Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Strahlenschutzgesetz
Berlin, 21. Oktober 2016. Mehrere Organisationen, Verbünde und Verbände nehmen aus Sicht der medizinischen Forschung Stellung zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) für ein Strahlenschutzgesetz.
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Hiermit möchten die genannten Organisationen, Verbünde und Verbände aus Sicht der medizinischen Forschung zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) für ein Strahlenschutzgesetz Stellung nehmen.
- Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKSN)
- MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland
- Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD)
- TMF Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung
- Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN)
- Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)
- Deutsche Gesellschaft für Radiologie (DRG)
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)
- Deutsche AIDS-Gesellschaft
- Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
- Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (dgi)
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK)
- Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
- Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
- Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
- Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
- Allianz gegen Brustkrebs
- Bürgerinitiative Gesundheit
- LeukaNET
- Stiftung PATH Patients‘ Tumor Bank of Hope
- RLS Deutsche Restless Legs Vereinigung
- Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI)
- Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa)
- Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH)
- Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute (BVMA)
- Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland (BIO Deutschland)
- SPECTARIS – Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien
Die Organisationen, Verbünde und Verbände haben sich zu einer gemeinsamen Stellungnahme entschieden, da zentrale Punkte des Referentenentwurfs, die die medizinische Forschung betreffen, von uns inhaltlich gleich bewertet werden. Neben dieser gemeinsamen Stellungnahme werden von einzelnen, diese gemeinsame Stellungnahme tragenden Organisationen ggf. darauf aufbauende oder ergänzende Stellungnahmen versandt, die nochmals detailliert einzelne Aspekte dieser Stellungnahme hervorheben bzw. die sich auf weitere Punkte des Referentenentwurfs beziehen, die über diese Stellungnahme hinausgehen.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass das BMUB in seinem Referentenentwurf für Forschungsvorhaben, bei denen die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung lediglich begleitenden diagnostischen Zwecken dient und nicht selbst Zweck des Forschungsvorhabens ist, ein Anzeigeverfahren mit Fristen vorsieht und damit jahrelangen Forderungen aus Kreisen der medizinischen Forschung entspricht. Allerdings sehen wir an dieser Stelle noch Nachbesserungsbedarf, sowohl was die Fristen, als auch was andere mit dem Verfahren zusammenhängende Fragen anbelangt. Gerade weil es sich bei der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung bei diesen medizinischen Forschungsvorhaben lediglich um begleitende Diagnostik handelt, sollte eine Parallelität der Verfahren gewährleistet werden. Damit deutsche Patienten an dem Therapiefortschritt unmittelbar teilhaben können, ist es wichtig, dass das Verfahren durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bei diesen Vorhaben nicht zu Verzögerungen führt. Dies ist gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Therapieerfolg bei klinischen Prüfungen zunehmend mit modernen Bildgebungsverfahren überprüft wird, von Bedeutung. Eine solche Überprüfung mit modernen Bildgebungsverfahren wird beispielsweise weltweit immer öfter für die Zulassung von Arzneimitteln, z. B. gegen Krebserkrankungen, Osteoporose oder Alzheimer, von den Zulassungsbehörden gefordert. Auch andere Vorgaben, wie beispielsweise der Prozess der Einholung der zustimmenden Stellungnahme einer Ethik-Kommission, sollten sich an den Vorgaben der „führenden“ Verfahren orientieren.
Unverständlich ist für uns, dass der Referentenentwurf nach wie vor keine Fristen für die medizinischen Forschungsvorhaben vorsieht, für die eine Genehmigung erforderlich ist. Auf die Notwendigkeit solcher Fristen für diese Forschungsvorhaben hatten wir wiederholt hingewiesen. Die Genehmigungszeiten für diese Forschungsvorhaben sind bisher weder verlässlich, noch zeitlich angemessen. Ein fristungebundenes Genehmigungsverfahren ist daher ein aus Sicht des Antragstellers hinsichtlich dringend gebotener Planungssicherheit inakzeptabler Umstand. Wir erachten daher eine Anpassung für dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass Patientenschutz für uns auch bedeutet, einem Patienten in einem adäquaten Zeitraum die für ihn möglicherweise letzte Therapieoption zur Verfügung zu stellen.
Zu der in diesem Entwurf erneut betonten Sonderstellung der Euratom-Richtlinie möchten wir Folgendes anmerken:
- Wir erkennen an, dass das Strahlenschutzrecht gegenüber dem Arzneimittelrecht und Medizinprodukterecht eigenständig ist. Dies haben wir nie in Frage gestellt.
- Wir haben nie bezweifelt, dass diese Vorgaben auf europarechtlich unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen.
Dies bedeutet nach unserer Einschätzung jedoch nicht, dass
- diese Sonderstellung einer Regelung entgegenstehen würde, die für alle Genehmigungsverfahren für klinische Studien mit ionisierender Strahlung Fristen vorsieht (wie es ja in anderen Ländern, die ebenfalls den Euratom-Vertrag unterzeichnet haben, bereits seit Jahren üblich ist). In der Euratom-Richtlinie sind lediglich keine Fristen vorgegeben, in der Euratom-Richtlinie wird aber nicht explizit dargelegt, dass sich Fristen in den Genehmigungsverfahren nicht mit der Richtlinie vereinbaren ließen.
