Gemeinsame Stellungnahme von TMF und DNVF zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters (TxRegG)
Berlin, 20. Januar 2016. Stellungnahme der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. und des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF) e. V.
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Die TMF und das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung nehmen zum Entwurf für das Transplantationsregistergesetz wie folgt Stellung:
Aufgrund der Zielsetzung und Aufgaben der zeichnenden Organisationen kann der vorliegende Entwurf im Grundsatz nur sehr begrüßt werden.
Insbesondere vor dem Hintergrund der negativen Schlagzeilen der letzten Jahre kann neben den originären Zielsetzungen dieses Gesetzes gegebenenfalls wieder ein positiver Trend bei der Bevölkerung hinsichtlich der Organspendebereitschaft erreicht werden, welche aktuell noch die Grundlage für Organtransplantationen darstellt.
Die Auswertung von nationalen Langzeitdaten transplantierter Patienten wird sicherlich Hinweise für die Weiterentwicklung der Wartelistenkriterien und der Allokationsregeln für Organe geben, z.B. auf andere, geeignetere Parameter, die als Grundlage für die Vergabefaktoren Dringlichkeit und Erfolgsaussicht dienen. Um solche weitreichenden, belastbaren Ergebnisse zu erzielen, bedarf es einer sehr soliden Datenbasis, die das oberste Ziel des Transplantationsregisters (TxRegG) darstellen sollte.
Bei dem geplanten Transplantationsregister handelt es sich um ein großes Projekt mit vielen beteiligten Institutionen sowie koordinativen, methodischen und technischen Herausforderungen. Diese sind überwindbar, dürften aber aufgrund der sensiblen Thematik von der Öffentlichkeit genau begutachtet werden. Daher sind dringend Startschwierigkeiten insbesondere bzgl. der Datenintegrität und des Datenschutzes zu vermeiden, die die gesamte Zielsetzung gefährden können.
Die in der Problemstellung des Entwurfs aufgezeigte Heterogenität der Datenquellen, von der Organvermittlung über die Transplantation bis hin zur Nachsorge, macht die Notwendigkeit einer Zusammenführung dieser Daten deutlich. Gleichzeitig wird die methodische Herausforderung sichtbar, die verschiedenen Datenflüsse aus unterschiedlichen Phasen der Versorgung zusammenzuführen und zu harmonisieren. Pro Transplantation sind Daten von mindestens drei am Prozess beteiligten Institutionen verfügbar (von der Koordinierungsstelle, der Vermittlungsstelle, aus den Transplantationszentren und ggf. einer anderen Nachsorgeeinrichtung) sowie jeweils Spender- und Empfängerdaten zu übermitteln. Bei Lebendspenden sind diese Follow-up-Daten zusätzlich zu verfolgen. Von den Transplantationszentren und Nachsorgeeinrichtungen liegen die Daten voraussichtlich jeweils in verschiedenen Formaten und Ausprägungen vor und sind jeweils für die verschiedenen Organe zu vereinheitlichen.
In dem Gesetzesentwurf zum TxRegG sind alle relevanten Organisationseinheiten (Geschäftsstelle, Beirat) als auch die operative Einheit als Transplantationsregisterstelle benannt sowie die Aufgaben eines Registers von der Datenerhebung bis zur Auswertung bzw. Löschung berücksichtigt. Damit sind bereits wesentliche Grundlagen und Prozesse vorgegeben.
Es sollen im Folgenden lediglich einige Hinweise auf bedenkenswerte Punkte in der operativen Ausgestaltung gegeben werden.
1. Datenflüsse/Datenübermittlung
a) Zu den oben genannten Datenquellen kommt die Vertrauensstelle als zentrale Einheit hinzu, die die eindeutige Zuordnung der Datensätze über das zu generierende Pseudonym gewährleisten muss. Hierfür muss das Pseudonym des Spenders von der ID des Empfängers disjunkt sein, jedoch muss zugleich die Verbindung Spender-Empfänger herstellbar bleiben. Die identifizierbaren Daten sollten bei der Vertrauensstelle getrennt von dieser Verbindung aufbewahrt werden.
b) Für die Qualitätssicherung sind gemäß §15b (2) 1 zunächst die zeitlich korrekten Anschlüsse der Vergabe- und Behandlungsdaten eines Transplantationsfalles ohne Überlappungen in einem Datensatz zu gewährleisten. Dies ist in den Schnittstellenspezifikationen und beim Datenimport schon zu berücksichtigen oder in einem weiteren Schritt bei der Datenzusammenführung.
c) Bezüglich des zu beschließenden bundesweit einheitlichen Datensatzes nach §15f (2) sollte man sich schon zu Beginn mit den avisierten Kooperationspartnern bzw. mit den unter §15b (3) 7 genannten anderen Registern, wie z.B. mit bestehenden freiwilligen nationalen Registern, zu einzelnen Organen sowie international abstimmen, um eine Zusammenführung und Vergleichbarkeit der Daten maximal gewährleisten zu können.
