Pressemitteilung

„CONTAGION“: Ein tödliches Virus geht um die Welt

Ein Interview zum Filmstart mit den Wissenschaftlern Christian Drosten, Dag Harmsen und Stephan Ludwig – Nationale Forschungs­plattform für Zoonosen stellt Hinter­grund­informationen bereit.

Drosten Harmsen und Ludwig Filmstart Contagion Interview 2011

Prof. Dr. Christian Drosten, Prof. Dr. Dag Harmsen, Prof. Dr. Stephan Ludwig © TMF e.V.

Am 20. Oktober 2011 kommt „CONTAGION“ in die deutschen Kinos, Steven Soderberghs filmisches Protokoll einer Seuche, die weltweit und rasend schnell zig Millionen Menschen tötet. Die Seuche im Film ist fiktiv, aber sie hat reale Vorbilder: beispielsweise SARS oder die Vogelgrippe. Die Schweinegrippe ist den Figuren im Film wie dem Publikum noch sehr präsent, deutsche Zuschauer mögen sich auch an den EHEC-Ausbruch des vergangenen Sommers erinnert fühlen.

Der Film thematisiert unter anderem die fieberhafte Suche der Wissenschaftler und Behörden nach dem Erreger, seinem Ursprung und seinen Eigenschaften, seinen Übertragungswegen sowie den Möglichkeiten, der weltweiten Pandemie Einhalt zu gebieten. Über den aktuellen Stand der Forschung in Deutschland und die Frage, ob wir für den Ausbruch eines solchen neuen Erregers gewappnet sind, führt die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen ein Gespräch mit den Virologen Prof. Dr. Christian Drosten (Universität Bonn) und Prof. Dr. Stephan Ludwig (Universität Münster) sowie mit dem Genomforscher Prof. Dr. Dag Harmsen (Universität Münster). Ergänzend dazu stellt sie Hinter­grund­informationen bereit.

Die drei Wissenschaftler stehen den Medien auch für weitere Informationen oder Interviews zur Verfügung.

 

Filmstart "CONTAGION": Hinter­grund­informtionen

Was sind Zoonosen?

Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Das Wort Zoonose stammt aus dem Griechischen und leitet sich von ‚zoon´’ – Lebewesen und ‚nosos’ – Krankheit ab.

66 Prozent aller Infektionskrankheiten des Menschen sind Zoonosen. Drei Viertel aller neu auftretenden Krankheiten zählen zu den Zoonosen. Neu auftretende Zoonosen stammen häufig von Tieren, in deren Lebensräume Menschen erst vor kurzem vorgedrungen sind. Diese Krankheitserreger kommen dann häufig zum ersten Mal mit Menschen in Kontakt und rufen schwere Erkrankungen hervor. Andere Zoonosen sind hingegen schon lange bekannt und wurden häufig durch tierische Lebensmittel – wie Milch, Eier oder Fleisch – übertragen, bevor sie sich auch von Mensch zu Mensch weiterverbreitet haben.

Ursache für eine zoonotische Erkrankung können Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze oder Prionen sein. Bekannte Zoonosen sind zum Beispiel Tollwut, Tuberkulose, Salmonellose, Pest, Fuchsbandwurm oder BSE.

Jeder, der mit Tieren oder tierischen Produkten umgeht, kann sich theoretisch infizieren. Wenn der Erreger auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann (das ist nicht bei jedem Erreger der Fall), kann sich jeder anstecken. Zoonosen können direkt – z.B. durch Anfassen – oder durch indirekten Kontakt, beispielsweise über Lebensmittel oder Oberflächen übertragen werden.

 

Was ist der Unterschied zwischen Viren und Bakterien?

Viren sind winzige Krankheitserreger, die nur mit einem Elektronenmikroskop sichtbar gemacht werden können. Sie bestehen minimal aus einer Eiweißhülle, die die Erbinformation umgibt. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nur innerhalb lebender Zellen vermehren.

Bakterien sind wesentlich größer als Viren. Sie sind mit einem Lichtmikroskop erkennbar. Sie sind zellähnlich aufgebaut und können sich ohne die Unterstützung weiterer lebender Zellen selbstständig
durch Teilung vermehren.

 

Wie können die genetischen Informationen eines Erregers identifiziert werden?