- die Sonderstellung einer Parallelität der Genehmigungsverfahren des Bundesamtes für Strahlenschutz und anderer Bundesoberbehörden entgegenstünde.
Einen Konfliktfall, in dem das Primär- wie Sekundärrecht der Europäischen Atomgemeinschaft dem Recht der Europäischen Union vorgehen würde, können wir hier nicht erkennen.
Wir denken, dass es im Sinne der durch das BMUB in der Begründung zu Artikel 1 § 31 angeführten, von der Richtlinie vorgesehenen abgestuften Vorgehensweise bei der regulatorischen Kontrolle ohne weiteres möglich sein sollte, für das vollumfängliche Verfahren Fristen einzuführen. Diese könnten dann – ggf. abgestuft nach Art der medizinischen Forschungsvorhaben – länger sein als die für das Anzeigeverfahren vorgesehenen Fristen.
Ein solches Vorgehen bei Anzeige- und Genehmigungsverfahren wäre ein sachgerechter Lösungsansatz, wie er beispielsweise im Rahmen des Pharmadialogs auf Bundesebene bzw. in regionalen Pharmadialogen bzw. Pharmagipfeln auf Landesebene wie auch vom Bundesrat als notwendig erachtet wurde.
Eine Befristung des Gesamtprozesses würde auch einen Beitrag zu einer verbesserten Personalplanung für das BfS leisten, da erst auf der Grundlage eines abgeschätzten Antragsaufkommens in Kombination mit gesetzlich geregelten Fristen eine zuverlässige Personaldisposition und ggf. Personalakquise vorgenommen werden können. Um die Einhaltung der Fristen sicherstellen zu können, sollten dem zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz für den Bereich der Bewertungsverfahren der medizinischen Forschung dann die auf einer solchen Planung beruhenden erforderlichen personellen Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Es sollte daher unseres Erachtens bei dem unter E.3 aufgeführten Erfüllungsaufwand für die Verwaltung bei den Personalkapazitäten explizit vorgesehen werden, weitere Stellen für die Genehmigungsverfahren im Bereich medizinischer Forschung zu schaffen, damit die zuständige Abteilung „Medizinischer und beruflicher Strahlenschutz“ am BfS in den Stand versetzt wird, ihre Aufgaben in angemessener Frist zu erfüllen. Es sollte dabei auch darüber nachgedacht werden, die Vergütung der Positionen bedarfsgerecht anzupassen, um eine Besetzung ausgeschriebener Stellen zu gewährleisten.
Anmerken möchten wir, dass der Gesetzentwurf an vielen Stellen auf Rechtsverordnungen verweist, die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden sollen. Von einem solchen Instrument sollte unseres Erachtens möglichst wenig Gebrauch gemacht werden und nur dann, wenn dies notwendig ist, um erforderlich gewordene Anpassungen in spezifischen Zeitabständen vornehmen zu können (z. B. Grenzwertfestlegung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse). Hiervon nicht betroffene Punkte sollten möglichst bereits im Rahmen dieses Gesetzes abschließend geregelt werden.
Zusammenfassend ist es unserer Auffassung nach erforderlich, den Abschnitt 5 „Medizinische Forschung“ des Referentenentwurfs für ein „Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung“ nochmals grundlegend zu überarbeiten. Folgende Kernpunkte sehen wir für diese Anpassung:
1) Trennung der Regelungen zur medizinischen Exposition von anderen Expositionsarten bzw. klarere Strukturierung innerhalb des Strahlenschutzgesetzes
Wir begrüßen, dass die übergreifenden Aspekte medizinischer Forschung zukünftig in einem einzigen Gesetz und nicht mehr in getrennten Verordnungen (Röntgen-/Strahlenschutzverordnung) geregelt werden sollen. Aus Anwendersicht halten wir es aber für wünschenswert, den Bereich der medizinischen Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung weitgehend von anderen Regelungsbereichen des Strahlenschutzgesetzes zu trennen und hierfür ein separates Regelwerk zu schaffen. Dies würde zum einen für übersichtliche und vollzugsfreundliche Regelungen sorgen, wie sie ja Ziel des BMUB für diesen Gesetzentwurf waren. Zum anderen würde ein eigenständiges Gesetz für medizinische Anwendungen schnellere Anpassungen an Änderungen in der für einen großen Teil der Anwendungen ebenfalls geltenden Spezialgesetzgebung (wie Arzneimittelgesetz und Medizinproduktegesetz bzw. die entsprechenden gesetzlichen Regelungen auf europäischer Ebene) erlauben.
Sofern dies nicht möglich ist, sollte zumindest innerhalb des Gesetzentwurfs klarer strukturiert werden. So ist es in der derzeitigen Entwurfsfassung für den Anwender des Gesetzes nicht einfach, alle für medizinische Anwendungen bzw. medizinische Forschung geltenden Bestimmungen übersehen zu können. Von dem dargelegten Ziel, den „Strahlenschutz übersichtlich und vollzugsfreundlich zu gestalten“ ist der Entwurf daher noch weit entfernt.
Ein weiterer, in unseren Augen nicht unbedeutender Aspekt: aufgrund der derzeitigen Struktur des Gesetzes und der Vielzahl der Regelungen befürchten wir, dass die Verabschiedung des Strahlenschutzgesetzes nicht so rechtzeitig erfolgt, dass mit der Anwendung der Verordnung EU 536/2014 auch die Neuregelungen im Strahlenschutzrecht bereits Gültigkeit erlangen. Dies ist unbedingt zu vermeiden.
