Verknüpfung von Datenquellen in der vernetzten Versorgungsforschung
Dr. Stefanie March präsentierte die Gute Praxis Datenlinkage. © TMF e.V.
Unter dem Leitmotiv „Gemeinsam Verantwortung übernehmen für ein lernendes Gesundheitssystem" kamen beim 18. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung (DKVF) vom 9. bis zum 11. Oktober in Berlin Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen, um aktuelle Erkenntnisse der Versorgungsforschung zu präsentieren sowie über die Translation von Forschungsergebnissen in die Versorgungspraxis zur Verbesserung des Gesundheitssystems zu diskutieren.
In der Versorgungsforschung ist es regelmäßig erforderlich, verschiedene Datenquellen zu verknüpfen, um dadurch ein besseres Verständnis des realen Versorgungsgeschehens gewinnen zu können. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, datenschutzgerechte Lösungen für das Zusammenführen von Daten unterschiedlicher Quellen zu entwickeln. Zu diesem Thema leitete die TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. beim DKVF die Session „Datenlinkage/Datenschutz“, die auf sehr großes Interesse bei den Teilnehmenden stieß. Moderiert wurde die Session von Dr. Stefanie March (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Dr. Knut Kaulke und Dr. Nicole Bethge (beide TMF e.V.).
Dr. Stefanie March präsentierte die Gute Praxis Datenlinkage (GPD) (Volltext online verfügbar). Diese bietet neben Handlungsempfehlungen auch eine Kriterienliste für die Durchführung von Datenlinkage-Projekten. An der Erstellung der GPD sind seit Mai 2018 Forschende der Arbeitsgruppe Erhebung und Nutzung von Sekundärdaten (AGENS) der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e.V. (DGSMP) und der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie e.V. (DGEpi), der Arbeitsgruppe Validierung und Linkage von Sekundärdaten des Deutschen Netzwerkes Versorgungsforschung e.V. (DNVF) sowie der Arbeitsgruppen Datenschutz und IT-Infrastruktur / Qualitätsmanagement der TMF beteiligt.
Im Anschluss wurde anhand von drei Forschungsprojekten auf die datenschutzkonforme Umsetzung gemäß TMF-Leitfäden eingegangen:
Jonas Bienzeisler (Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg) präsentierte die datenschutzkonforme Forschungsinfrastruktur zum Verknüpfen multipler Datenquellen in der vernetzten Versorgungsforschung aufbauend auf dem AKTIN-Notaufnahmeregister. Dabei werden Routinedaten mit Daten einer Patientenbefragung und Krankenkassendaten verknüpft. Die Studieninfrastruktur sei ein Beispiel für ein föderiertes und verteiltes Datenmanagement und zeige, wie eine bestehende Infrastruktur für eine datenschutzkonforme Verknüpfung erweitert werden kann.
Dr. Knut Kaulke (TMF e.V.) erläuterte das Datenschutzkonzept im Innovationsfondsprojekt zur Verbesserung der Notfallversorgung von Herzinfarktpatienten in Berlin und den Brandenburgischen Landkreisen Havelland und Oberhavel (QS-Notfall). Das Projekt soll die Frage beantworten, wie prästationäre und stationäre Versorgungsdaten von Herzinfarktpatienten in einer externen Institution unter Wahrung des Datenschutzes über Pseudonyme zusammengeführt und sekundär für Fragestellungen der Versorgungsforschung ohne vorliegende Einwilligung der betroffenen Patienten genutzt werden können. Bisher wurde im Projekt QS-Notfall mit einer Pseudonymisierungsstrategie und unter Verwendung eines Treuhänders eine Versorgungsforschungsdatenbank für eine Interventionsstudie aufgebaut. Das zugrundeliegende Datenschutzkonzept könne modellbildend für andere Innovationsfondsprojekte sein.
Die Entwicklung von Datenschutzkonzepten zur Verknüpfung von Routinedaten aus Notaufnahmen mit Routinedaten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im INDEED-Projekt stellte Dr. Nicole Bethge (TMF e.V.) vor. Die Datenschutzkonzepte sehen vor, die medizinischen Nutzdaten (MDAT) und patienten- sowie leistungserbringer-identifizierenden Daten (IDAT) schon in den Notaufnahmen bzw. bei den KVen zu trennen und zu verschlüsseln. Hierzu werden Pseudonyme erster Stufe erstellt. Die Treuhandstelle ersetzt diese durch Pseudonyme zweiter Stufe, ohne selbst Einblick in die MDAT zu erhalten. Der Treuhänder schickt dann die doppelt pseudonymisierten MDAT an das zentrale Datenmanagement. Per Antrag an das Data-Use-and-Access-Committee können auswertende Konsortialpartner Daten auszugsweise zur Beantwortung der Forschungsfragen anfordern. Gegebenenfalls findet vor Herausgabe noch eine weitere Vergröberung der Daten im zentralen Datenmanagement statt, um faktisch anonymisierte Datensätze herauszugeben.
Henriette Rau (Universitätsmedizin Greifswald) stellte abschließend das generische, anpassbare elektronische Einwilligungsmanagement-Tool gICS als Open-Source-Variante vor. gICS ist sowohl in papierbasierte als auch rein digitale Arbeitsabläufe integrierbar und dient dazu, modular abgebildete Einwilligungen und Widerrufe im Studienkontext zu verarbeiten. Vorteile seien die einfache Installation des Softwaretools, die Wiederverwendbarkeit in neuen Projekten sowie die flächendeckende Bereitstellung eines Einwilligungsmanagement-Tools für die wissenschaftliche Gemeinschaft.
Dr. Nicole Bethge stellt die Entwicklung von Datenschutzkonzepten zur Verknüpfung von Routinedaten aus Notaufnahmen mit Routinedaten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im INDEED-Projekt vor. © TMF e.V.
Jonas Bienzeisler präsentierte die datenschutzkonforme Forschungsinfrastruktur zum Verknüpfen multipler Datenquellen in der vernetzten Versorgungsforschung aufbauend auf dem AKTIN-Notaufnahmeregister. © TMF e.V.
Dr. Knut Kaulk eerläuterte das Datenschutzkonzept im Innovationsfondsprojekt zur Verbesserung der Notfallversorgung von Herzinfarktpatienten. © TMF e.V.