Die genetische Information eines Erregers ist der Text, in dem seine Gestalt und seine Eigenschaften festgelegt sind. Träger der Information ist die Desoxy­ribo­nuklein­säure (DNA) oder die Ribonukleinsäure (RNA). Der genetische Code wird durch vier Grundbausteine festgelegt: ATCG. Dabei steht jeder Buchstabe für eine Base: A für Adenin, T für Thymin (bei RNA steht an dieser Stelle U=Uracil), C für Cytosin und G für Guanin).

Mittels Sequenzierung kann der Code – also die Abfolge der vier Basen – entschlüsselt werden. Seit wenigen Jahren sind hierfür massiv parallele Systeme etabliert, welche es erlauben, ganze Genome in einem Experiment zu entschlüsseln. Jüngst wurde die Geschwindigkeit dieser Systeme weiter gesteigert, so dass die Ergebnisse von der DNA bis zur Sequenz mittlerweile nach ein bis zwei Tagen vorliegen.

Anhand des Genoms kann zweifelsfrei identifiziert werden, ob die untersuchten Proben alle demselben Ausbruch zugeordnet werden können oder ob es sich um getrennte Ereignisse handelt. Darüber hinaus können Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften des Erregers gezogen werden. So kann beispielsweise festgestellt werden, ob der Erreger gegen bestimmte Medikamente widerstandsfähig ist, ob besonders schwere Formen einer Krankheit zu erwarten sind oder ob eine vorhandene Impfung voraussichtlich schützen wird.

 

Wie funktioniert eine Impfung?

Bei einer Impfung wird das Abwehrsystem des Körpers mit einem dem Krankheitserreger ähnlichen Stoff konfrontiert. Der Körper des Impflings bildet daraufhin sehr spezifisch passende Abwehrstoffe, sog. Antikörper, die monate- bis jahrelang erhalten bleiben können. Bei dem Kontakt mit dem echten Erreger werden diese sofort mobilisiert und bekämpfen die eindringenden Erreger, so dass sie sich nicht vermehren können und die Krankheit nicht ausbricht.

Die dem Krankheitserreger ähnlichen Stoffe können in ihren negativen Eigenschaften stark abgeschwächte und damit ungefährliche Formen des Krankheitserregers sein, gegen den geimpft werden soll – so genannte Lebendimpfstoffe. Es können aber auch abgetötete Erreger zum Einsatz kommen – so genannte Totimpfstoffe – oder sogar nur Teile eines Erregers verwendet werden – so genannt Spaltimpfstoffe. Es hängt von den Eigenschaften des jeweiligen Krankheitserregers ab, welche Art von Impfstoff verwendet werden kann.

 

An der Forschung zur Bekämpfung von Seuchen sind die verschiedensten wissen­schaft­lichen Disziplinen beteiligt. Womit beschäftigen sich die jeweiligen Forscher?

Bakteriologie: Forschungszweig der Biologie und Medizin, der sich mit Bakterien befasst. Dabei werden u. a. die Eigenschaften von Bakterien analysiert und neue Wege für Diagnostik und Therapie erforscht. Ein wichtiges Forschungsfeld in der Bakteriologie sind Resistenzen. Manche Bakterien haben ihren Stoffwechsel an vorhandene Antibiotika angepasst, so dass sie von ihnen nicht mehr angegriffen werden können. Zudem können Bakterien diese Eigenschaften unter einander austauschen. Dies bringt neue Herausforderungen für die Forschung und die Patientenversorgung mit sich.

Virologie: In der Virologie werden Gestalt und Funktion von Viren erforscht. Dabei spielt die Suche nach der Herkunft, die Einordnung in bekannte Virusfamilien und die Suche nach neuen Viren eine bedeutende Rolle. Ziel der Forschungsarbeiten sind häufig neue Therapie- oder Impfmöglichkeiten. Dabei wird auch untersucht, welche Mechanismen bei Viren vorliegen, um die angeborene oder erworbene Immunabwehr zu umgehen oder sich an neue Wirte anzupassen.

