Interview

"Eine schnelle Recherche passender Proben von Human­gewebe in Deutschland und der Schweiz"

Interview mit Dr. Christina Schröder vom Fraunhofer-Institut für Bio­medizinische Technik IBMT in Potsdam-Golm über die simultane Bio­proben­suche Deutschland-Schweiz

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„Die Kopplung von CRIP und der biobank suisse ermöglicht Forschern eine schnelle Recherche passender Proben von Humangewebe in Deutschland und der Schweiz. Das ist auch ein erster Schritt in Richtung der europäischen Biobanken-Infrastruktur BBMRI."

Seit Anfang Juli 2011 können Forscher via Internet über zwei miteinander gekoppelte Meta-Datenbanken in Deutschland und der Schweiz simultan nach Bioproben suchen. Dr. Christina Schröder leitet am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in Potsdam-Golm das Projekt zu dieser grenz­überschreitenden Bioprobensuche. Die TMF sprach mit ihr über den Start des Angebots.

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Das Interview führte Beate Achilles im Juli 2011. Eine Kurzfassung erscheint in der Zeitschrift E-Health-COM 5 | 2011.

Portraitbild Schröder Interview 2011

Dr. Christina Schröder © TMF e.V.

Vor wenigen Wochen haben Sie Ihr Projekt zur simultanen Bioprobensuche in Deutschland und der Schweiz abgeschlossen. Was hat es damit auf sich?

Das Projekt koppelt die Web-Portale der beiden Meta-Biobanken CRIP und biobank suisse (BBS), um den Pool verfügbarer Informationen für die Biobank-basierte medizinische Forschung zu vergrößern. Dieser erweiterte Service ist ab 1. Juli 2011 für Forscher online verfügbar. Bis auf Fall- und Probenebene sind hier Recherchen möglich.

CRIP ist am Standort Potsdam des Fraunhofer IBMT angesiedelt. Weder CRIP noch BBS verwahren allerdings selbst humane Proben. Ziel beider Biodatenbanken ist ausschließlich die Vermittlung, Anbahnung und administrative Unterstützung von Forschungsprojekten an Humangewebe.
 

In welchem Verhältnis steht die „Simultane Bioprobensuche in Deutschland und der Schweiz“ zu dem europäischen BBMRI-Projekt? Wo liegen die Unterschiede?

Der Unterschied liegt vor allem in der Größe: Das BBMRI-Projekt (Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure) verfolgt eine ähnliche Zielsetzung, jedoch für das gesamte Gebiet der EU auf einmal.  Dort ist im Januar 2011 gerade die dreijährige Vorbereitungsphase zu Ende gegangen. Die Kopplung von CRIP und BBS kann man als einen ersten Mosaikstein für eine praktische Umsetzung des BBMRI-Ansatzes betrachten.

Da beide Meta-Biobanken über ähnliche Daten verfügen, wollen wir Forschern hier schon jetzt eine schnelle Recherche passender Proben ermöglichen. Dabei achten wir natürlich darauf, dass unsere Infrastrukturen später mit der BBMRI kompatibel sein werden. So können die Lösungen, die wir im Deutschland-Schweiz-Projekt entwickelt haben, für BBMRI von Nutzen sein. Beispielsweise könnten nationale Hubs ebenso über Webservices gekoppelt und diese Kooperation mit einem ähnlichen Vertrag vereinbart werden, wie er zwischen CRIP und BBS geschlossen wurde.

Der Einsatz von Webservices umgeht bürokratische Hürden wie einheitliche Zugangsregeln zu Biobanken in den EU-Staaten und übereinstimmende Rechtsformen. Jede teilnehmende Biobank kann damit einfach so bleiben, wie sie ist. Man muss lediglich die gemeinsamen Nutzerkreise harmonisieren. So ist der einzige Punkt, den CRIP und BBS ändern mussten, das Registrierungs­formular für die Nutzer.
 

Und der Datenschutz?

Sowohl datenschutzrechtlich als auch hinsichtlich der Persönlich­keits­rechte der Probenspender ist dieser grenz­über­schreitende Daten-Transfer unbedenklich: Es werden nur anonymisierte Informationen zugänglich gemacht, die bereits ohnehin für Forscher im Internet zugänglich sind. Das ist bekanntlich landesunabhängig und legal - allerdings bisher wesentlich umständlicher.
 

Zu welchen Forschungs­frage­stellungen finden die Forscher in den beiden angeschlossenen Meta-Biobanken Daten?

CRIP und BBS basieren auf Probendaten aus der Pathologie. Dennoch gibt es hier nicht nur Tumorgewebe, sondern Proben zu sämtlichen Krankheits­gebieten und auch Normalgewebe. Man kann mit diesen Proben im Prinzip sämtliche Fragen rund um die biomedizinische Forschung bearbeiten. Natürlich stellen Pathologie­abteilungen häufiger Tumorgewebe als beispielsweise gesunden Knorpel zur Verfügung, aber das über unsere Meta-Biobanken recherchierbare umfangreiche Material ist für die unterschiedlichsten Fragestellungen eine Suche wert.
 

Welche Rolle spielt die TMF bei dem Projekt für die simultane Bio­proben­suche?

Nach dem Wunsch des Förderers, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, soll die TMF als Kommunikations­plattform für medizinische Forscher aus ganz Deutschland das Projekt mit bekannt machen. Auch verlinkt die TMF beispielsweise von ihrer Webseite aus auf den Originalvertrag zwischen CRIP und der Biobank Suisse. Er könnte für zukünftige Kooperationen anderer Meta-Biobanken als Muster dienen.
 

Wie profitieren Sie von Ihrer Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Bio­material­banken (AG BMB) der TMF?

Für mich ist die Mitarbeit in der AG BMB ein Geben und Nehmen. Ich arbeite bereits seit 2004 dort mit. Das Projekt BMB EUCoop, bei dem es von 2007 bis 2009 um die Klärung der rechtlichen Grundlagen einer EU-weiten Kooperation von Biomaterialbanken ging, war eine gute Basis für unser jetziges Projekt. Dort wurden die juristischen Aspekte des grenz­über­schreitenden Probentransfers analysiert und geklärt. Meiner Einschätzung nach ist die AG besonders für einzelne bzw. neue Biobanken von großem Wert, denn sie können sich hier mit anderen Biobanken vernetzen. Der AG-Sprecher, Prof. Dr. Michael Hummel, nimmt für die Charité zugleich seit 2006 an den CRIP-Beiratssitzungen teil. Ich denke, dass sich CRIP und die AG BMB gegenseitig befruchtet haben.
 

Welche Erfahrungen haben Sie in den vergangenen vier Jahren mit dem CRIP-Portal gemacht - macht es die Probensuche für Forscher tatsächlich effizienter?

Meiner Ansicht nach bringt CRIP eine deutliche Verbesserung an der Schnittstelle von Industrie und Hochschule. Bislang wird das Portal überwiegend von der Pharmaindustrie genutzt und noch nicht so oft von Wissenschaftlern aus dem akademischen Umfeld, wie wir uns das wünschen würden. Das mag daran liegen, dass viele akademische Nutzer es irrtümlich für kostenpflichtig halten. Tatsächlich ist die Nutzung von CRIP für diesen Personenkreis auf Antrag gebührenfrei.

 

 

Dr. rer. nat. Christina Schröder ist Gruppenleiterin am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in Potsdam-Golm.