosten einer Biobank beteiligt werden sollten. Sinnvoll erscheine dies primär nur für projektspezifische Kosten, möglicherweise könnte auch ein Teil der Betriebskosten durch die Forschungsprojekte getragen werden. Die Basiskosten jedoch müssten im Sinne einer Grundfinanzierung von Forschungsinfrastrukturen auf andere Weise aufgebracht werden. Dies betonte auch Alexander Maier (Universitätsklinikum Heidelberg), der forderte, dass Biobanken so ausgestattet werden müssten, dass sie langfristige Konzepte zur Probeneinlagerung verfolgen und Proben projektunabhängig zur Verfügung stellen können.
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Qualitätszustand von Proben evidenzbasiert kontrollieren
Die Prozesse in Biobanken zur Verarbeitung, Lagerung und Weitergabe von Proben finden heute in hohem Maße qualitätsgesichert statt. So haben einige Biobanken die Qualität ihrer Abläufe bereits zertifizieren lassen, beispielsweise nach DIN EN ISO 9001. Zunehmend richtet sich das Augenmerk nun jedoch auf die Phase der Präanalytik, also die Zeit zwischen Entnahme der Proben und ihrem Eintreffen im Labor der Biobank. Für die Zukunft wird es unerlässlich sein, dass man aber Biomarker findet, mit denen man evidenzbasiert den Qualitätszustand verlässlich kontrollieren kann.
Hierzu präsentierten Biobanken-Forscher im Symposium wissenschaftliche Ergebnisse zur Stabilität von solchen Biomarkern bei verschiedenen Lager- und Transportzeiten und unterschiedlichen Temperaturen. Prof. Dr. Hartmut Juhl (Individumed GmbH) berichtete von einer Abnahme der Genexpression in Gewebeproben von bis zu 75 Prozent innerhalb von 30 Minuten nach Entnahme. Seine Firma ziehe daraus die Konsequenz, die Probenentnahme in den Partnerkliniken mit einem eigenen Team vor Ort zu begleiten und die Proben auf diese Weise von Anfang an nach den eigenen hohen Qualitätsstandards zu behandeln. Ein Problem sei, dass Universitätskliniken einen solchen hohen zusätzlichen personellen und strukturellen Aufwand im eigentlichen Behandlungskontext in der Regel nicht leisten könnten.
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Transparenz und Vertrauen werden Erfolgsfaktoren sein
Transparenz und Vertrauen hält Prof. Dr. Peter Dabrock (Universität Erlangen-Nürnberg) für wesentliche Erfolgsfaktoren der künftigen Biobanken-Forschung. Seiner Auffassung nach „gewinnen Biobanken Vertrauen und Interesse, wenn sie Probanden als Ko-Manager ihrer Daten begreifen und behandeln“. Probanden müssten die Möglichkeit haben, die Verwendung ihrer Daten zu einem gewissen Grad kontrollieren zu können, betonte Dabrock, der auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist.
Der Mustertext ist auf der Seite des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen abrufbar. © TMF e.V.
Diskutiert wurde auch, inwieweit die Autonomie von Patienten oder Probanden gewahrt bleibt, wenn sie in die Verwendung ihrer Proben für die Forschung ohne Einschränkung zustimmen. Wesentliches Thema war darüber hinaus die Weiterentwicklung des informed zum broad consent. Erste bestehende Konzepte für einen broad consent sind auch in einen Mustertext für die Patienten- bzw. Probandeninformation und eine entsprechende Einwilligungserklärung eingeflossen, die im Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen erarbeitet wurde. Diese Unterlagen sollen das Forschen mit Proben aus Biobanken in ganz Deutschland erleichtern.
Automatisierung unterstützt Qualitätsanforderungen
Eine Automatisierung der Prozesse ist bei der Lagerung und Entnahme von Proben in den immer größeren und langfristiger angelegten Biobanken heute unerlässlich. Dies hat nicht nur organisatorische Gründe, etwa die schnellere Auffindbarkeit einzelner Proben im computergesteuerten Lager, sondern begründet sich insbesondere auch mit den zunehmend höheren Anforderungen an die Probenqualität.
