Die TMF als Enabler für One-Health-Forschung

Wissenschaft an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt

Der Mensch kann ohne Tiere nicht leben. Aber überall dort, wo Mensch und Tier in Kontakt kommen, tauschen sie sich aus. Wie sich die damit gegebenenfalls verbundenen Risiken minimieren lassen, und wie die Gesundheit von Mensch und Tier von einer gesunden Umwelt abhängt, damit beschäftigt sich die One-Health-Forschung. Die Pandemie hat die große Bedeutung dieses stark interdisziplinären Forschungsfelds sehr anschaulich gemacht.

Eine Hand hält ein Mobile, dessen Hauptstrang von einer Erdkugel umhüllt wird. Unten balancieren drei Waagschalen, auf denen sich jeweils Menschen, Bäume und Tiere befinden.

Schon Rudolf Virchow wusste, dass die Gesundheit der Menschen eng mit jener der Tiere zusammenhängt. Wie eng, das hat zuletzt die Covid-Pandemie schmerzhaft gezeigt. In der Pandemie wurde auch mehr als deutlich, dass es nicht nur um Krankheitserreger geht, sondern auch darum, wie der Mensch mit natürlichen Ökosystemen umgeht – und wie er sich im Alltag verhält.
 

One Health: Worum geht es da eigentlich?

Licht in diese komplexen Zusammenhänge zu bringen, um Krankheiten bis hin zu Pandemien zu vermeiden, das will der Forschungsbereich One Health. Hervorgegangen aus der Zusammenarbeit in der Zoonosenforschung geht die One-Health-Community über die Kernklientel der Human- und Veterinärmediziner hinaus. Auch Umwelt- und Sozialwissenschaft, Psychologie und andere Fachbereiche sind gefragt. Es gilt, vielfältige Datenquellen, Bioproben und Forschungsmethodiken zusammenzubringen – und daraus Wissen zu generieren, das der Menschheit weiterhilft.

Zu abstrakt? Drei Beispiele:

  • Antibiotikaresistenzen und deren Eindämmung: Nachhaltige Fortschritte wird es hier nur geben, wenn an mehreren Fronten Verbesserungen erzielt werden – beim Einsatz von Antibiotika in der Human- wie der Tiermedizin, bei der kommerziellen wie der privaten Tierhaltung und bei der Suche nach neuen antimikrobiellen Substanzen in bisher untererforschten, natürlichen Ökosystemen.
     
  • neu auftretende Zoonosen: Sie werden oft zuerst im Rahmen veterinärpathologischer Untersuchungen entdeckt – und genau an dieser Stelle befindet sich der erste Ansatzpunkt für (human)präventive Maßnahmen.
     
  • Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung: Sie schädigen natürliche Ökosysteme und deren Bewohner, was wiederum die Ausbreitung von Zoonosen begünstigt. Umgekehrt kann „Ökosystempflege“ präventives Potenzial haben.
     

Data Linkage für die One-Health-Forschung

Was spannend ist an der One-Health-Forschung, ist das, was sie herausfordernd macht: Heterogene Forschungsressourcen werden bislang von unterschiedlichen Disziplinen meist separat genutzt. Damit aber auch eine gemeinsame Nutzung effizient funktionieren kann, sollten digitale Daten zugänglich und zusammenführbar sein. Es sollte einen fachübergreifenden, sicheren und kooperativen Zugang zu Biomaterialressourcen geben. Und es sollte methodisch ein Wissenstransfer stattfinden, damit One-Health-Forschungsfragen auf dem aktuellen Stand der Forschung aller beteiligten Fachrichtungen bearbeitet werden können.

So viel Interoperabilität im weitesten Sinne muss bei einem interdisziplinären Forschungsgebiet wie One Health aber erst einmal etabliert werden. So entspringen der veterinärmedizinischen Forschung eine große Zahl und Vielfalt an Daten – auch aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Digitalisierungsverfahren in der Nutz-, Heim- und Wildtierforschung, die sehr viel umfassender und integrierter ausgewertet werden müssen, als dies bisher geschieht. Hier sollte die One-Health-Forschung von Tools, Standards und Best Practices aus dem humanmedizinischen Bereich profitieren. Dies gilt umso mehr, als die Datenquellen der One-Health-Disziplinen sich oft überlappen. Georeferenzierte Daten etwa sind in der Veterinärmedizin, den Umwelt- und Ernährungswissenschaften und – bei Epidemien – der Humanmedizin gleichermaßen wichtig.

One Health

Der Begriff One Health wurde unter anderem geprägt durch den US-Veterinärmediziner Calvin W. Schwabe zu Ende des 20. Jahrhunderts. Damals bezog er sich auf die Erforschung von Zoonosen und besagte, dass die Gesundheit von Mensch und Tier eng zusammenhänge. Heute ist die One-Health-Definition deutlich breiter und bezieht auch Umwelt-, Ernährungs- und Sozialwissenschaften mit ein. Das One Health High-Level Expert Panel (OHHLEP), ein Beratungsgremium für WHO, WOAH, FAO und UNEP, definiert One Health als integrierten, vereinheitlichenden Ansatz, der darauf abzielt, die Gesundheit von Mensch, Tier und Ökosystemen auszubalancieren und zu optimieren.

