TMF-Veranstaltung

Die Krise als Chance: Nachhaltige Digitalisierung im Gesund­heits­system

Nationales Digital Health Symposium 2020

Live aus dem Haus der Bundes presse konferenz
10:00 – 18:15 Uhr
Nationales Digital Health Symposium 2020

Die SARS-CoV-Epidemie stellt für die sozialen Sicherungssysteme einen bislang beispiellosen Stresstest dar. Gemeinsam ist es allen Akteuren gelungen, die damit verbundenen Herausforderungen flexibel und erfolgreich zu bewältigen. Das Digital Health Symposium 2020 rückte den durch die akute Krise weiter beschleunigten digitalen Strukturwandel unseres Gesundheitswesens in den Mittelpunkt: 

Welchen Beitrag können nachhaltige Dateninfrastrukturen und digitale Versorgungsformen zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen leisten? Wie kann die Verfügbarkeit von Routinedaten aus der Patientenversorgung helfen, dauerhaft Reaktionszeiten zu verringern und zeitnah neue Erkenntnisse über Erkrankungszusammenhänge und Therapieinnovationen zu generieren? Vor dem Hintergrund der deutschen EU-Ratspräsidentschaft lag dabei ein besonderes Augenmerk auf der europäischen Ebene.

Digital Health: Begrüßung

  • Gundula Roßbach – Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V., Vorsitzende

Die Möglichkeiten, die Digitalisierung bietet, nehmen weiter exponentiell zu. Ohne die Nutzung der vielen digitalen Optionen wäre Deutschland bisher weniger gut durch die COVID-19 Pandemie gekommen. „Doch klar ist auch, da geht noch mehr“, so Gundula Roßbach, Vorsitzende der GVG und Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund. Mit Blick auf das Gesundheitswesen stehe zudem ein hohes Gut im Vordergrund. Die Digitalisierung müsse ein „Mehr“ an Gesundheit erbringen. „Damit dies gelingt, gilt es, den Prozess mit allen beteiligten Akteuren gemeinsam zu gestalten“, sagte Roßbach weiter.

Eröffnung: Begrüßung

„In der Corona-Pandemie mussten Entscheidungen über Tausende von Menschenleben und Hunderttausende von Existenzen auf der Grundlage unzulänglicher und häufig gänzlich fehlender Daten getroffen werden. Daraus ergibt sich der Auftrag, die Chancen der Digitalisierung für einen beschleunigten und umfassenderen Austausch medizinischer Daten zu nutzen, um diese und zukünftige Krisen besser zu bewältigen“, resümierte Prof. Dr. Michael Krawczak, Vorstandsvorsitzender der TMF, auf dem Nationalen Digital Health Symposium. Die durch die Corona-Pandemie verursachte Krise sei eine „Missing Data“-Krise: „Komplexe mathematische Modelle können Entscheidern in Politik und Verwaltung helfen, den weiteren Pandemieverlauf besser einzuschätzen, die Aussagekraft solcher Modelle hängt aber maßgeblich vom Umfang und von der Qualität der ihnen zugrundeliegenden Daten ab“, betonte Krawczak.

Auf dem Weg zum Europäischen Gesundheitsdatenraum: Grußwort

  • Dr. Gottfried Ludewig – Bundesministerium für Gesundheit, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation

Pandemien machen nicht an Staatsgrenzen halt. Daher ist es wichtig, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Forschende europaweit oder sogar weltweit zusammenarbeiten und Daten schnell und verlässlich austauschen können. Dr. Gottfried Ludewig, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit, zeigte sich in seinem Grußwort als großer Verfechter des europäischen Gesundheitsdatenraumes. Die Herausforderungen einer europäischen Vernetzung sind auch eines der Hauptthemen der Ende Dezember 2020 geendeten deutschen Ratspräsidentschaft. Er betonte in seinem Videostatement, dass Digitalisierung keine Worthülse sei, sondern ganz konkret die Gesundheitsversorgung der Menschen verbessere.

