Experten empfehlen Einstieg in die Nutzung von Nomenklaturen und einer nationalen Referenzterminologie
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In einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Gesundheits-IT-Messe conhIT, die vom 6. bis 8. Mai 2014 in Berlin stattfand, forderten Medizininformatiker, dass Deutschland den Einstieg in die Nutzung von Nomenklaturen und einer nationalen Referenzterminologie finden müsse. Die Experten aus Wissenschaft, Industrie und Gesundheitswesen waren sich einig darüber, dass Erfahrungen aus anderen Ländern noch genauer betrachtet und analysiert werden müssten. Am Infostand der TMF stellte sich im Rahmen der conhIT auch das cloud4health-Projekt vor.
Grundlage der Diskussion war die Workshopreihe, die Ende 2013 im Rahmen des Projektes „Vorstudie Terminologie-Bausteine D-A-CH“ im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) durchgeführt worden war. Die Empfehlungen, die in den Workshops gemeinsam von Wissenschaft, Industrie und Anwendern erarbeitet worden sind, befinden sich derzeit in letzter Kommentierungsrunde bei den Fachverbänden und werden demnächst an das BMG übergeben.
Detaillierte Aufarbeitung über die Vorstudie hinaus ist notwendig
Prof. Dr. Otto Rienhoff eröffnete die Podiumsdiskussion mit einem Einführungsreferat, in dem er die Ergebnisse der Workshops zu den Themen Patientenkurzakte, Medikationsdokumentation und Infektionsmeldewege zusammenfasste. Für jeden dieser Anwendungsfälle wurden der Use Case beschrieben, in der Region Deutschland – Österreich – Schweiz bereits vorhandene und etablierte Lösungen zusammengetragen und mögliche Strategien für die Harmonisierung beschrieben.
Dabei habe sich gezeigt, dass insbesondere in Deutschland erhöhter Entscheidungsbedarf bestehe, da Österreich und die Schweiz zumindest in der Medikationsdokumentation und bei den Infektionsmeldewegen schon in der Umsetzungsplanung seien. Für Deutschland folge daraus, dass eine detaillierte Aufarbeitung über die Vorstudie hinaus notwendig sei. Dabei müssten Wissenschaft und Industrie sowie betroffene Berufsgruppen einbezogen werden. LOINC und SNOMED sollten differenziert betrachtet werden. Notwendig sei hierfür die Bereitstellung von Ressourcen.
An der von TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler moderierten anschließenden Podiumsdiskussion nahmen außerdem Dr. Daniel Diekmann (ID GmbH & Co. KGaA), Volker Gertler (3M Health Care Business Group), Dr. Sang-Il Kim (eHealth Suisse) und Prof. Dr. Jürgen Stausberg (Ontologie-Experte und Teilnehmer der Workshop-Reihe) teil.
Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen
Die Industrievertreter Volker Gertler und Dr. Daniel Diekmann machten deutlich, dass die Industrie Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in der Gestaltung von Rahmenbedingungen braucht, Festlegungen müssten durchgängig und langfristig gelten, damit entsprechende Investitionen sich lohnten. Sie warnten allerdings auch vor Überregulierung und vor Schaffung neuer staatlicher Stellen. Vielmehr sollten auch bestehende staatliche Stellen auf den Prüfstand gestellt werden. Insbesondere sollten die Erfahrungen von Ländern und Projekten, die bereits an einer Einführung von SNOMED gearbeitet haben, betrachtet und ausgewertet werden. Alle Diskussionspartner waren sich darüber einig, dass es hinsichtlich der bereits bestehenden Erfahrungen weiteren Forschungs- und Klärungsbedarf gibt.
Dr. Sang-Il Kim berichtete, dass die Schweiz eine Koordinationsstelle betreibe, die Festlegungen über die Nutzung von Nomenklaturen und Terminologien treffe. Dabei sollten gewisse Freiheitsgrade weiterhin bestehen bleiben. Trotz bestehender Schwierigkeiten habe sich die Schweiz zu SNOMED bekannt und sich dafür entschieden.
Große Mengen unstrukturierter Behandlungsdaten anonymisiert oder pseudonymisiert auswerten
Cloud Computing ermöglicht eine flexible und skalierbare Nutzung von Ressourcen wie Rechenleistung, Datenspeicherung und Anwendungen über das Intra- bzw. Internet. Auf Basis dieser Technologie sind im Rahmen des europäischen Projektes cloud4health Lösungen entwickelt worden, mit denen große Mengen zumeist unstrukturierter Behandlungsdaten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form zur Beantwortung vielfältiger medizinischer Fragen mittels eigens dafür entwickelten Text-Mining-Verfahren ausgewertet werden können. Die Technologie wurde anhand ausgewählter Anwendungen erprobt, bei denen es um die Erschließung großer Mengen freitextlich vorliegender Pathologiedaten, die Plausibilität und Wirtschaftlichkeit medizinischer Behandlungen und um das frühzeitige Erkennen unerwünschter Nebenwirkungen neuer Medikamente geht. Das Projekt wurde am Infostand der TMF auch mit einem Film vorgestellt.
Zentrale Branchenveranstaltung für die Gesundheits-IT in Deutschland
Die conhIT ist die zentrale Branchenveranstaltung für die Gesundheits-IT in Deutschland. Mehr als 350 Aussteller beteiligten sich 2014 an der Industriemesse, die begleitenden Veranstaltungsformate Kongress, Akademie und Networking wurden von rund 6.500 Besuchern aus 65 Ländern genutzt. Die conhIT ist 2008 vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) initiiert worden und wird von diesem in Kooperation mit der Messe Berlin veranstaltet.
Podiumsdiskussion zu Terminologien im Rahmen der conhIT 2014 - Moderator und Diskutanten (v.l.n.r.): Sebastian C. Semler (TMF e. V.), Dr. Daniel Diekmann (ID GmbH & Co. KGaA), Prof. Dr. Jürgen Stausberg (Ontologie-Experte und Teilnehmer der Workshop-Reihe), Volker Gertler (3M Health Care Business Group), Dr. Sang-Il Kim (eHealth Suisse), Prof. Dr. Otto Rienhoff (Universitätsmedizin Göttingen) © TMF e.V.
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