TMF kann One-Health-Forschung vielfältig unter­stützen

Konkret zeigen sich drei Bereiche, in denen es sich für die One-Health-Forschung lohnen kann, auf das Wissen und die Netzwerke der TMF zurückzugreifen. Da sind zum einen Infrastrukturthemen im engeren Sinne, insbesondere die beiden „Großthemen“ der Daten- und der Biomaterialien-Infrastrukturen. Daten strukturiert und übergreifend zur Verfügung zu stellen, hilft nicht nur der human- und tiermedizinischen Versorgungsforschung, sondern kann auch zum Beispiel für die Umweltwissenschaft einen Quantensprung bedeuten. Auch von den „humanmedizinischen“ Erfahrungen mit digital vernetzten und hinsichtlich Datenschutz und Probenmanagement vereinheitlichten Biobanken könnten andere profitieren – und umgekehrt profitiert natürlich auch die humanmedizinische (Pandemie-)Forschung davon, wenn Daten der veterinärmedizinischen Forschung niedrigschwelliger als bisher genutzt werden könnten.

Der zweite Bereich, in dem die TMF der One-Health-Forschung Impulse geben kann, ist das Community-Building. Hier haben sich im humanmedizinischen Bereich Veranstaltungsformate und Arbeitsgruppen der TMF außerordentlich bewährt. Dies hat sich bereits auch in der Zoonosenforschung bewährt, die in der TMF in früheren Förderperioden einen großen Stellenwert hatte. Nicht zuletzt junge Forscherinnen und Forscher profitierten und profitieren von dieser Art Netzwerkarbeit.

Der dritte Bereich und ein Kernthema der TMF von der Gründung bis heute ist die Sensibilisierung der politischen Öffentlichkeit für Themen, Probleme und Regulierungsbedarfe im Zusammenhang mit der vernetzten Verbundforschung. Hier sind bisherige Regulierungen traditionell getrennt erfolgt, so dass die interdisziplinäre Perspektive im jungen One-Health-Feld noch wichtiger ist als anderswo.

Zoonosen

Zoonosen sind Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und umgekehrt. Typische Beispiele sind die Tollwut, die Pest, die Salmonelleninfektion, die Vo-gel- und die Schweinegrippe oder auch Covid-19. Zoonosen begleiten die Menschheit als relevante gesundheitliche Geißel quasi seit Anbeginn. In der modernen Welt stellen sie ein besonderes Risiko dar, weil sie sich dank hoher Bevölkerungsdichte und intensivem inner-staatlichem und internationalem Reiseverkehr und Transport in einigen Fällen rasant aus-breiten können – und weil unter anderem durch die wachsende Weltbevölkerung der Druck auf natürliche Ökosysteme in aller Welt zunimmt.

Fazit

Die TMF hatte neben ihrem Engagement für Medizininformatik, medizinische Register und Genomforschung in den ersten zwei Jahrzehnten ihres Bestehens auch im Kontext der deutschen Zoonosenplattform eine prägende Rolle und verfügt weiterhin über umfangreiche Kontakte und tiefes Wissen um die spezifischen Herausforderungen. Davon kann das breiter als die Zoonosenforschung aufgestellte Forschungsgebiet der One-Health-Forschung profitieren, zumal sich viele der von der TMF bearbeiteten Themen im stark interdisziplinären, mit einer Vielzahl von Datenquellen und -inhabern hantierenden One-Health-Feld in ähnlicher Weise oder sogar noch pointierter stellen als in der Humanmedizin. Eine engere Zusammenarbeit zwischen TMF und One Health Community wird sich perspektivisch für alle Seiten auszahlen.

Die One-Health-Forschung sollte von Tools, Standards und Best Practices aus dem human­medi­zinischen Bereich profitieren.

Über den Autor

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Prof. Dr. rer. nat. Lothar Kreienbrock ist Direktor des Instituts für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Er forscht u. a. zu epidemiologischen Methoden in der Veterinärmedizin mit besonderen Schwerpunkt auf One Health. Kreienbrock war viele Jahre lang Vorstandsmitglied der TMF.

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Prof. Dr. rer. nat. Klaus Jung leitet am Institut für Tiergenomik der Tierärztlichen Hochschule Hannover die AG Genomik und Bioinformatik der Infektionskrankheiten. Er forscht zu bioinformatischen Methoden zur Analyse molekularbiologischer Hochdurchsatzdaten („OMICs“-Daten) im veterinärmedizinischen Umfeld und ist seit 2024 Mitglied im Vorstand der TMF.