Keynote: Auf dem Weg zum Europäischen Gesundheitsdatenraum - Moving towards the European Health Data Space

  • Paul Timmers – SANTE, EU, Advisor on digital health to the European Commission/Directorate-General

Panel: Auf dem Weg zum Europäischen Gesundheitsdatenraum - Positionierung und Ausgestaltung eines Europäischen Gesundheitsdatenraumes

„Unsere Vision ist es, die Forschung – also die Gesundheit von morgen – zu stärken, indem wir die elektronische Patientenakte in Deutschland einführen und Schritt für Schritt forschungskompatibel weiterentwickeln“, erläuterte Dr. med. Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer der gematik. Durch die Corona-Pandemie haben die Bürgerinnen und Bürger mehr Vertrauen in die Digitalisierung von Gesundheitsdaten gewonnen, was der Umsetzung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums einen großen Schub geben wird. Vorher sind jedoch noch Hindernisse in der Dateninteroperabilität zu überwinden sowie ein klares Verständnis zum Umgang mit Gesundheitsdaten, beispielsweise hinsichtlich Datenschutz, Datenethik und Datensicherheit, zu entwickeln.

Der Einbezug der Bürgerinnen und Bürger ist essentiell, um das notwendige Vertrauen in einen grenzüberschreitenden Datenaustausch zur Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken zu schaffen. Durch die Pandemie erkennen die Menschen zunehmend die Wichtigkeit der Datennutzung für Zwecke, die das Gemeinwohl unterstützen. Prof. Dr. Barbara Prainsack von der Universität Wien betonte, dass Vor- und Nachteile der Datennutzung durch offene und ehrliche Kommunikation jederzeit benannt werden müssten, um das Vertrauen der Bevölkerung nicht zu verlieren. Durch die Pandemie haben wir gelernt, dass wir uns nicht nur um technische Interoperabilität bemühen müssen, sondern auch um soziale Interoperabilität.

Panel: Auf dem Weg zum Europäischen Gesundheitsdatenraum - Pandemien im vernetzten Austausch begegnen

  • Prof. Dr. med. Gernot Marx – Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care Universitätsklinikum Aachen, Direktor
  • PD Dr. Linus Grabenhenrich – Robert Koch-Institut, Abteilungsleitung stellvertretend - Methodenentwicklung und Forschungsinfrastruktur (MF); Fachgebietsleitung - Informations- und Forschungsdatenmanagement (MF 4)

Die Einführung des Intensivregisters bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sei ein gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung einem europäischen Gesundheitsdatenraum künftig zukommen kann. Täglich erfasst das DIVI-Intensivregister die freien und belegten Behandlungskapazitäten in der Intensivmedizin von etwa 1.300 Akut-Krankenhäusern in Deutschland. Das Register ermöglicht es in der Pandemie, und darüber hinaus, Engpässe in der intensivmedizinischen Versorgung im regionalen und zeitlichen Vergleich zu erkennen. Dadurch werden Public-Health-Entscheidungen auf tagesaktueller Datengrundlage möglich, erläuterte Linus Grabenhenrich, stellvertretender Leiter der Abteilung Methodenentwicklung und Forschungsinfrastruktur beim Robert Koch-Institut (RKI).

Keynote: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten?

Ob die COVID-19-Pandemie den Austausch digitaler Gesundheitsdaten beschleunigt – Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, zeigte sich vorsichtig. Die Frage sei, ob die Einführung digitaler Anwendungen wie der Elektronischen Patientenakte unter Pandemie-Bedingungen wirklich gelingen könne. Erst ausgereift seien sie Ärzten und anderen Anwendern in der Praxis von Nutzen. Bis das soweit sei, vergehe noch immer zu viel Zeit. Auch hätten nicht alle Patienten ein passendes Endgerät. Zudem sei hinreichender Datenschutz Voraussetzung für die Akzeptanz digitaler Dienstleistungen.

Panel: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Interoperabilität weiter gedacht: Agilität und Planbarkeit

  • Dr. med. Bernhard Tenckhoff – Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Leiter der Abteilung Innovation, strategische Analyse, IT-Beratung
  • Sebastian C. Semler – TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V., Wissenschaftlicher Geschäftsführer
  • Dr. Stefanie Weber (tbc) – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Leiterin Semantikzentrum

Soll eine eindeutige Definition und Umsetzung von Interoperabilität erreicht werden, ist es zwingend erforderlich, dass sich alle Akteure, die das gleiche Ziel anstreben, transparent untereinander abstimmen und intensiv miteinander kooperieren, zeigte sich Dr. med. Bernhard Tenckhoff von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung überzeugt.

TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler hob die Rolle der Medizinischen Forschung als Impulsgeber und Innovator für Standardisierung im Gesundheitswesen hervor. Dazu seien der Auf- und Ausbau entsprechender Kompetenzen und die tatsächliche Implementierung der Standards in das Gesundheitssystem Deutschlands zu fördern und zu evaluieren. Kompetenzkonflikte und Doppelzuständigkeiten müssten dabei vermieden werden.

Zusammen mit den Anwendern sollte die Bereitstellung internationaler Terminologien für Deutschland so ausgestaltet werden, dass eine leichte und präzise Anwendung national standardisiert ermöglicht werden kann, ohne die Endanwender zusätzlich zu belasten, riet Dr. Stefanie Weber, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Panel: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Das Potential der sektorübergreifenden ePA für Qualität und Versorgungsinnovation

  • Christian Hälker – Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), Geschäftsführer
  • Michael Weller – GKV-Spitzenverband, Leiter Stabsbereich Politik
  • Nino Mangiapane – Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Digitale Strategie und Koordination im Stabsbereich Politik, Strategie und politische Kommunikation
  • Christian Klose – Leiter der BMG-Unterabteilung "gematik, Telematikinfrastruktur, E-Health"

Die Corona-Pandemie zeigt es deutlicher denn je: Das deutsche Gesundheitswesen muss im Hinblick auf die Digitalisierung im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern rasch aufholen, zeigte sich Christian Hälker vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) überzeugt. Dazu müsse der Gesetzgeber jedoch die Regulatorik im Gesundheitswesen zurückfahren und Wege ermöglichen, um die Elektronische Patientenakte im Rahmen des Wettbewerbs weiterzuentwickeln. Nur so könnten innovative Versorgungsformen schnell ihren Weg in die medizinische Versorgung finden.

Das gehe jedoch nicht ohne Interoperabilität, stellte Nino Mangiapane, Kassenärztliche Bundesvereinigung, fest. Fehle diese Voraussetzung, werde es weder funktionsfähige Patientenakten, noch professionelle Kommunikationssysteme noch die Möglichkeit geben, aus den Daten zu lernen und die Versorgung noch besser zu machen.

Es gelte, jetzt in den Entwicklungsprozess zur Elektronischen Patientenakte einzusteigen und Erfahrungen zu sammeln, hob Christian Klose, Leiter der Unterabteilung „gematik, Telematikinfrastruktur, E-Health“ des Bundesgesundheitsministeriums, hervor.

Dabei werde man dem hohen Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung Rechnung tragen und Datenschutzbedenken ernstnehmen, versicherte Michael Weller vom GKV-Spitzenverband. Am Ende werde ein datenschutzkonformes, digitales Instrument der medizinischen Versorgung stehen.

Gespräch: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Durchbruch der Videosprechstunde bei Versicherten und Ärzten

Die Corona-Pandemie hat die Videosprechstunde nach Einschätzung von Dr. Sabine Richard vom AOK-Bundesverband um Jahre vorangebracht. Der Online-Kontakt mit dem Arzt könne die medizinische Versorgung sinnvoll ergänzen und werde auch nach der Krise Bestand haben. Voraussetzung seien allerdings stabile Internetverbindungen deutschlandweit ebenso wie ein sicheres Austauschformat. Einerseits.

Andererseits gab Dr. med. Leonor Heinz von der Koordninierungsstelle DESAM-ForNet zu bedenken: „Ob per Video oder live: Für gute Medizin braucht es einen festen ärztlichen Ansprechpartner, der den Patienten kennt.“ Wer Patientinnen und Patienten auch per Video betreue, müsse von unnötigen bürokratischen Pflichten befreit werden. Dr. Heinz regte außerdem an, das derzeit geltende Abrechnungssystem zu überdenken: Ärzte, die die „wirklich Kranken“ versorgten, sollten nicht benachteiligt werden.

Gespräch: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Daten für das lernende Gesundheitssystem von Morgen

  • Dr. Siegfried Throm – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Geschäftsführer Forschung, Entwicklung, Innovation
  • Prof. Dr. Roland Eils – Berlin Institute of Health (BIH) , Gründungsdirektor des BIH-Zentrums Digitale Gesundheit

Digitale, strukturiert vorliegend Gesundheitsdaten bieten laut Dr. Siegfried Throm vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller großes medizinisches Potenzial: Sie können die Entwicklung und Anwendung neuer Therapien beschleunigen und sicherer machen. Bei digitalen Gesundheitsdaten sei der Datenschutz gewahrt. Es gehe nicht um individuelle, sondern anonymisierte Gesundheitsdaten bei großen Fallzahlen.

