Stellungnahme der TMF zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG)
Berlin, 7. November 2014.
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TMF e.V.
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10117 Berlin
Die TMF nimmt zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung wie folgt Stellung:
Zu § 92a und § 92b:
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz plant die Bundesregierung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einen Innovationsfonds zur Förderung innovativer Versorgungsformen sowie zur Förderung der Versorgungsforschung einzurichten. Ab dem Jahr 2016 sollen dafür jährlich 300 Millionen Euro von den Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt werden. Für die Versorgungsforschung sind im Innovationsfonds jährlich 75 Millionen Euro vorgesehen. Die TMF begrüßt, dass in Deutschland erstmals in großem Umfang Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Versorgungsforschung zu fördern und damit die Möglichkeit zu schaffen, die aktuelle Versorgungssituation systematisch zu evaluieren und mit Blick auf langfristige Versorgungsziele Weiterentwicklungspotenziale aufzuzeigen. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die verpflichtende Verknüpfung von Projekten zur Erprobung innovativer Versorgungsformen mit wissenschaftlicher Begleitforschung. Nur durch ein solches Junktim lässt sich eine Evidenzlage schaffen, die es erlaubt, erfolgreiche Projekte zu identifizieren und in die Regelversorgung zu überführen.
Valide wissenschaftliche Evidenz setzt vor allem unabhängige, nicht interessengeleitete Forschung voraus. Daher begrüßt die TMF ausdrücklich, dass die Rolle universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen als mögliche Antragsteller im Bereich der Versorgungsforschung hervorgehoben wird. Allerdings sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die derzeit im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen ein deutliches Ungleichgewicht festschreiben würde zwischen den in § 92a Abs. 1 Satz 5 genannten Einrichtungen, die sowohl im Innovationsausschuss über inhaltliche Schwerpunkte der Bekanntmachungen, Förderkriterien und die Auswahl der förderwürdigen Projekte entscheiden und gleichzeitig auch die Rolle eines Antragsstellers einnehmen können, und auf der anderen Seite den wissenschaftlichen Einrichtungen, die weder ein Stimmrecht noch ein Mitspracherecht im Innovationsausschuss haben. Es ist inhaltlich nachvollziehbar, dass Krankenkassen, Vertragsärzte, Krankenhäuser und weitere Akteure der Versorgung eng in die Themenfindung für die Forschungsförderung eingebunden werden sollen, um sicherzustellen, dass Fragen, Probleme und Evidenzlücken der Versorgung auch bedarfsgerecht adressiert werden. Allerdings sollte gerade bei der Festlegung von Förderkriterien die Expertise der Wissenschaft hinsichtlich guter Forschungspraxis eingebunden werden, um eine qualitativ hochwertige und nachhaltig ausgerichtete Forschung sicherzustellen. Darüber hinaus wäre es zu begrüßen, wenn die fachliche Begutachtung der Förderanträge – wie in anderen Bereichen der Forschungsförderung seit Jahren üblich und etabliert – durch ein unabhängiges Gutachterverfahren erfolgen würde und nicht allein zwei Instituten, namentlich dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz nach § 137a, vorbehalten würde.
Karl Lauterbach und Jens Spahn hatten in ihrer öffentlichen Stellungnahme zu den Koalitionsvereinbarungen zum Innovationsfonds bereits ein anderes Vorgehen skizziert. Danach sollten IQWiG und Qualitätsinstitut in die erste Stufe der Begutachtung einbezogen werden, die Zweitbewertung hingegen sollte durch externe Gutachter erfolgen.
Als weiteres Anliegen der Koalitionsfraktionen hatten Lauterbach und Spahn in ihrem Papier auch die Verbesserung der Datenlage und die Bearbeitung methodischer Fragestellungen als Ziele der Forschungsförderung aus dem Innovationsfonds benannt. Diese Ziele sind äußert begrüßenswert, da sich die Versorgungsforschung derzeit noch in der Entwicklung befindet und sich mit dem Innovationsfonds die Chance bietet, diesen Wissenschaftszweig auch methodisch und infrastrukturell zu stärken. Daher spricht sich die TMF vor dem Hintergrund ihrer eigenen 15-jährigen Erfahrung mit der Begleitung von Infrastrukturentwicklungen in der medizinischen Forschung sehr dafür aus, beim Innovationsfonds von Anfang an den Aufbau einer Begleitstruktur einzuplanen, die den Austausch zu methodischen Fragen und die projektübergreifende Zusammenarbeit beim Aufbau der Infrastrukturen gewährleistet (z.B. hinsichtlich Datenintegration, Datensicherheit, Datenqualität und langfristiger Datennutzbarkeit). Eine derartige Begleitstruktur würde die Nachhaltigkeit von Versorgungsforschungsprojekten wesentlich stärken und auch dafür sorgen, dass Forschungsprojekte kostengünstiger durchgeführt werden. Hierbei kann an bestehende Strukturen und Vorerfahrungen aus anderen Bereichen angeknüpft werden, z.B. der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten medizinischen Verbundforschung.
Die im Gesetzesentwurf formulierte Zielsetzung, die Telemedizin als Schwerpunkt der Förderung neuer Versorgungsformen auszuweisen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings muss bei der Auswahl und Evaluation entsprechender Projekte sichergestellt werden, dass übergreifend nutzbare Verfahren und Infrastrukturen der Gesundheitstelematik etabliert und genutzt werden, z.B. die Leistungserbringerkommunikation der Telematikinfrastruktur der Patientenversorgung (gematik) sowie etablierte Datenmanagement- und Datenschutzkonzepte in der medizinischen Forschung. Insbesondere ist eine Berücksichtigung und Stärkung von Standardisierung und Interoperabilität zwingend notwendig, um telemedizinische Angebote nachhaltig gestalten zu können.
Die vorgesehene Förderung von telemedizinischen Evaluationsprojekten wird nicht die evidenten Schwierigkeiten zur Definition von konkreten konsentierten und erstattungsrelevanten Evaluationskriterien beseitigen.
Zu § 137h:
Für die im Entwurf angekündigte Regelung zur Nutzenbewertung von Medizinprodukten gilt in besonderem Maße, dass auf diesem Feld Methodenentwicklung und Methodenabstimmung gefördert und gestärkt werden müssen. Dabei werden die systematische Erschließung primärer Versorgungsdaten und die Etablierung adaptiver Verfahren der Nutzenbewertung eine maßgebliche Rolle spielen, was wiederum die breite Einbeziehung von Leistungserbringern, Industrie und unabhängiger Wissenschaft erforderlich macht.