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Vielfältig in Form und Inhalt – das Nationale Symposium für Zoonosen­forschung 2013 in Berlin

Vom 19. bis 20. September präsentierten Wissenschaftler neue Ergebnisse der Zoonosen­forschung, diskutierten mit Journalisten über die Gefahr von Missbrauch ihrer Forschung und gaben Karrieretipps beim Frühstück.

Banner Zoonosen Symposium 2013

© TMF e.V.

Das Nationale Symposium für Zoonosen­forschung 2013 zeichnete sich durch Vielfalt aus: Inhaltlich reichte das Spektrum der wissenschaftlichen Vorträge von A wie Anthrax-Erreger bis O wie Orthobunya-Virus – mit bekannten Krankheitserregern wie dem Tollwut-Virus und neuen, wie dem MERS Corona-Virus. Formal gab es Keynotes und Vorträge, aber auch andere Formen der Wissens­vermittlung. Gleich am ersten Nachmittag sorgte eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Dual Use – Missbrauchs­potenzial von wissenschaftlichen Ergebnissen“ für einen spannenden Meinungsaustausch. Kein Wunder, denn hinter dem Begriff „Dual Use“ steckt ein Problem, das nicht einfach zu lösen ist: Einerseits ist Forschung mit gefährlichen Krankheits­erregern notwendig, um sich besser vor Vogelgrippe, Pocken und Co zu schützen. Andererseits birgt diese Forschung auch Risiken, zum Beispiel die des Bioterrorismus.

„Wir müssen genau verstehen, was geschieht, wenn ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringt, um uns davor schützen zu können“, erklärte der Virologe Professor Hans-Dieter Klenk auf der Podiumsdiskussion. Dafür seien auch sogenannte „gain of function“-Experimente wichtig, bei denen Krankheitserreger im Labor zusätzliche Eigenschaften erhalten, die sie in der Natur noch nicht besitzen. Dem widersprach der erfahrene Wissenschafts­journalist Volker Stollorz und fragte: „Ist der Nutzen dieser Experimente wirklich so groß, dass wir ihre Risiken in Kauf nehmen?“ Privatdozent Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts und Leiter des Zentrums für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene, schlug vor, ein Gremium einzusetzen, das ähnlich wie eine Ethik-Kommission vor dem Beginn der Experimente Nutzen und Risiken gegeneinander abwägt. Die angeregte Diskussion zeigte deutlich, dass „Dual Use“ in der Forschung weiterhin ein kontroverses Thema ist, mit dem sich viele Wissenschaftler auseinandersetzen müssen und wollen. Wünschenswert wäre daher, dass das Thema „Dual Use“ schon in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses einen Platz erhält. Für Sebastian C. Semler, Leiter des Geschäfts­stellen­standorts Berlin der Zoonosen­plattform, war die Podiumsdiskussion „ein gutes Beispiel dafür, dass wir auf dem Nationalen Symposium für Zoonosen­forschung vermehrt Beiträge präsentieren, die aus der Wechselwirkung zwischen Forschung und Öffentlichkeit entstehen.“

Nationale und internationale Zusammen­arbeit trägt Früchte

Dr. Joachim Klein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erinnerte in seiner Begrüßung an die SARS-Epidemie und das neu aufgetretene Coronavirus. Beides zeige, wie wichtig der Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Zoonosen sei. Die Arbeit der Wissen­schaftler/innen und Ärzte/innen sei „…insbesondere auch in den übergreifenden Gremien und Arbeitsgruppen der Zoonosen­plattform von außerordentlicher Bedeutung“, stellte Dr. Klein fest. Auch Dr. Kirsten Reinhard vom Bundesministerium für Gesundheit lobte die Arbeit der Zoonosenplattform: Deutschland habe schnell und adäquat auf die Influenza-Pandemie in 2009, den EHEC-Ausbruch in 2011 und aktuell auf das MERS-Corona-Virus reagiert, resümierte sie. „Die schnelle Handlungsfähigkeit haben wir auch der besonderen Förderung der Verbundforschung zu zoonotischen Erregern und der Nationalen Forschungs­plattform für Zoonosen zu verdanken.“