Die technologische Entwicklung ermöglicht darüber hinaus auch neue Anwendungen für die Probenanalyse oder für die virtuelle Mikroskopie, die sowohl die technische wie die medizinische und wissenschaftliche Qualitätskontrolle unterstützen können. Derzeit schickt sich die vollständige Digitalisierung von mikroskopischen Präparaten an, die konventionelle Mikroskopie aus der Pathologie zu verdrängen. Die virtuellen Schnitte können ortsunabhängig im Web von verschiedenen Experten befundet werden, so beispielsweise zu präziseren Diagnosen führen und für die Dokumentation platzsparend gespeichert werden.
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Martin Zünkeler und Prof. Dr. Hufnagl erklärten welche Faktoren zur Wertsteigerung einer Probe beitragen. © TMF e.V.
Fortschritt braucht enge Zusammenarbeit zwischen Akademia und Industrie
Für ein „Next Generation Biobanking“ plädierten Martin Zünkeler (Kairos GmbH) und Prof. Dr. Peter Hufnagl (Charité – Universitätsmedizin Berlin). Es gelte, neben strukturierten Daten auch weitere Wissensquellen beispielsweise aus der virtuellen Mikroskopie in die Biobanken zu integrieren. Wie in vielen zentralen Bereichen der Medizin arbeiten Wissenschaft und Industrie im Biobanking sehr eng zusammen. Der Fortschritt hängt für beide Seiten vom Wissensaustausch und der Kooperation in gemeinsamen Projekten ab. Das Nationale Biobanken-Symposium erweist sich als geeignete Plattform für den notwendigen Austausch und wird diese Rolle künftig weiter ausbauen.
Eine Plattform für die Biobanken-Forscher in Deutschland
Das hohe Interesse und die Rückmeldungen von Teilnehmern und Referenten zeigten deutlich, dass sich das Nationale Biobanken-Symposium als die spezifische nationale Fachveranstaltung zum Thema Biobanken etabliert hat.
Das Symposium wird künftig auch als Forum für die Einbindung der Fachcommunity in den Nationalen Biobanken-Knoten (German Biobank Node, GBN) dienen. GBN hat auf nationaler Ebene nach innen eine Funktion als zentrale Kontakt- und Austauscheinrichtung. Die „Nationale Biobanken-Versammlung“ im Rahmen des Symposiums hat gemeinsam mit der TMF-Arbeitsgruppe Biomaterialbanken die Aufgabe, den Nationalen Koordinator, Prof. Dr. Michael Hummel (Charité – Universitätsmedizin Berlin), zu beraten. Zugleich fungiert GBN als Nationaler Knoten für das europäische Infrastruktur-Projekt BBMRI. Projektleiter Hummel stellte das BMBF-geförderte Verbundprojekt vor und kündigte an, dass er künftig im Rahmen des Nationalen Biobanken-Symposiums regelmäßig über die GBN-Aktivitäten berichten wird.
Auch das Deutsche Biobanken-Register nutzte das Symposium für seine jährliche Mitgliederversammlung. Derzeit sind 111 Biobanken im Register eingetragen, teilweise bereits auch bereits mit differenzierten Daten. Insbesondere wies Dr. Roman Siddiqui, der das Register in der TMF-Geschäftsstelle betreut, noch einmal auf das User Portal hin, das zwischen den Veranstaltungen als ständiges Austauschforum für die Biobanken-Forschung zur Verfügung steht. Themen von Qualitätsmanagement über Recht und Ethik bis hin zu IT-Fragen oder zur Wissenschaftskommunikation können hier diskutiert werden.
Impressionen
Das Programmkomitee des 2. Nationalen Biobanken-Symposiums (v.l.n.r.): Prof. Dr. Michael Krawczak (PopGen 2.0 Biobank-Netzwerk, Universität Kiel), Sebastian C. Semler (TMF e.V. / Deutsches Biobanken-
Register), PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik, Universitätsklinikum Jena), Prof. Dr. Thomas Illig (Hannover Unified Biobank, Medizinische Hochschule Hannover), Prof. Dr. Peter Schirmacher (Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Heidelberg), Prof. Dr. Roland Jahns (IBDW, Universitätsklinikum Würzburg), Prof. Dr. Michael Hummel (Institut für Pathologie, Charité Berlin). © TMF e.V.
Mit 190 Teilnehmern war das Sympsoium bis auf den letzten Platz ausgebucht. © TMF e.V.
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