2) Anzeigeverfahren für Begleitdiagnostik:
Der Grundansatz, für Begleitdiagnostik ein mit Fristen versehenes Anzeigeverfahren vorzusehen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings verhindern die in dem Referentenentwurf vorgeschlagenen Regelungen immer noch eine Parallelität der Verfahren für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln. Gerade für Begleitdiagnostik, bei der die medizinischen Forschungsvorhaben immer auch an die für die „führenden“ Bereiche geltenden entsprechenden EU-Verordnungen bzw. das Arzneimittelgesetz und Medizinproduktegesetz mit den darin formulierten Fristen und Verfahren gebunden sind, ist das problematisch.
So könnten Änderungen, die durch das Bundesamt für Strahlenschutz auf der Basis seiner Bewertung gefordert würden, nur dann berücksichtigt werden, wenn diese bereits vor der Stellungnahme der für das Forschungsvorhaben zuständigen Bundesoberbehörde/Ethik-Kommission vorliegen würden. Falls dies nicht der Fall wäre, würden spätere Änderungswünsche des BfS zu einem Ausschluss der deutschen Prüfzentren von der Teilnahme an der klinischen Prüfung führen. Wir denken nicht, dass dies gewünscht sein kann.
Die Fristen innerhalb des Anzeigeverfahrens sollten sich daher nach den für den Arzneimittel- bzw. Medizinproduktebereich geltenden Fristen richten und so gewählt werden, dass die Bewertung des BfS mit in die nationale Bewertung einfließen kann. Sowohl die Fristen für die Validierung der Unterlagen (§ 31 Abs. 5), als auch die Fristen für die inhaltliche Prüfung (§ 31 Abs. 6) sollten daher entsprechend angepasst werden, um dieses zu gewährleisten (siehe Kommentare im Einzelnen). Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass es sich bei den Fristen im EU-Verfahren für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln um Maximalfristen handelt. Anmerken möchten wir daher auch, dass es wichtig wäre, elektronische Wege der Übermittlung zu wählen, um Verzögerungen auszuschließen.
Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass „die Fristen für die Prüfung unter der Maßgabe festgelegt wurden, dass der zuständigen Behörde in jeder Phase des Verfahrens eine Prüfung in ausreichendem Umfang und mit der erforderlichen Tiefe möglich sein muss“ und „…dass der notwendige Schutz der Studienteilnehmer gewährleistet ist“ begründet kein Abweichen von einer Parallelität der Verfahren, zumal es sich um medizinische Forschungsvorhaben handelt, bei denen Standardverfahren zur begleitenden Diagnostik eingesetzt werden.
Unklar ist, welche Dokumentation für eine vollständige Anzeige einzureichen ist. So könnte die Formulierung in § 31 (2) Nr. 7, 8 StrlSchG so gedeutet werden, dass erneut die Einreichung von Betriebs- und Umgangsgenehmigungen sowie von Fachkundenachweisen eingeführt wird. Wir gehen nicht davon aus, dass dies intendiert ist, da diese Vorlage für Genehmigungsanträge gemäß §§ 28a und 28b (2) geltender Röntgenverordnung bzw. §§ 23 und 24 (2) geltender Strahlenschutzverordnung als entbehrlich deklariert wurden (siehe hierzu auch: „Hinweise zu Anträgen auf Genehmigung der Anwendung von radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlung und Röntgenstrahlung am Menschen in der medizinischen Forschung nach § 23 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bzw. § 28a Röntgenverordnung (RöV)“ des BfS; Stand: 06/2013, Kapitel 3.). Die Forderungen in § 31 (2) Nr. 7, 8 StrlSchG sollten daher ersatzlos gestrichen werden.
Unabhängig davon, ob es sich um ein Antragsverfahren gemäß Art. 30 oder Art. 31 handelt, sollte das Bundesamt für Strahlenschutz einheitlich als zuständige Behörde bezeichnet werden.
3) Genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung am Menschen
§ 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 regeln die Genehmigung von Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen, sofern diese nicht anzeigebedürftig ist. Für die Genehmigung der Anwendung sieht der Referentenentwurf des BMUB keine Fristen vor, weder für die formale noch für die inhaltliche Prüfung der Anträge. Dies ist aus Sicht der Antragsteller weder sachgerecht noch nachvollziehbar, wie wir in den vergangenen Jahren immer wieder betont haben.
Wir erkennen an, dass ein Genehmigungsverfahren für diese medizinischen Forschungsvorhaben beibehalten werden soll. Allerdings ist die Einführung von Fristen für diese Verfahren unabdingbar. Die Zeitdauer bis zur Genehmigung eines medizinischen Forschungsvorhabens stellt ein wichtiges Kriterium für den Zugang von Patienten zu innovativen Therapien dar und kann in vielen der hier diskutierten Fälle für den betreffenden Patienten überlebensrelevant sein. Wie wir bereits mehrfach dargelegt haben, haben die langen Genehmigungsverfahren in den vergangenen Jahren in letzter Konsequenz dazu geführt, dass deutschen Patienten wichtige, in Teilen überlebensrelevante Therapien, die sie im Rahmen klinischer Prüfungen erhalten hätten, vorenthalten wurden oder dass sie diese nur sehr verspätet erhalten haben.