Professor Martin Groschup, Standortleiter des Geschäfts­stellen­standorts Greifswald, betonte bei der Eröffnung des zweitägigen Symposiums: „Gerade die Nachwuchsförderung im Bereich der Zoonosenforschung ist uns ein Anliegen. Außerdem ist es wichtig, dass wir internationale Partnerschaften bilden.“

Bekämpfung der Tollwut macht Fortschritte – muss aber weitergehen

Dazu passte es gut, dass die erste Keynote von dem renommierten französischen Virologen Noël Tordo vom Institut Pasteur in Paris gehalten wurde. Er stellte dar, welche Fortschritte die Bekämpfung der Tollwut in den vergangenen Jahren gemacht hat: Vor allem durch die Impfung von Hunden, die Tollwut-Viren auf den Menschen übertragen, konnte in vielen Ländern die Zahl der Tollwut-Opfer deutlich gesenkt werden. Dies sei ein eindrucksvolles Beispiel, das den sogenannten „One Health-Ansatz“ bestätigt: die Förderung der Tiergesundheit kommt direkt den Menschen zugute. Trotzdem bestehe bei Tollwut weiterhin großer Forschungsbedarf: Durch eine bessere Impfung für Menschen, die schneller als die derzeit verwendete zu einer Immunisierung führt, wäre es möglich gerade in Entwicklungsländern mehr Menschen vor einer Tollwut-Infektion zu schützen. Außerdem werden verschiedene Ansätze verfolgt, um Therapeutika für Infizierte zu entwickeln. So könnte die Zahl von etwa 55.000 Menschen, die jährlich weltweit an Tollwut sterben, gesenkt werden.

Nobelpreisträger Professor Harald zur Hausen gibt Denkanstoß

In der zweiten Keynote stellte Nobelpreisträger Professor Harald zur Hausen eine Hypothese vor, die er schon seit einigen Jahren verfolgt: Auch bei Darmkrebs handelt es sich möglicherweise um eine Zoonose. Verschiedene Argumente sprechen dafür, dass neben genetischen Veränderungen der menschlichen Zellen auch von Tieren stammende Krankheitserreger eine Rolle bei der Entstehung von Darmkrebs spielen könnten. Vor allem der Verzehr von rotem Fleisch, sei es roh, nicht durchgegart oder gepökelt, erhöht das Risiko für Darmkrebs. In Ländern, in denen rotes Fleisch in dieser Form in großen Mengen verzehrt wird, ist die Zahl der Darmkrebs-Erkrankungen größer als in anderen Ländern. Daher suchen Wissenschaftler in rotem Fleisch nach möglichen Hitze-sensiblen Krankheitserregern als Erklärung für dieses Phänomen.

Von Bacillus anthracis bis Orthobunya-Virus

Neben den Keynotes wurden an den beiden Tagen mehr als 40 Vorträge gehalten: DasSpektrum der Forschungsansätze reichte von molekularbiologischen Forschungen bis hin zu epidemiologischen Studien, die Bandbreite der untersuchten Krankheitserreger von A wie Anthrax-Erreger bis O wie Orthobunya-Virus. Auch über neue Erkenntnisse zum neu aufgetretenen MERS-Corona-Virus wurde berichtet. Viele der präsentierten Arbeiten waren aus der Zusammenarbeit mehrerer Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Standorte entstanden und hatten dementsprechend umfassend das jeweilige Thema bearbeitet. Für Professor Stephan Ludwig, Leiter des Geschäfts­stellen­standorts Münster, bestätigte sich damit, „dass sich durch die Arbeit der Zoonosenplattform eine regelrechte Community gebildet hat: Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen treffen sich hier nicht nur, sondern inzwischen arbeiten sie auch zusammen und stellen hier ihre Daten gemeinsam vor.“

Wissenschaftler vernetzen sich – auch beim Frühstück

Eine besondere originelle Form der Nachwuchs­förderung begann am zweiten Tag gleich am Morgen: Bei einem gemeinsamen Frühstück konnten Nachwuchs­wissenschaftler mit erfahrenen Kollegen in ungezwungener Runde über unterschiedliche Karrierewege diskutieren. „Jeder hat etwas anderes gesagt“, berichtete eine Teilnehmerin, „aber gerade das war hilfreich. Es gibt eben verschiedene Wege seine Karriere zu planen – wichtig ist es, alle Möglichkeiten zu kennen“

Doch nicht nur beim Frühstück gab es Gelegenheit zum Gespräch: Auch in den Pausen fanden rege Unterhaltungen statt. Die präsentierten Poster bildeten dabei einen besonderen Anziehungspunkt. Am Ende des Symposiums wurden die Gewinner des diesjährigen Poster-Wettbewerbs geehrt: Ricarda Schmithausen von der Uni Bonn, Vikash Singh von der FU Berlin und Christiane Clauss vom Friedrich-Loeffler-Institut.