Immunologie: Forschungszweig der Medizin, der sich mit den Grundlagen des Abwehrsystems des Körpers befasst. Dabei wird zwischen angeborener und erworbener Immunabwehr unterschieden. Alle Lebewesen sind mit einem angeborenen Immunsystem ausgestattet. Es ist die erste Barriere, auf die ein Erreger nach dem Eintreten in einen Körper stößt. Dazu gehören neben echten Barrieren wie der Haut beispielsweise Immunzellen, die fremdartig wirkende Eindringlinge in Schleimhäuten und im Blut beseitigen können. Die Mechanismen der angeborenen Immunabwehr sind wenig spezifisch, dafür jedoch breit wirksam. Zur erworbenen Immunabwehr gehören zum Beispiel Antikörper, die vom Körper nach dem Kontakt mit einem neuen Erreger gebildet werden. Diese tragen wesentlich dazu bei, dass ein Erreger schnell von Immunzellen erkannt und unschädlich gemacht werden kann und dass eine Krankheit ausheilt. Die Entwicklung des erworbenen Immunsystems dauert jedoch einige Tage, in denen das angeborene Immunsystem im Rahmen seiner Möglichkeiten – zum Beispiel mit Fieber – die Aufgabe übernimmt, einen dem Körper unbekannten Erreger in Schach zu halten. Die Mechanismen des erworbenen Immunsystems wirken sehr spezifisch für die einzelnen Erreger und bleiben häufig jahrelang oder ein Leben lang erhalten, nachdem sie ausgebildet wurden. Bei wiederholtem Kontakt mit dem Erreger, kann die erworbene Immunabwehr innerhalb kürzester Frist reagieren, so dass es nicht zum Ausbruch einer
Krankheit kommt.

Epidemiologie: Lehre von der Verbreitung von Krankheiten und Seuchen bezogen auf bestimmte Populationen (Tier- oder Menschenpopulationen). Epidemiologen untersuchen, woher eine Seuche kommt, wo sich die Quelle befindet, auf welchem Weg sie sich verbreitet und welche gesundheitlichen, sozialen oder ökonomischen Auswirkungen sie hat. Zudem befassen sich Epidemiologen mit der Vorbeugung vor Seuchen.

Zoologie: Die Zoologie ist ein Bereich der Biologie und befasst sich mit der Lehre von den Tierarten. In dieser Forschungsdisziplin werden Gestalt und Eigenschaften von Tierarten – vom Insekt (s. Entomologie) bis zur Fledermaus – erforscht. Hierzu gehören neben der Verbreitung von Tierarten die Umweltbeziehungen (Ökologie), die Verhaltenskunde und die Genetik. Die Zoologie betrachtet den Einfluss menschlicher Eingriffe in die Umwelt, da diese häufig dazu führen, dass dort ansässige Tiere sich einen neuen Lebensraum – möglicherweise dichter an den Menschen als zuvor – suchen müssen.

Entomologie: Forschungszweig der Zoologie, der sich mit Insekten befasst. Im Kontext mit Infektions­krankheiten ist die Zusammenarbeit mit Insektenforschern wichtig, da beispielsweise Stechmücken als so genannte Vektoren auftreten können, wenn sie Krankheiten übertragen. Entomologen untersuchen, wo welche Insekten vorkommen und inwieweit sich ihr geographisches Vorkommen im Laufe der Zeit verändert. Im Zuge des Klimawandels können sie beobachten, dass Insekten in Gebiete vordringen, in denen sie bisher keine Überlebenschance hatten.

Ökologie: Als Ökologie wird die Lehre der Beziehungen von Organismen untereinander und zu ihrer Umwelt bezeichnet. Im Kontext mit Infektionskrankheiten werden in der Ökologie unter anderem die wesentlichen Aspekte von Umwelt­veränderungen untersucht, die dazu beitragen, dass sich Infektionserreger anders ausbreiten als zuvor oder dass neue Übertragungswege entstehen.

Bioinformatik: Viele Fragen der Biologie, Medizin oder Tiermedizin werden heute mit Hilfe des Computers bearbeitet. Viele Analysen, gerade im Bereich Genetik und Sequenzierung, sind ohne Computerprogramme undenkbar. Hierbei unterstützen Bioinformatiker, die das Wissen aus Lebenswissenschaften und Informatik mitbringen.

Veterinärmedizin: Veterinärmedizin, auch Tiermedizin genannt, befasst sich in erster Linie mit der Gesundheit von Tieren. Da Tiere in vielfältigem Austausch mit Menschen stehen, sei es als Haustiere oder auch als Lebensmittel-Lieferanten, ist die Tiergesundheit eine wesentliche Voraussetzung für die menschliche Gesundheit. Diese Erkenntnis hatte bereits Rudolph Virchow im Jahr 1873, als er feststellte, dass sich Tier- und Humanmedizin nicht in der Sache, nur im Objekt unterscheiden. In der modernen Welt findet sich dies in dem so genannten „One Health-Gedanken“ wieder.

