Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für einen Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
Berlin / Köln, 04. Mai 2016. Stellungnahme des KKS-Netzwerk, des MFT e.V., des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD), der TMF e.V., der GMDS e.V. und der DIVI e.V.
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Hiermit möchten zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Viertes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften Stellung nehmen.
Insgesamt halten wir die vorgeschlagenen Regelungen, insbesondere im Hinblick auf das neue Verfahren und das damit verbundene Zusammenspiel von Bundesoberbehörden und Ethik-Kommissionen, für sinnvoll und gut geeignet, die gute Positionierung des Standorts Deutschland im Bereich der klinischen Forschung innerhalb Europas zu bewahren und möglicherweise auszubauen.
An einigen Stellen halten wir jedoch Nachbesserungen in dem Gesetzentwurf für erforderlich, und zwar insbesondere in folgenden Punkten:
1. Gruppennützige klinische Prüfungen bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen
Wir sehen in dem Vorschlag, bei Vorliegen einer Patientenverfügung gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähig gewordenen Patienten zu ermöglichen, eine vorsichtige Öffnung der derzeitigen Regelungen. Wir halten diese Möglichkeit, gruppennützige Forschung ausschließlich in den Fällen zu erlauben, in denen eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt, allerdings für wenig praktikabel. Wir befürchten, dass sich dadurch in der Praxis die Evidenzlage für die Anwendung von Arzneimitteln bei den betroffenen Patientengruppen nicht verbessern wird.
Allein bedingt durch die demografische Entwicklung wird es beispielsweise künftig immer wichtiger werden, neue therapeutische Optionen für altersspezifische Erkrankungen, die zu einem Verlust der Einwilligungsfähigkeit führen (können), zu entwickeln. Hier ist auch gruppennützige Forschung wichtig, um essentielle Verbesserungen zu bewirken. Einer vorsichtigen Öffnung für diese Patientengruppen unter strengen Kautelen, wie sie bereits bei Minderjährigen praktiziert wird, und die eine Abwägung und Entscheidung im Einzelfall durch Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission vorsieht, halten wir besonders im Sinne der betroffenen Patientengruppe für adäquater, als eine grundsätzliche Ablehnung. Wie bereits im Gesetzentwurf vorgesehen, kann hier in Bezug auf die Regelungen eine Abgrenzung von der Gruppe von Menschen, die bereits vor Erreichen der Volljährigkeit nicht einwilligungsfähig sind und die Einwilligungsfähigkeit auch später nicht erlangen, erfolgen.
2. Clusterrandomisierte klinische Prüfungen
Anwendungsfälle aus dem Bereich der Hygienemedizin haben uns davon überzeugt, dass für diese Art der klinischen Prüfung (die ja in Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sehr streng reglementiert ist) die Möglichkeit einer vereinfachten Einwilligung unter den vorgesehenen, sehr strengen Bedingungen des Artikels 30 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sinnvoll sein kann.
3. Regelungen zur Versicherung klinischer Prüfungen
Wir bedauern außerordentlich, dass man sich – trotz des sehr geringen Risikos für die Bundeskasse – nicht dazu durchringen konnte, einen nationalen Entschädigungsfonds für akademisch initiierte klinische Prüfungen einzurichten. Akademisch initiierte klinische Studien, bei denen der Nutzen für den Patienten und die Optimierung der Therapie im Mittelpunkt des Interesses stehen, sollten als gesellschaftliche Aufgabe zur gesundheitlichen Daseinsfürsorge angesehen werden. Deshalb sollte unserer Auffassung nach eine Absicherung der Patienten/Probanden durch die öffentliche Hand erfolgen.
Davon abgesehen müssen jedoch die Formulierungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 wörtlich übernommen werden. Insbesondere im Hinblick auf minimalinterventionelle klinische Prüfungen, die ja der Überprüfung bzw. Verbesserung bereits in der Therapie von Patienten eingesetzter Behandlungsoptionen dienen, gibt es hier unserer Meinung nach eine relevante Abweichung vom Verordnungstext, die beseitigt werden sollte.
4. Qualifikationsnachweise im Genehmigungsverfahren
Die Begriffe Hauptprüfer und Prüfer werden in unseren Augen in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 nicht immer entsprechend der ihnen eigentlich zuzuordnenden Aufgaben verwendet. Dies sollte daher baldmöglichst auf europäischer Ebene per Rechtsverordnung präzisiert werden. Ungeachtet dessen sollte in der nationalen Umsetzung möglichst dafür Sorge getragen werden, dass die Qualifikation des Prüfungs(Prüfer)teams im Genehmigungsverfahren nicht dadurch nachzuweisen ist, dass von allen Prüfern ein aktueller Lebenslauf zu übermitteln ist. Dies würde den bürokratischen Aufwand wieder enorm erhöhen, der durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften 2012 ja gerade reduziert werden sollte.