Mitglieder­versammlung der Nationalen Forschungs­plattform für Zoonosen

Eingebettet in das Symposium fand die jährliche Mitglieder­versammlung der Nationalen Forschungs­plattform für Zoonosen statt. Neben Berichten über Workshops, Forschungsprojekte und andere Aktivitäten des vergangenen Geschäftsjahres wurden mehrere Mitglieder des Internen Beirats neu gewählt: Sechs Vertreter der vom BMBF geförderten Zoonosen­verbünde, ein Vertreter der vom BMELV geförderten Projekte und fünf freie Delegierte. Zum ersten Mal vertritt auch eine junge Wissenschaftlerin die Stimme des wissenschaftlichen Nachwuchses im Internen Beirat– sie wurde schon vor einigen Wochen im Rahmen des JuniorScientist Zoonoses Meeting in Leipzig gewählt.

Impressionen

News Podiumsdiskussion Zoonosen Symposium 2013

v.l.n.r.: PD. Dr. Lars Schaade (Robert Koch-Institut), Volker Stollorz (Wissenschaftsjournalist), Volkart Wildermuth (Wissenschaftsjournalist und Moderator) und Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk (Philipps-Universität Marburg) © TMF e.V.

N. Tordo Zoonosen Symposium 2013

Dr. Noël Tordo (Institut Pasteur) © TMF e.V.

Posterpreisgewinner Singh Zoonosen Symposium 2013

Vikash Singh (FU Berlin), einer der Gewinner des Posterpreises 2013 © TMF e.V.

Posterpreisgewinner Clauss Zoonosen Symposium 2013

Christiane Clauss (Friedrich-Loeffler-Institut), eine der Gewinnerinnen des Posterpreises 2013 © TMF e.V.

Poster Singh Zoonosen Symposium 2013

Dieses Poster präsentierte Vikash Singh von der FU Berlin © TMF e.V.

H Zur Hausen Zoonosen Symposium 2013

Prof. Dr. Harald zur Hausen (Deutsches Krebsforschungszentrum) © TMF e.V.

Gruppenfoto Mitarbeiter Zoonosen Symposium 2013

Die Geschäftsstelle der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen: v.l.n.r.: Prof. Dr. Stephan Ludwig (Institut für Molekulare Virologie, Münster), Kerstin Splett (TMF-Geschäftsstelle, Berlin), Dr. Nils Kley (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems), Dr. Friederike Jansen (Institut für Molekulare Virologie, Münster), Hannes Vogt (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems), Claudia Kiebler (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems), Dr. Ilia Semmler (TMF-Geschäftsstelle, Berlin), Prof. Dr. Martin Groschup (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems), Isabell Schmid (Institut für Molekulare Virologie, Münster), Sebastian C. Semler (TMF-Geshäftstelle, Berlin). © TMF e.V.

Gruppenfoto Interner Beirat Zoonosen Symposium 2013

Der Interne Beirat der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen: v.l.n.r.: Sebastian C. Semler (TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Berlin), Dr. Robin Köck (Universitätsklinikum Münster), Dr. Rainer Ulrich (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald - Insel Riems), Dr. Gudrun Wibbelt (Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Berlin), Dr. Jonas Schmidt-Chanasit (Bernhard-Nocht-Institut, Hamburg), Claudia Kohl (Robert Koch-Institut, Berlin), Dr. Sandra Eßbauer (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München), Prof. Dr. Stephan Ludwig (Westfälische Wilhelms-Universität Münster),PD Dr. Martin Beer (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald - Insel Riems), Dr. Katharina Boden (Universität Jena), Prof. Dr. Martin Pfeffer (Universität Leipzig), Dr. Marcel Müller (Universität Bonn), Prof. Dr. Martin Groschup (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald - Insel Riems), Prof. Dr. Eberhard Straube (Universität Jena) © TMF e.V.