Interview

"Proben schneller auffinden und gemeinsam Qualitäts­standards entwickeln"

Interview mit Dr. Dr. Michael Kiehntopf über den Aufbau des Deutschen Biobanken-Registers

Drei Personen in einer Laborumgebung mit einem Computer, auf dem ein DNA-Strang zu sehen ist.

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"Eine ganz wichtige Funktion des Deutschen Biobanken-Registers wird für die Forscher sein, gemeinsam Qualitäts­standards für Biobanken zu entwickeln."

Portraitbild Kiehntopf 2010

Dr. Dr. Michael Kiehntopf © TMF e.V.

Sie sind Leiter der TMF-Projektgruppe, die seit April 2010 das Deutsche Register medizinischer Biobanken aufbaut. Was verbirgt sich dahinter?

Neben den großen Biobanken, die im Rahmen öffentlich geförderter Forschungs­vorhaben oder auf private Initiative hin entstanden sind, existiert eine Vielzahl kleinerer Sammlungen, die bislang nicht zentral registriert sind. Gerade diese kleinen Biobanken sind deshalb in der Regel schwer zugänglich und dadurch für die Forschung in Deutschland bislang nicht optimal nutzbar.

Das Deutsche Biobanken-Register wird die Biobanken national wie international besser sichtbar machen. Es wird Kontaktdaten und Kern­informationen über alle Biobanken in Deutschland enthalten, wodurch ein effektiver und strukturierter Zugang zu dieser nationalen Wissenschafts­ressource möglich wird. Damit werden die vorhandenen Ressourcen besser gebündelt und können leichter in bestehende oder zukünftige internationale Forschungs­infrastrukturen integriert werden. Der Gesund­heits­forschungs­rat hatte in seiner Sitzung am 12. Dezember 2008 bereits die Einrichtung eines solchen Registers befürwortet.

 

Was hat die Forschungs­community von der Einrichtung eines solchen Biobanken-Registers?

Das Register soll unter anderem die Vermittlung von Kooperations­partnern sowie den Informations-, Erfahrungs- und Probenaustausch fördern. Mit seiner Hilfe können Forscher gesuchte Proben schneller und einfacher auffinden. Es bietet eine zentrale Anlaufstelle für Fragen der Forscher und der Öffentlichkeit. Wissenschaftler können sich hier direkt beraten lassen und für Probenspender, Patienten und andere Interessierte entsteht durch dieses Portal mehr Transparenz. Wir hoffen, dass dies Vertrauen schaffen und die Bereitschaft der Menschen erhöhen wird, ihre Proben der Forschung zur Verfügung zu stellen.

Eine ganz wichtige Funktion des Registers für die Forscher wird es zudem sein, gemeinsam Qualitätsstandards für Biobanken zu entwickeln. Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien hängt davon ab, dass man qualitätsgesicherte Proben mit zuverlässigen klinischen Kontextdaten nutzt. Es gibt viele Einflussfaktoren, denen die Proben im Rahmen von Studien ausgesetzt sind. Beispielsweise führt allein das mehrmalige kurze Öffnen eines Kühlschranks bei der Entnahme von Proben zu erheblichen Temperatur­schwankungen und Qualitäts­einbußen aller darin lagernden Proben. Um die Auswirkungen solcher Einflussfaktoren zu minimieren,  müssen die gesamten Prozesse der Präanalytik – also der Phase von der Probengewinnung bis zu ihrer Einlagerung – sehr standardisiert, einheitlich und qualitätskontrolliert ablaufen.

Auch für die weitergehende Nutzung dieser Proben, die ja den eigentlichen Mehrwert des aufwändigen Verfahrens zur Qualitätskontrolle der Proben darstellt, bedarf es abgestimmter Verfahrensweisen, beispielsweise in Bezug auf juristische und ethische Rahmen­bedingungen. Dafür stellt die TMF entsprechende Rechtsgutachten und Handlungs­anleitungen zur Verfügung.

 

In welchem Zusammenhang steht das Deutsche Register medizinischer Biobanken mit dem Anfang Februar 2010 in Kraft getretenen Gen­diagnostik­gesetz?