Im April 2016 lag die mittlere Verfahrensdauer bei den ausführlichen Verfahren nach Vollständigkeit des Antrags immer noch bei mehr als 150 Tagen (mit zu dem Zeitpunkt bereits wieder steigender Tendenz; nach jüngeren Aussagen beträgt die Genehmigungsdauer zum Teil bereits wieder > ein Jahr). Die Zahl der Neuanträge für das ausführliche Verfahren nimmt demgegenüber seit 2013 kontinuierlich ab.
Wie das BMUB selbst in seiner Begründung zu § 31 schreibt, sieht die Richtlinie 2013/59/Euratom eine abgestufte Vorgehensweise bei der regulatorischen Kontrolle vor. Eine solche abgestufte Vorgehensweise wäre unseres Erachtens die vorgesehene Einführung eines Anzeigeverfahrens mit Fristen für Begleitdiagnostik und ein Genehmigungsverfahren mit Fristen für die genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung. Man könnte darüber nachdenken, die Fristen für die genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung anders zu wählen, als die Fristen für die anzeigebedürftige Anwendung, falls das BfS hier einen deutlich größeren Prüfaufwand sieht. Auch könnten unterschiedliche Fristen in Abhängigkeit davon gewählt werden, ob die genehmigungsbedürftige Anwendung gleichzeitig unter das Arzneimittelgesetz oder Medizinproduktegesetz fällt oder nur unter das Strahlenschutzgesetz und ob es sich um ein Standardverfahren der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung handelt. So sollte die Zeitdauer bis zur Genehmigung auch für diese Verfahren für die inhaltliche Prüfung nicht mehr als 90 Kalendertage, in Fällen medizinischer Forschungsvorhaben, die gleichzeitig unter das AMG oder MPG fallen, nicht mehr als 45 Kalendertage betragen. Die Prüfung der Vollständigkeit sollte innerhalb von 10 Tagen erfolgen.
Wir weisen an dieser Stelle auch nochmals darauf hin, dass diese Verfahren nicht nur „neue“ Strahlenanwendungen betreffen, sondern beispielsweise auch Kombinationstherapien mit bekannter Strahlenanwendung und geänderter Chemotherapie oder auch bekannte diagnostische nuklearmedizinische Verfahren, bei denen sich die Dosimetrie einfach aus der Literatur erheben lässt (ICRP, 2015. Radiation Dose to Patients from Radiopharmaceuticals: a Compendium of Current Information Related to Frequently Used Substances. ICRP Publication 128. Ann. ICRP 44(2S).
Auch der Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 22. April 2016 klar und deutlich formuliert: "Es ist daher erforderlich, für beide Genehmigungsverfahren gesetzliche Fristen einzuführen, wie sie bereits seit langem für die Genehmigungen durch andere Bundesoberbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Paul-Ehrlich-Institut) gelten. Es ist hier kein sachlicher Grund erkennbar, der für den Bereich der Röntgen- und Strahlenschutzverordnung einen höheren Zeitaufwand rechtfertigen könnte. Es wird daher gefordert, dass die zu implementierenden Fristen für Genehmigungen durch das Bundesamt für Strahlenschutz grundsätzlich auf die Fristen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von klinischen Prüfungen nach Verordnung (EU) Nr. 536/2014 abgestimmt werden. Hiernach sind in der Regel für eine Validierung zehn Tage und für die Bewertung von Teil I und II 45 Tage ab dem Tag der Validierung vorgesehen."
Und auch im europäischen Kontext sind Fristen auch für medizinische Forschungsvorhaben, die die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung zum Zweck haben, durchaus üblich.
Ein wichtiger Teilaspekt des Verfahrens ist auch die simultane Bearbeitung eines Forschungsantrages durch BfS, die Ethik-Kommission und ggf. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bzw. das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dies gewährleistet eine Zeitersparnis ohne Abstriche an der Patientensicherheit machen zu müssen. Zur Erhöhung der Produktivität und Transparenz sollte eine elektronische Plattform genutzt werden, wie sich diese bei Medizinprodukteprüfungen schon seit Jahren bewährt hat. Diese beiden Aspekte sollten ebenfalls gesetzlich verankert werden.
4) Ethik-Kommissionen
Wir erachten es für sinnvoll, dass alle Ethik-Kommissionen, die medizinische Forschungsvorhaben am Menschen bewerten, bei derselben Bundesoberbehörde registriert werden und schlagen hierfür eine Registrierung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Dies sollte auch für solche Ethik-Kommissionen gelten, die strahlentherapeutische Anwendungen prüfen oder die Forschung zu neuen radioaktiven Stoffen oder neuen Anwendungen ionisierender Strahlung. Eine separate Registrierung beim Bundesamt für Strahlenschutz sollte damit entfallen. Die Registrierungsvorgaben sollten Vorgaben der beiden zuständigen Ministerien für die Erfüllung der in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Aufgaben umfassen, d. h. die Vorgaben sollten die Einbindung strahlenschutzrechtlicher Expertise gewährleisten, wo diese erforderlich ist.