Humanmedizin: Die Humanmedizin ist die Medizin am Menschen. Dabei steht neben der individuellen Gesundheit auch immer die öffentliche Gesundheit („Public Health“) im Fokus. Viele Aspekte der Humanmedizin betreffen beide Bereiche: Dies ist zum Beispiel beim Impfen der Fall. Neben dem Schutz für die Einzelperson bewirkt die Impfung gegen eine gefährliche Krankheit auch einen indirekten Schutz für andere Personen, die nicht geimpft sind, da sie sich dann mit geringerer Wahrscheinlichkeit infizieren können.

Grundlagenforschung: Die Grundlagenforschung befasst sich hypothesengesteuert mit der Erforschung von Krankheitserregern und Krankheits­mechanismen. Dabei werden zum Beispiel grundlegende Eigenschaften der Erreger, des Wirts und der Immunabwehr untersucht. In darauf aufbauenden Schritten wird das Zusammenspiel dieser Faktoren betrachtet. Erste Ideen und Versuche zur Entwicklung von Medikamenten, diagnostischen Hilfsmitteln oder Impfstoffen werden von Grundlagenforschern getestet, bevor sie in Richtung Anwendung entwickelt werden können.

Klinische Forschung: In der klinischen Forschung werden an Patienten oder gesunden Probanden Behandlungsmöglichkeiten oder Medikamente auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht. In manchen klinischen Studien wird auch geprüft, wie bereits bestehende Behandlungen verbessert werden können. Hierbei müssen strenge rechtliche und ethische Richtlinien beachtet werden. Die regulatorischen Vorgaben zum Schutz des Patienten sind in Deutschland sehr streng.

 

Was ist die Nationale Forschungs­plattform für Zoonosen?

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen ist ein Informations- und Servicenetzwerk für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in Deutschland im Bereich Zoonosen forschen. Im Jahr 2009 wurde sie auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gegründet und wird seit dem vom BMBF finanziert.

Durch die Arbeit der Zoonosenplattform soll die Netzwerkforschung sowie die enge Verzahnung zwischen Human- und Veterinärmedizin gestärkt und ausgebaut werden. Dies geschieht unter anderem durch die Initiierung von Pilot- und Querschnittsprojekten zu übergreifenden Fragestellungen und durch Symposien und Workshops. Die Zoonosenplattform hat darüber hinaus die Aufgabe, Informationen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereitzustellen und die interessierte Öffentlichkeit über die Zoonosenforschung zu informieren.

Die Zoonosenplattform wird gemeinsam von der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF), dem Institut für Molekulare Virologie der Universität Münster und dem Friedrich-Loeffler-Institut, Standort Greifswald/Insel Riems betrieben.

 

Zoonosenforscher sprechen häufig über Wirte, Reservoire, Vektoren oder Habitate. Was meinen sie damit?

Wirt: Als Wirte werden Tiere und Menschen bezeichnet, in denen sich ein bestimmter Erreger nach der Infektion vermehren und ausbreiten kann.

Reservoir: Als Reservoir bezeichnet man den Wirt, in dem ein Erreger üblicherweise vorkommt und an den er gut angepasst ist. Der Reservoirwirt erkrankt in der Regel nicht.

Vektor: Vektoren werden in belebte Vektoren und unbelebte Vektoren unterteilt. Unbelebte Vektoren können Gegenstände und Oberflächen sein. Belebte Vektoren sind häufig Insekten oder andere Tiere.

Habitat: Ein Habitat ist der charakteristische Lebensraum einer Tier- oder Pflanzenart. Die Veränderung der Lebensräume oder das Eindringen von Menschen in ursprüngliche Ökosysteme kann zur Verbreitung neuer zoonotischer Erreger beitragen.

 

Nationale Forschungs­plattform für Zoonosen – Ansprechpartner für die Medien

Dr. Ilia Semmler, Tel.: 030 31 01 19 72
Antje Schütt, Tel. 0173 61 41 663 (Telefonnummer korrigiert!)
(auch Vermittlung weiterer Ansprechpartner)


Über die Nationale Forschungs­plattform für Zoonosen

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Informations- und Servicenetzwerk für alle in Deutschland aktiven Arbeitsgruppen im Bereich der Zoonosenforschung. Ihr Ziel ist es, durch einen verstärkten Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene die Forschungsaktivitäten im Bereich der Zoonosenforschung zu forcieren sowie eine breite horizontale Vernetzung von Human- und Veterinärmedizin zu fördern.

Die Zoonosenplattform wird von der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF), vom Institut für Molekulare Virologie der Universität Münster und vom Friedrich-Loeffler-Institut, Standort Greifswald/Insel Riems betrieben.