d) Nach §15e ist ein Beirat zu bilden. Zu dessen Aufgabe sollte auch der Abgleich der Transplantationsregister mit dem Stand der Technik und der Methodik bei Aufbau und Auswertung von Registern gehören. Hier bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit der TMF an, ggf. über einen Vertreter im Beirat, bzw. der Mitgliedschaft der registerführenden Stellen in der TMF.
e) Innerhalb des Datensatzes sollten die international existierenden medizinischen Erfassungs- bzw. Schnittstellenstandards, wie z.B. ICD, HL7 und ggf. CDISC, berücksichtigt werden. Insgesamt ist zu empfehlen, neben dem erfahrenen Personal der Transplantationsregisterstelle, zu den Prozessen der Datenzusammenführung bzw. des Datenimports entsprechende Experten hinzuzuziehen.
f) Die Etablierung von Schnittstellen zur Datenübermittlung wird vermutlich nicht bei allen datenliefernden Stellen die Lösung zur Integration der vorhandenen Datenkörper sein, sondern z.B. über einen Datenexport und ein Datenmatching in der Registerstelle bewerkstelligt werden müssen. Insbesondere bei der Nachsorge von Nierentransplantierten sind die Datenflüsse umfangreicher, da zusätzlich die Daten der Nachsorgezentren des Spenders und des Empfängers verarbeitet werden müssen sowie der Wechsel des Nachsorgezentrums durch Umzug und ähnliches berücksichtigt werden muss. Unter §15f „… Mehrfachübermittlung von Daten sind zu vermeiden…“ ist diese Problematik adressiert. Allerdings ist die Datenlage bzw. die Anzahl der Transplantierten insbesondere je Organ pro Jahr überschaubar und vor allem nachverfolgbar, so dass die Gefahr der Mehrfachnennung im Abgleich zur Gesamtstatistik sofort auffällt und nachzuverfolgen ist. Gleiches gilt positiv für die Qualitätssicherung der Daten. Wenn entsprechende Prozesse für die Datenqualitätssicherungsmaßnahmen und vor allem die Kooperation zwischen den datenliefernden Stellen und der Registerstelle etabliert sind, sollte bei der überschaubaren Datenlage eine valide Datenlage erreichbar sein. Die mit der neuen Meldeverpflichtung betrauten Einrichtungen sollten für diese zusätzlichen Aufwände für die Übermittlung und oft aufwändigen Rückfragen entsprechend vergütet werden.
g) Auch wenn die mit der Nachsorge betrauten Einrichtungen schon zusätzliche Aufgaben zu erfüllen haben, sollte Ihnen eine weitere zukommen. Gemäß §15f (3) soll die nachsorgende Einrichtung „über die erfolgte Aufklärung und Einwilligung“ zur Übermittlung der transplantationsmedizinischen Daten der Organempfänger und der Lebendorganspender unterrichtet werden. Da es hier meist zu Schnittstellenproblemen kommt bzgl. der Weitergabe dieser Information, ist die Einholung einer erneuten Einwilligung eher zu empfehlen.
2. Datenbereitstellung
a) Zu bedenken ist, ob den datenliefernden Institutionen ihre eigenen Daten z.B. aufbereitet im nationalen Vergleich als Benchmark zur Verfügung gestellt werden – gewissermaßen als Incentive für die zusätzlichen Aufwände, die das TxRegG mit sich bringt.
b) Für die unter §15h (1) beschriebene anonyme Datenbereitstellung zu Forschungszwecken an Dritte scheint nur eine Nutzungsvereinbarung vorgesehen zu sein und kein Antrag für die Bereitstellung von Daten. Der Absatz sollte dahingehend erweitert werden. Der standardisierte Antrag sollte dabei nicht nur die zu analysierende Fragestellung enthalten, sondern insbesondere die methodische Expertise bzgl. der Auswertung longitudinaler Registerdaten zeigen, um valide Aussagen aus dem Register zu generieren und zu veröffentlichen.
c) Die Bereitstellung von pseudonymisierten Daten unter §15h (2) sollte erweitert werden, da hier nicht alle datenliefernden Institutionen berücksichtigt sind, wie z.B. die Nachsorgeeinheiten.
d) Bei den unter §15h (4) genannten Gebühren für die Datenbereitstellung sollte zugunsten der Wissenschaft zwischen akademischer Forschung und Industrieanfragen unterschieden werden, vor allem wenn bereits aggregierte Daten vorliegen.
e) Die geplante Gesetzgebung zum TxRegG sollte insgesamt in ihrer Umsetzung methodische Standards und Prozesse etablieren, die für vergleichbare dezentrale Datenquellen anderer Indikationen zu einem zentralen Register adaptierbar sind.