Ideal wäre hierfür ebenfalls eine elektronische Plattform, bei der an einer Stelle Änderungen der Mitglieder, Satzungen etc. aktuell gehalten werden könnten. Da die Ethikkommissionen nach Landesrecht gebildet werden, wäre dies eine hervorragende Gelegenheit zur Harmonisierung und Modernisierung der Vollzugspraxis. Dies sollte im Gesetzentwurf auch berücksichtigt bzw. genannt werden.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die zuständige Ethik-Kommission im Falle medizinischer Forschungsvorhaben mit Arzneimitteln mit Begleitdiagnostik zukünftig voraussichtlich auf der Basis von Geschäftsverteilungs-/Kapazitätsplänen zugewiesen wird. Bei divergierenden Vorgaben könnte es daher möglicherweise dazu kommen, dass sich eine zweite Ethik-Kommission mit demselben Verfahren beschäftigen müsste. Dies ist nicht sinnvoll.
Es macht zudem keinen Sinn, dass dem BfS – wie im Referentenentwurf vorgesehen – ein Votum einer Ethik-Kommission vorgelegt werden muss, und zwar weder für das vollumfängliche Verfahren noch für Verfahren mit Begleitdiagnostik. Eine solche Vorlage verzögert nur das Verfahren. Hierbei ist folgendes in Betracht zu ziehen:
- Bei Begleitdiagnostik ist in den „Hauptverfahren“ gemäß AMG oder MPG ohnehin die zustimmende Bewertung einer Ethik-Kommission zwingend erforderlich, um mit der klinischen Prüfung beginnen zu können. Hinzu kommt, dass gemäß dem neuen europäischen Verfahren für klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln nur noch eine nationale Genehmigung (bestehend aus Genehmigung der Bundesoberbehörde und der Ethik-Kommission) für die Durchführung erteilt wird. Es wird daher zukünftig bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln keine separate zustimmende Stellungnahme einer Ethik-Kommission mehr geben, die dem Antragsteller übermittelt wird. Die vorliegende nationale Genehmigung umfasst die Bewertung der Ethik-Kommission.
- Auch im derzeit noch gültigen Verfahren gemäß Arzneimittelgesetz ist zwar eine befürwortende Stellungnahme der Ethik-Kommission zwingend erforderlich, um eine klinische Prüfung beginnen zu können, diese muss aber der zuständigen Bundesoberbehörde nicht vorgelegt werden.
Der Sponsor bzw. Antragsteller ist an diese Vorgaben zwingend gebunden.
Aus verfahrenstechnischen Gründen sollte daher auch im Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung auf die separate Vorlage der zustimmenden Stellungnahme einer Ethik-Kommission verzichtet und lediglich vorgeschrieben werden, dass eine klinische Studie nur begonnen werden kann, wenn eine zustimmende Stellungnahme einer Ethik-Kommission / eine nationale Genehmigung vorliegt.
Auch auf die allgemeine Vorgabe von Fristen für die Stellungnahme einer Ethik-Kommission sollte verzichtet werden, um divergierende Fristen für die Stellungnahme einer Ethik-Kommission in den unterschiedlichen Rechtstexten zu vermeiden. Fristen für die Stellungnahme einer Ethik-Kommission sollten lediglich für solche Verfahren vorgegeben werden, die ausschließlich durch das Strahlenschutzgesetz geregelt werden und sollten von der Zeitdauer nicht länger gewählt werden, als die Fristen für die zuständige Bundesoberbehörde.
5) Deckungsvorsorge:
Generell halten wir den Abschluss einer Probandenversicherung für alle medizinischen Forschungsvorhaben für ausreichend, wie es auch vor der Novellierung der Röntgen-und Strahlenschutzverordnungen im Jahr 2001 der Fall war.
Wir schlagen daher vor § 30, Abs. 3 entsprechend zu ändern.
6) Trennung der Regelungen für die medizinische Forschung nach Medizinischer Forschung mit Medizinprodukten, Medizinischer Forschung mit Arzneimitteln und sonstiger Medizinischer Forschung
Auf europäischer Ebene und im nationalen deutschen Recht sind klinische Prüfungen mit Medizinprodukten und Arzneimitteln in unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen adressiert worden. Das führt dazu, dass sich die Genehmigungsverfahren unterscheiden und dass sich diese Unterschiedlichkeit auch entsprechend in den strahlenschutzrechtlichen Regelungen adäquat abbilden muss, um diese Unterschiedlichkeit adressieren zu können. Daher wäre unseres Erachtens zu überlegen, die Regelungen zur Genehmigung von Medizinischer Forschung jeweils in drei unterschiedlichen Kategorien zu fassen – Medizinische Forschung mit Medizinprodukten, Medizinische Forschung mit Arzneimitteln und sonstige Medizinische Forschung. Dies würde es erleichtern, dass in den strahlenschutzrechtlichen Regelungen klar und nachvollziehbar auf andere, bestehende Regelungen Bezug genommen werden kann.
Anmerkungen im Einzelnen:
Art. 1 § 30
Auch für die genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen zum Zweck der medizinischen Forschung sollten Fristen für das Genehmigungsverfahren vorgegeben werden. Im Sinne eines abgestuften Verfahrens könnten diese
a) bei gleichzeitig unter das Arzneimittelgesetz oder Medizinproduktegesetz fallenden klinischen Prüfungen 45 Kalendertage (sowie bei inhaltlichen Rückfragen 12 Kalendertage für die Rückmeldung des Sponsors und nachfolgend 19 Kalendertage für den Abschluss der inhaltlichen Bewertung)
b) für alle anderen Verfahren: 90 Kalendertage
betragen.