Im Nachgang zu diesem Gesetz beschäftigt sich der Deutsche Ethikrat aktuell mit einer zweiten Stellungnahme zum Thema Biobanken. Es ist davon auszugehen, dass er hierbei auf die Notwendigkeit eingehen wird, dass sich Probanden, schnell und unkompliziert über Studien und Fragestellungen informieren können sollten, die mit ihren in der Biobank gelagerten Proben bearbeitet werden. Insbesondere gilt dies, wenn die Probanden auch der zukünftigen Probennutzung zugestimmt hatten. Das Deutsche Biobanken-Register kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten, da es als  zentrale Anlaufstelle für Spender und Patienten einen unkomplizierten Zugang zu den Webseiten der Biobanken und damit  zu den jeweiligen Ansprech­partnern ermöglicht.

 

Als erste Stufe dieses Biobanken-Registers ist seit Februar 2009 ein Web-basiertes Open-Access-Verzeichnis unter www.biobanken.de verfügbar. Welche Erfahrungen haben Sie in dem Vorprojekt bereits sammeln können?

Im Rahmen des Vorprojektes konnte geklärt werden, welche Tiefe die in dem Register zur Verfügung gestellten Daten haben sollten. Die Interaktion mit den an der Vorstudie beteiligten Probenbanken hat gezeigt, dass grundsätzlich die Information ausreicht, zu welcher Erkrankung in welcher Biobank Proben zu finden sind. Die anschließend für konkrete Forschungsprojekte erforderlichen Informationen sind häufig so detailliert und speziell, dass sie nur im direkten Kontakt mit der betreffenden Biobank geklärt werden können.

Unsere an die Biobanken gerichtete Fragensammlung, mit der wir eine möglichst detaillierte Suche nach passenden Proben ermöglichen wollten, war derart umfangreich, das sich die fortlaufende Aktualisierung des Datenbestandes in Frage stellte. Deswegen wird sich das Deutsche Biobanken-Register auf einen reduzierten Datensatz beschränken, der dann über das Online-Portal sehr aktuell und leicht zu pflegen ist.

 

Auch auf europäischer Ebene wird an der Verbesserung der Biobank­-Infra­strukturen gearbeitet. Wie ist die TMF in diese Aktivitäten eingebunden?

Ziel des BBMRI–Projekts (Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure) ist es, auch innerhalb der EU alle Biobanken zu erfassen und miteinander zu vernetzen. Das Biobanken-Register der TMF ist direkt in dieses Projekt eingebunden, indem die von der TMF erarbeitete Datenerhebung für unser nationales Register mit der Umfrage des BBMRI-Projekts abgestimmt ist. Für die deutschen Biobanken bietet das den Vorteil, dass sie ihre Daten nur einmal angeben müssen, um ihre Biobank sowohl national wie international sichtbar zu machen. Über das mit dem TMF Biobanken-Register vernetzte BBMRI-Register können sie ihre Einrichtung somit gegenüber einer breiten Forschungs­öffentlichkeit, potentiellen Kooperations­partnern und den Forschungs­förder­organisationen in der gesamten EU darstellen.

 

Wie trägt das Projekt Biobanken-Register der TMF dazu bei, deutsche Biobanken international konkurrenzfähig zu machen bzw. zu halten?

Wir erwarten, dass sich aus der Vernetzung und dem Auffinden wechselseitiger Ansprechpartner zwischen den verschiedenen Biobanken in Deutschland sowie dem dadurch geförderten Informations­austausch Synergien ergeben werden, die einen wesentlichen Beitrag zur Qualitäts- und Effizienz­steigerung der medizinischen Forschung am Standort Deutschland leisten. Auch im internationalen Wettbewerb wird dies den Forschungs­standort Deutschland stärken.
 

Dr. Dr. Michael Kiehntopf ist Mediziner, Biochemiker und Facharzt für Laboratoriums­medizin. Er ist zurzeit kommissarischer Direktor des Instituts für Klinische Chemie am Universitäts­klinikum Jena und leitet unter anderem die Bio­material­bank des Kompetenznetzes Sepsis. Er ist Mitglied im Vorstand der TMF.

Das Interview führte Beate Achilles im Mai 2010. Eine Kurzfassung erscheint in der Zeitschrift E-Health-COM 3 | 2010.