Interview

„Die hohe Quali­tät der aka­demi­schen For­schung ist eine große Stärke des Forschungs­stand­ortes Deutsch­land.“ 

Interview mit Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer für Forschung/Entwicklung/Innovation beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa).

Portraitbild Throm Interview 2014

Dr. Siegfried Throm © TMF e.V.

Leistungsfähige Infrastrukturen sind ein zentraler Erfolgsfaktor, um Erkenntnisse der Grundlagenforschung schneller in medizinische Produkte umsetzen zu können. Die Bundesregierung hat deshalb vor einigen Jahren übergreifende Fördermaßnahmen für den Aufbau solcher Infrastrukturen auf den Weg gebracht. Die Koordinierungszentren für Klinische Studien, die Kompetenznetze der Medizin, die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung und die nationale Kohorte gehören zu den sichtbaren Ergebnissen dieser Bemühungen. Im Vorfeld seines Vortrags beim TMF-Jahreskongress 2014 erläutert Dr. Siegfried Throm, welche Bedeutung Infrastrukturen wie diese für die Arzneimittelentwicklung in Deutschland haben.

Herr Dr. Throm, welche Infra­strukturen brauchen die forschenden Arznei­mittel­hersteller, um Medikamente schneller an den Markt zu bringen?

Unsere Firmen sind auf eine sehr gute Grundlagenforschung, ein geeignetes Umfeld für klinische Studien und gute Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und Industrie angewiesen, damit neue Therapien entwickelt werden und schnellstmöglich den Patienten zur Verfügung stehen. 
  

Was benötigen sie dafür konkret?

Hilfreich waren und sind zum Beispiel die Koordinierungszentren für klinische Studien. Die Daten, die in den deutschen Kliniken mit ihrer Hilfe erhoben werden, sind von zuverlässig hoher Qualität, das heißt sie sind lücken- und fehlerarm. Ein anderes Beispiel sind die Kompetenznetze der Medizin. Sie führen thematisch verwandte Forschung zusammen, helfen aber auch, zügig interessierte Patienten für klinische Studien zu rekrutieren. Weitere wichtige Infrastrukturen sind die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Auch die bereits existierenden krankheitsbezogenen Register wie auch das im Aufbau befindliche nationale Krebsregister und die nationale Kohorte stellen für die Therapieforschung wertvolle Ressourcen dar.  
  

Wo müssten sich akademische und industrielle Forschung besser miteinander abstimmen und vielleicht enger zusammen­arbeiten?

Für die Arzneimittelentwicklung braucht die Industrie gute epidemiologische Daten aus der akademischen Forschung, um zu wissen, wie oft eine Krankheit vorkommt, wie sie verläuft, wie groß der ungedeckte medizinische Bedarf ist und an welchen Stellen verbesserte Therapien ansetzen müssten. Im Bereich der Personalisierten Medizin müssen Arzneimittelhersteller und wissenschaftliche Forschungseinrichtungen enger kooperieren. Wir wissen beispielsweise, dass heute viele Krebspatienten nicht auf die ihnen zuerst verordneten Medikamente ansprechen; eine wirksame Therapie wird erst durch Versuch und Irrtum gefunden. Um das zu ändern, gibt es große Anstrengungen, Biomarker ausfindig zu machen, die den Arzt bei der Auswahl der geeigneten Medikamente leiten. Industrie und Wissenschaft kooperieren hier mitunter schon, etwa im Rahmen der Innovative Medicines Initiative der EU, aber solche Kooperationen sollten noch ausgebaut werden!   
  

Könnten bestimmte Forschungs­infra­strukturen gemeinsam genutzt werden?

Dafür gibt es bereits gut funktionierende Beispiele wie das Lead Discovery Center in Dortmund, das als Partner für akademische wie für industrielle Projekte zur Wirkstofferfindung fungiert. Neu sind intensive Kooperationen, wie die von Bayer HealthCare mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum, oder die von Sanofi  und der Charité: Die Charité hat ein Labor eingerichtet, Sanofi finanziert es. Dort arbeiten Wissenschaftler aus dem akademischen Umfeld mit denen der Industrie wirklich Hand in Hand zusammen und lernen voneinander.  
  

Wie findet die Industrie die richtigen akademischen Partner für solche Projekte?