Die Fristen für die Validierung der Unterlagen sollten analog dem Anzeigeverfahren gewählt werden. Dabei sollte der Begriff "vollständiger Antrag" nicht die Versicherungspolice mit beinhalten, sondern eine Genehmigung sollte vorbehaltlich einer bestehenden Versicherung erteilt werden. Dies würde Bearbeitungszeiten kürzen.
Art. 1 § 30 Abs. 1 Satz 1:
Durch die gewählte Formulierung könnten Unsicherheiten entstehen, ob auch die im Rahmen des Forschungsprojektes aufgrund der normalen Heilbehandlung standardmäßig und nicht studienbedingt erfolgende Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung genehmigungsbedürftig wäre.
Die Formulierung darf auf keinen Fall so interpretiert werden können. Es sollte daher klargestellt werden, dass es sich ausschließlich um die Genehmigung von über die Routine hinausgehenden Untersuchungen, die studienbedingt durchgeführt werden (z. B. zum Nachweis der Wirksamkeit) handelt.
Art. 1 § 30 Abs. 1 Satz 2:
Es sollte überlegt werden, dass ausschließlich solche Amendments einzureichen sind, die für die strahlenschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich sind. Vielleicht könnte „wesentlich abweicht“ noch spezifiziert werden, um eine solche Abgrenzung zu ermöglichen?
Die Bearbeitungszeit für Amendments muss deutlich kürzer sein, als für die Erstbewertung eines Antrages.
Art. 1 § 30 Abs. 2 Nummer 5:
Hier fehlt das Wort „nicht“. Es muss heißen:
„5. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Durchführung des Forschungsvorhabens die bei der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung zum Zweck der medizinischen Forschung zu beachtenden besonderen Schutzvorschriften, insbesondere Grenzwerte, nicht eingehalten werden,“
Art. 1 § 30 Abs. 2 Nummer 7:
Es sollte deutlich gemacht werden, dass es sich bei „ein die Anwendungen leitender Arzt…“ lediglich um den Arzt handelt, der die Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung leitet. Es sollte daher besser heißen:
„7. ein die Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung leitender Arzt eingesetzt ist, …“
Art. 1 § 30 Abs. 3
Wir würden dafür plädieren, dass für alle medizinischen Forschungsvorhaben eine Probandenversicherung abgeschlossen werden sollte, wie es vor der Novellierung des Röntgen- und Strahlenschutzrechts der Fall war. Es sollte keine Bindung an die atomrechtliche Deckungsvorsorgeverordnung gefordert werden.
Eine Regelung wie in § 32 Abs. 4 sollte hier ergänzt werden.
Art. 1 § 30 Abs. 4
Es sollte klargestellt sein, dass im Falle eines multizentrischen medizinischen Forschungsvorhabens EIN Antrag für alle beteiligten Studienzentren zu stellen ist. Eine „Kann-Vorschrift ist dabei nicht sachgerecht und wäre auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht angemessen. Diese Klarstellung könnte durch folgende Änderung in § 30 Abs. 4 StrlSchG-Ref-E erreicht werden:
„(4) Sieht der Antrag die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung an mehreren Einrichtungen vor (Multi-Center-Studie), erteilt die Genehmigungsbehörde eine alle Einrichtungen umfassende Genehmigung. Im Fall einer Genehmigung nach Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ist für jede beteiligte Einrichtung nachzuweisen, dass die Voraussetzungen nach Absatz 2 Nummer 5, 7 und 9 vorliegen.“
Art. 1 § 30 Abs. 5
Das Verfahren bei Arzneimittelprüfungen und Medizinprodukten verläuft ausschließlich elektronisch. Daher sollte unserer Auffassung nach auch der Genehmigungsbescheid des BfS auf elektronischem Weg übermittelt werden. Um etwaige zukünftige Anpassungen zu ermöglichen, sollten die Worte „einen Abdruck des Genehmigungsbescheids“ zumindest in „…übermittelt …den Genehmigungsbescheid“ geändert werden.
Auch ist dieser Satz nicht klar genug formuliert. Wer ist mit „Aufsichtsbehörde“ gemeint? Die Landesbehörden oder die für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten zuständige Genehmigungsbehörde oder beide Behörden? Hier sollte die Formulierung entsprechend konkretisiert werden.
Art. 1 § 31 Abs. 1 Satz 1
Siehe auch § 30 Abs. 1 Satz 1
Durch die gewählte Formulierung könnten Unsicherheiten entstehen, ob auch die im Rahmen des Forschungsprojektes aufgrund der normalen Heilbehandlung standardmäßig und nicht studienbedingt erfolgende Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung anzeigebedürftig wäre.
Die Formulierung darf auf keinen Fall so interpretiert werden können. Es sollte daher klargestellt werden, dass es sich ausschließlich um die Anzeige von über die Routine hinausgehenden Untersuchungen, die studienbedingt durchgeführt werden (z. B. zum Nachweis der Wirksamkeit), handelt.
Art. 1 § 31 Abs. 1 Satz 2
Siehe auch § 30 Abs. 1 Satz 2
Es sollte überlegt werden, dass ausschließlich solche Amendments einzureichen sind, die für die strahlenschutzrechtliche Anzeige/Genehmigung maßgeblich sind. Vielleicht könnte „wesentlich abweicht“ noch spezifiziert werden, um eine solche Abgrenzung zu ermöglichen?