Zuerst sei aber wichtig, die mit Blick auf digitale Anwendungen und Datenabgabe mehrheitlich skeptische deutsche Bevölkerung von deren Ziel und Zweck zu überzeugen. Dies könne nur durch maximale Transparenz gelingen, so Prof. Dr. Roland Eils vom Berlin Institute of Health.

Keynote: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Eckpunkte einer KI-Praxis im Gesundheitswesen

  • Dr. Bodo Liecker – Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG), Vorsitzender der Facharbeitsgruppe Digitalisierung und eHealth

Dr. Bodo Liecker, Vorsitzender der GVG-Facharbeitsgruppe Digitalisierung und eHealth, betonte, dass Künstliche Intelligenz, die der Diagnosestellung diene, den patientenrelevanten Nutzen unter Beweis stellen müsse. Die Entscheidungshoheit in Gesundheitsfragen müsse weiter bei den Patientinnen und Patienten sowie den Behandlern bleiben. So laute eine der zentralen Forderungen aus dem Mitte 2020 veröffentlichten GVG-Eckpunktepapier zur Künstlichen Intelligenz. Verantwortungslücken seien durch die Anpassung des Haftungsrechts zu schließen.

Panel: COVID-19 als Beschleuniger des Austauschs digitaler Gesundheitsdaten? - Vertrauenswürdige KI: Der europäische Weg

  • Andreas Kassner – Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg), Stellvertretender Vorsitzender
  • Marco-Alexander Breit – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Leiter Stabstelle Künstliche Intelligenz
  • Prof. Dr. Hannah Bast – Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Professur für Algorithmen und Datenstrukturen

„Entwicklungen und Maßnahmen zur Künstlichen Intelligenz müssen europäisch ausgerichtet sein“, forderte Andreas Kassner vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg). Es seien Prozesse zu definieren, wie Daten gewonnen werden und wo die Verantwortlichkeiten für die Qualitätskontrolle liegen sollen.

Noch gebe es aber in Deutschland „wahrscheinlich so viele verschiedene Systeme und Datenformate wie Krankenhäuser“, stellte Prof. Dr. Hannah Bast, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, fest. Das mache einen Austausch der Daten in der Praxis oft unmöglich. Auch fehlende Technikkompetenz in der Politik erkläre zu einem großen Teil den digitalen Stillstand bzw. den extrem langsamen Fortschritt in vielen Bereichen. Das Zusammenführen von Daten in große Datensätze sei aber eine Grundvoraussetzung für viele Methoden der Künstlichen Intelligenz.

In dieser Hinsicht sei die öffentliche Debatte noch zu sehr emotional aufgeladen, gab Marco-Alexander Breit aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu bedenken. Daher sei es notwendig, Künstliche Intelligenz so zu regulieren, dass Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung in digitale Methoden und Anwendungen wachsen könne, gleichzeitig aber Innovationen nicht blockiert würden.

Keynote: Datenschutz, Patientenemanzipation und Folgenabschätzung eines digitalisierten Gesundheitssystems - Ein Code of Conduct für den Europäischen Gesundheitsdatenraum

  • Michaela Mayrhofer – European Research Infrastructure for Biobanking (BBMRI-ERIC), Head of ELSI Services and Research

Dr. Michaela Mayrhofer von europäischen Biobankennetzwerk BBMRI-ERIC stellte einen Code of Conduct für die Nutzung persönlicher Daten in der Gesundheitsforschung für den europäischen Gesundheitsdatenraum vor, an dem BBMRI-ERIC bereits seit drei Jahren arbeitet. Dabei haben sich drei Hauptthemen herauskristallisiert: der rechtliche Aspekt der Einwilligung, die Anonymisierung der Daten sowie die Überwachung der Einhaltung der definierten Regeln. Ziel sei es, gesetzlichen Vorgaben in Handlungsoptionen zu übersetzen. Eine der größten Herausforderungen war es, ein gemeinsames Verständnis für eine Terminologie zu finden.