Dafür gibt es spezielle Scouts, die nichts anderes tun, als Patentschriften durchzusehen, wissenschaftliche Kongresse zu besuchen und Veröffentlichungen zu lesen. Außerdem gibt es zahlreiche Initiativangebote seitens der akademischen Forschung für neue Projekte zur Einlizensierung von Substanzen. Daraus suchen die Arzneimittelhersteller geeignete Projekte aus. 
  

Wie könnte eine gemeinsame Nutzung von Forschungs­infra­strukturen durch Industrie und akademische Forschung organisatorisch, rechtlich und technologisch unterstützt werden?

Wichtig sind beispielsweise die Standardisierung und Vernetzung von Biobanken, die wegen der Biomarker für die Arzneimittelentwicklung immer bedeutsamer werden. Hier kann eine Organisation wie die TMF einen wichtigen Beitrag leisten. Die TMF trägt auch wesentlich dazu bei, die IT-Infrastruktur für die patientenorientierte medizinische Forschung zu verbessern, für Datenkompatibilität, Datenschutz und Qualitätsmanagement zu sorgen und die Rahmenbedingungen für die Forschung zu verbessern.  
  

Der Berührungspunkt ist also da, wo die TMF für ein hohes Qualitätsniveau der akademischen medizinischen Forschung sorgt und Forscher auf bestimmte Missstände aufmerksam macht. So wird das Niveau der akademischen Forschung insgesamt gehoben und das nützt dann der Pharmaindustrie?

Genau – und da gibt es noch einiges zu tun. Ich erinnere an eine Diskussion über die Zuverlässigkeit der Krebsforschungs-Ergebnisse aus akademischen Einrichtungen, die kürzlich stattgefunden hat. Sie entzündete sich daran, dass oft Ergebnisse der Grundlagenforscher in Industrielabors überhaupt nicht nachvollzogen werden konnten. Das muss nicht heißen, dass die betreffenden Grundlagen-Ergebnisse falsch waren. Vielleicht waren einfach nur die Fachpublikationen darüber nicht gut oder nicht ausführlich genug geschrieben. Aber das Beispiel verdeutlicht, dass es hier noch manches zu verbessern gibt. 
  

Wie könnte die Politik die forschenden Arznei­mittel­her­steller noch besser unterstützen?

Man kann immer noch etwas besser machen, aber insgesamt sind wir zufrieden mit den Forschungsprogrammen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht hat. Damit meine ich beispielsweise die Programme zur Stärkung der klinischen Forschung und die Hightech-Strategie. Sie beinhaltet ein sehr großes Gesundheitsforschungsprogramm mit einem Schwerpunkt im Bereich der Personalisierten Medizin. Was Deutschland aber weiterhin fehlt, ist eine steuerliche Forschungsförderung. Fast alle anderen Industrienationen haben sie. 
  

Die Aufhebung des Kooperations­verbots ist im neuen Koalitionsvertrag kein Thema. Wäre das nicht verbesserungs­würdig?

Ich habe nachgefragt, warum das Kooperationsverbot im Koalitionsvertrag nicht adressiert wurde. Darauf hat man mir geantwortet, es müsse ja nicht alles im Koalitionsvertrag geregelt werden. Die Politik wisse, dass das ein brennendes Problem ist und werde sich mit Nachdruck darum kümmern. 

Poster TMF Jahreskongress 2014

© TMF e.V.

Was werden die Kern­aussagen Ihres Vortrags beim TMF-Jahres­kongress sein?

Für forschende Arzneimittel­hersteller ist eine exzellente akademische Forschung absolut essentiell. Das ist das wichtigste Kriterium unserer Mitgliedsunternehmen für die Standortwahl für ihre eigene Forschung. Die hohe Qualität der akademischen Forschung ist eine der großen Stärken Deutschlands. Es gibt bereits eine große Zahl an Kooperationen zwischen den forschenden Pharma-Biotech Firmen und der akademischen Forschung, wie ich an Beispielen zeigen werde. Diese Kooperationen sollten weiter ausgebaut werden. Denn sie sind Erfolgsfaktoren für die translationale Medizin und die schnellere Umsetzung von Forschungsergebnissen in Medikamente und neue Therapien. 
  

Herr Dr. Throm, wir danken für das Gespräch!

Das Interview führte Beate Achilles.