Die Bearbeitungszeit für Amendments sollte deutlich kürzer sein, als für einen Erstantrag.
Art. 1 § 31 Abs. 2 Nummer 7
Diese Anforderung der Vorlage eines Nachweises („…nachvollziehbar darzulegen…“) sollte gestrichen werden, da die Vorlage dieses Nachweises auch nicht Bestandteil des vereinfachten Verfahrens gemäß geltender Röntgen- bzw. Strahlenschutzverordnung ist.
Falls keine Streichung erfolgt, sollte eine Ergänzung analog zu § 30 Abs. 1 Nummer 7 vorgenommen werden.
Art. 1 § 31 Abs. 2 Nummer 8
Diese Anforderung der Vorlage eines Nachweises („…nachvollziehbar darzulegen…“) sollte gestrichen werden, da die Vorlage dieses Nachweises auch nicht Bestandteil des vereinfachten Verfahrens gemäß geltender Röntgen- bzw. Strahlenschutzverordnung ist.
Art. 1 § 31 Abs. 3
Siehe allgemeine Anmerkung zur Deckungsvorsorge. Zumindest sollte hier direkt auf § 32 Abs. 3 verwiesen werden.
Art. 1 § 31 Abs. 5
Für das Anzeigeverfahren sollte eine Parallelität mit dem Verfahren gemäß Verordnung (EU) 536/2014 gewährleistet werden. Daher sollte folgender Ablauf vorgesehen werden:
10 Kalendertage für die Prüfung auf formale Vollständigkeit durch das BfS
10 Kalendertage für den Anzeigenden, fehlende Unterlagen beizubringen bzw. Informationen zu ergänzen;
5 Kalendertage für die finale Prüfung auf formale Vollständigkeit durch das BfS, sofern eine Nachforderung erfolgt ist.
Die im Referentenentwurf vorgesehene maximale Frist für die Validierung beträgt maximal 38 Kalendertage gegenüber maximal 25 Kalendertagen im Verfahren gemäß Verordnung (EU) 536/2014.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die formale Prüfung eines Antrags durch das BfS 14 Kalendertage dauern soll, wenn Ethik-Kommission und BfArM/PEI für die formale Prüfung im Rahmen ihres Verfahrens 10 Kalendertage zur Verfügung haben, insbesondere, da es sich ja hier um Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung lediglich als begleitende Diagnostik handelt. Auch die Prüfung der nach Eingang einer eventuellen Nachforderung eingegangenen weiteren Unterlagen soll nicht erneut 14 Kalendertage in Anspruch nehmen müssen.
Als positiv erachten wir, dass in Satz 1 vorgesehen ist, dem Anzeigenden die Vollständigkeit der Unterlagen mitzuteilen, damit er den Fristablauf für die inhaltliche Prüfung zweifelsfrei feststellen kann. Dies sollte auch im Falle nachgeforderter Unterlagen so gehandhabt werden.
Art. 1 § 31 Abs. 6
Entsprechend Referentenentwurf beträgt die Frist für die inhaltliche Prüfung des Antrags 28 Kalendertage. Gemäß dem Verfahren nach der Verordnung (EU) 536/2014 stehen für die erste inhaltliche Bewertung des gesamten Forschungsvorhabens – insbesondere in den Fällen, in denen Deutschland berichterstattender Mitgliedstaat ist – 26 Kalendertage zur Verfügung. Damit die Bewertung des BfS in die allgemeine Bewertung einfließen und noch zu Änderungen im Design führen könnte, müsste diese daher vor Ablauf dieser 26 Kalendertage, spätestens allerdings an Tag 26 vorliegen.
Im Verfahren gemäß Verordnung (EU) stehen dem Sponsor für die Änderung seines Antrags maximal 12 Kalendertage zur Verfügung. Wir erkennen an, dass das BfS dem Anzeigenden mit der längeren Frist entgegenkommen möchte, um Ablehnungen zu vermeiden, erachten dies allerdings aufgrund des „führenden“ Verfahrens nicht als hilfreich. Falls inhaltliche Ergänzungen des Sponsors/Anzeigenden angefordert wurden, sollten dem BfS analog zu dem Verfahren der Verordnung /(EU) maximal 19 Tage zur Verfügung stehen, um seine Bewertung abzuschließen und eine Genehmigung zu erteilen oder zu versagen.
Bei nicht ausreichend gewährleisteter Parallelität der Verfahren und einem zeitnahen Abschluss des Anzeigeverfahrens würden inhaltliche Einwände des BfS möglicherweise dazu führen, dass eine bereits durch die für das Forschungsvorhaben zuständige Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission erteilte Genehmigung zur Durchführung der klinischen Prüfung hinfällig werden und deutsche Prüfstellen nicht an der Durchführung der klinischen Prüfung beteiligt werden könnten. Dies wäre zum Nachteil der klinischen Forschung in Deutschland.
Art. 1 § 31 Abs. 7 Satz 2 Nummer 1
Die klinische Prüfung könnte nicht beginnen, wenn die Voraussetzungen nach § 31 Absatz 1-3 nicht erfüllt werden. Absatz 7 Satz 2 Nummer 1 sollte sich daher nur auf zukünftige Änderungen beziehen und geändert werden in „1. Eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Anforderungen nicht mehr erfüllt ist und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird,“
Art. 1 § 31 Abs. 7 Nummer 2
Die Vorlage einer zustimmenden Stellungnahme einer Ethik-Kommission sollte nicht gefordert werden. Nummer 2 sollte daher an dieser Stelle entfallen.