Gespräch: Datenschutz, Patientenemanzipation und Folgenabschätzung eines digitalisierten Gesundheitssystems - Einen vertrauensvollen rechtlichen Rahmen für Gesundheitsdaten schaffen

Der Rechtsrahmen für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten Deutschland ist vielfältig, unübersichtlich und in mancher Hinsicht widersprüchlich. Dieser unübersichtliche Zustand führt dazu, dass die Anforderungen von Datenschutz und Patientengeheimnis oft nicht gekannt und missachtet würden. Eine Rechtsharmonisierung sei dringend nötig, forderte Dr. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise. Die Coronakrise habe die Notwendigkeit einer Europäisierung des Gesundheitsrechts deutlich gemacht.

Der Einbezug der Bürgerinnen und Bürger ist essentiell, um das notwendige Vertrauen in einen grenzüberschreitenden Datenaustausch zur Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken zu schaffen. Die Einwilligung der Patientinnen und Patienten sei Grundvoraussetzung, um medizinische Daten für die Forschung nutzen zu können. Mit der breiten Einwilligung auf Basis der EUDSGVO der Medizininformatik-Initiative spiele Deutschland beim Thema Consent jetzt ganz vorn mit, so Prof. Dr. Dr. Daniel Strech vom Berlin Institute of Health. Der Consent sei eine wichtige Säule der Patientenautonomie.

Gespräch: Datenschutz, Patientenemanzipation und Folgenabschätzung eines digitalisierten Gesundheitssystems - Welche Ansprüche haben Patientinnen und Patienten an den Nutzen digitaler Patientenakten und -Gesundheitsanwendungen?

  • Jan Kuhlmann – Patientenrechte und Datenschutz e. V., Vorsitzender

Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins Patientenrechte und Datenschutz, betonte, dass die Digitalisierung kein Selbstzweck sein dürfe und der Fokus der Diskussion sich stärker auf die Patientenrechte richten müsse. Der Patient sollte in der elektronischen Patientenakte die Hoheit über seine Daten haben, so Kuhlmann. Weiterhin müsse die Möglichkeit gestärkt werden, dass Patientinnen und Patienten die Daten selbst verwalten und entscheiden, wer welche Informationen einsehen kann.

Video-Schalte: Europäische Perspektive: Lessons learned aus COVID-19 - Stresstest: Digital Health-Strategien und COVID-19

  • Ofir Marer – Ministerium für Gesundheit des Staates Israel, Head of Policy and Regulation in the Digital Health Division
  • Annemieke Ålenius – Swedish eHealth Agency, Director

Einen Blick über den nationalen Tellerrand boten Gastrednerinnen und -redner aus Schweden und Israel. Die Erfahrungen und ersten Schlüsse aus der COVID-19-Pandemie ähneln denen der deutschen Expertinnen und Experten. Die besten digitalen Gesundheitsanwendungen nützten nur dann etwas, wenn die Menschen Vertrauen in deren Sicherheit hätten, zeigte sich Annemieke Ålenius, Swedish eHealth Agency, überzeugt. Man müsse mit Patienten und Medizinern im Gespräch bleiben und über den Nutzen der Datenspeicherung aufklären.

Ähnlich sah es Ofir Marer vom Ministerium für Gesundheit des Staates Israel. Es sei wichtig, nationale Strategien zu entwickeln, die die Organisationen des Gesundheitswesens, die Politik, die Wissenschaft und die Öffentlichkeit einbeziehen. Auf den Punkt gebracht: „Aus der Krise lernen, Strategien anpassen, handeln“.

Schlusswort

Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wo die Schwachstellen des deutschen Gesundheitssystems liegen. Unabhängig vom derzeitigen COVID-19-Krisengeschehen muss Deutschland in der Digitalisierung aufholen, um für zukünftige Krisen besser gewappnet zu sein. Die COVID-Krise hat deutlich gezeigt, wie notwendig ein interoperables Gesundheitssystem ist, in welchem Gesundheitsdaten über IT-Systeme und Institutionen hinweg ausgewertet und nachgenutzt werden können. Interoperabilität ist eine Grundvoraussetzung dafür. Hier gibt es großen Nachholbedarf, der mit einer größeren Geschwindigkeit des digitalen Wandels einhergehen muss.