Bei Vorhaben gemäß Verordnung (EU) 536/2014 ist die zustimmende Stellungnahme der Ethik-Kommission bereits in die nationale Genehmigung integriert.
Art. 1 § 31 Abs. 8 Satz 1 Nummer 2
Es ist nicht einleuchtend, warum die zuständige Behörde den Eingang der zustimmenden Stellungnahme einer Ethik-Kommission nach § 33 zu dem Forschungsvorhaben bestätigen soll. Dies verlängert die Frist, und zwar ohne weitere Fristvorgabe. Absatz 8 Nummer 2 sollte daher geändert werden in
„2. Wenn eine zustimmende Stellungnahme einer Ethik-Kommission vorliegt“
Art. 1 § 32
Wir plädieren dafür, den gesamten Artikel 32 einschließlich der Begründung zu diesem Artikel nochmals grundlegend zu überarbeiten, da er unserer Auffassung nach nicht schlüssig ist.
Art. 1 § 32 Abs. 3
Abweichend von Absatz 1 kann der Nachweis im Sinne des § 31 Absatz 3 durch den Nachweis des Bestehens einer Versicherung für Studienteilnehmer nach dem Arzneimittelgesetz oder nach dem Medizinproduktegesetz erbracht werden.
Es sollte klar dargelegt werden, dass § 32 Abs. 3 so zu lesen ist, dass die Deckungsvorsorgeverordnung (sofern an dieser Verknüpfung festgehalten wird) in diesen Fällen nicht dem Grunde und der Höhe nach erfüllt sein muss. Die derzeitige Formulierung in der Röntgenverordnung lautet beispielsweise
„Im Fall einer Genehmigung nach Absatz 2 („Vereinfachtes Verfahren“) bedarf es keiner Deckungsvorsorge, die über die Probandenversicherung nach dem Arzneimittelgesetz oder nach dem Medizinproduktegesetz hinausgeht.“
Art. 1 § 32 Abs. 4
Wir begrüßen, dass Einrichtungen des Bundes und der Länder nicht zur Vorlage eines Nachweises nach § 31 Absatz 3 verpflichtet sind, soweit das Prinzip der Selbstversicherung der jeweiligen Körperschaft zur Anwendung kommt.
Art. 1 § 33 Abs. 1
Es sollten einheitliche Vorgaben für die Besetzung von Ethik-Kommissionen gelten. Die hier genannten Forderungen sollten mit denen für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten abgestimmt werden und es sollte ein einheitliches Registrierungsverfahren basierend auf einheitlichen Registrierungsanforderungen, die die Anforderungen aller Bereiche umfasst, geben.
Die Registrierung aller Ethik-Kommissionen sollte nur an einer Bundesoberbehörde erfolgen, wobei wir für eine Registrierung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte plädieren. Dies sollte auch für solche Ethik-Kommissionen gelten, die strahlentherapeutische Anwendungen prüfen oder die Forschung zu neuen radioaktiven Stoffen oder neuen Anwendungen ionisierender Strahlung. Dies wäre ausreichend und sachgerecht, sofern die Kriterien des Strahlenschutzes mit umfasst wären. Dies müsste durch eine bundeseinheitliche Registrierung gewährleistet werden.
Art. 1 § 33 Abs. 2
Fristen sollten an dieser Stelle lediglich für medizinische Forschungsvorhaben vorgegeben werden, die ausschließlich unter das Berufsrecht und das Strahlenschutzrecht fallen und nicht gleichzeitig nach AMG oder MPG genehmigt werden müssen. Bei klinischen Prüfungen nach AMG und MPG sollten die dortigen Fristen für das Verfahren bei den Ethik-Kommissionen gelten.
Es sollte definiert sein, was „schriftlich“ bedeutet. Eine elektronische Genehmigung, wie sie in der Verordnung (EU) 536/2014 vorgesehen ist, muss diesem Erfordernis genügen.
Art. 1 § 34 Verordnungsermächtigung
Wir halten es nicht für sinnvoll, für den Bereich der medizinischen Forschung weitere Regelungen über eine Rechtsverordnung zu treffen, es sei denn, es handelt sich ausschließlich um medizinische Forschungsvorhaben, die noch nicht an anderer Stelle (AMG / MPG) geregelt sind. Eine eventuelle Verordnung sollte ausschließlich für solche Forschungsvorhaben gelten. So sind beispielsweise Aufklärungspflichten und Einwilligungserfordernisse (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1) oder Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nummer 6) sowie Mitteilungs- und Berichtspflichten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nummer 7) für klinische Prüfungen, die unter das AMG oder MPG fallen, an anderer Stelle geregelt.
Eine Befugnis für eine Behörde, Untersuchungen anzuordnen, halten wir für problematisch (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3).
Wir bitten um Berücksichtigung unserer Anmerkungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren.
Berlin, 21. Oktober 2016
stellvertretend für die genannten Organisationen
Dr. Xina Grählert
Sprecherin des Vorstands
KKS-Netzwerk
Insa Bruns
Wissenschaftliche Leitung
Geschäftsstelle KKS-Netzwerk