5. Besetzung der Ethik-Kommissionen
Auch wenn der Gesetzgeber in seinem Entwurf nur Mindestkriterien vorgegeben hat und keine Verpflichtung zur Einbindung spezifischer Berufsgruppen, erachten wir es für wichtig, zumindest aufzuführen, dass eine Person mit entsprechender Expertise in der Methodologie einer klinischen Prüfung (z. B. Versuchsplanung, Statistik/Fallzahlschätzung) Teil der Ethik-Kommission sein sollte.
6. Gebühren für das Genehmigungsverfahren für akademisch initiierte klinische Prüfungen
Die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, Reduktionen in den Gebühren für akademische Sponsoren vorzusehen. Wir appellieren an den Gesetzgeber, von dieser Möglichkeit an dieser Stelle oder in entsprechenden Verfahrensordnungen Gebrauch zu machen, um die akademische klinische Forschung und deren wichtigen Beitrag für die Versorgung der Patienten zu unterstützen.
7. Änderungen der Röntgen- bzw. Strahlenschutzverordnung
Von entscheidender Bedeutung nicht nur für den Studienstandort Deutschland, sondern besonders auch für die Versorgung schwer kranker Patienten mit innovativen Therapiemöglichkeiten, ist eine auf die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 und das nationale Durchführungsgesetz abgestimmte Ausgestaltung der Regelungen für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln, die gleichzeitig unter die Röntgen- und/oder Strahlenschutzverordnung fallen.
Hier müssen schnellstmöglich verbindliche Fristen eingeführt werden, die im Falle von klinischen Prüfungen, die unter die Regelungen des Arzneimittelgesetzes fallen, mit den Fristen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 kompatibel sind. Leider finden sich im Gesetzentwurf der Bundesregierung inzwischen nicht einmal mehr die noch im Referentenentwurf enthaltenen Platzhalter (im Referentenentwurf Artikel 7 und 8), sondern diese Thematik wird nur in der Gesetzesbegründung berührt. Auf der Basis der durch das zuständige Ministerium bei einem Konsultationstreffen im Bundesamt für Strahlenschutz am 13.04.2016 vorgestellten Überlegungen, die die Kompatibilität mit der Verordnung (EU) 536/2014 nicht ausreichend gewährleisten, erscheint uns dies jedoch nicht ausreichend und wir plädieren erneut dafür, Regelungen bereits in diesen Gesetzentwurf mit aufzunehmen. Auch der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22.04.2016 in seine Empfehlungen für den Entwurf des Vierten Änderungsgesetzes die Bundesregierung aufgefordert, zeitnah eine gesetzliche Regelung zur Bearbeitungszeit von strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen durch das Bundesamt für Strahlenschutz im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen von Arzneimitteln auf den Weg zu bringen. Die Fristen sollen grundsätzlich auf die Fristen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von klinischen Prüfungen nach Verordnung (EU) Nr. 536/2014 abgestimmt werden.
Unsere Kommentare im Einzelnen:
Artikel 1 Änderung des Arzneimittelgesetzes
Zu Nummer 6 § 33 Gebühren und Auslagen
§ 33 Absatz 1
Gemäß Artikel 86 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 können die Mitgliedstaaten geringere Gebühren für nichtkommerzielle, in der Regel öffentlich oder durch Spenden finanzierte klinische Prüfungen festlegen. Da die Finanzierung wissenschaftsinitiierter klinischer Prüfungen teilweise problematisch ist, plädieren wir dafür, solche geringeren Gebühren für wissenschaftsinitiierte klinische Prüfungen in Absatz 1 oder 2 bzw. in der noch zu erstellenden Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrats zu verankern. Dies ist in unseren Augen allein auch deshalb sinnvoll, weil die an dem Verfahren beteiligten Ethik-Kommissionen ebenso wie auch die meisten Sponsoren akademischer klinischer Prüfungen Einrichtungen der Länder sind.
Zu Nummer 8 § 41a Registrierungsverfahren für Ethik-Kommissionen
§ 41a Absatz 2
Die Verantwortungsbereiche für die Registrierung der Ethik-Kommissionen und die Antragsbearbeitung sollten innerhalb des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) getrennt werden, um den vielfach geäußerten Bedenken einer Verankerung der Registrierung beim BfArM Rechnung zu tragen. Denkbar wäre auch eine Registrierung durch die Zentrale Stelle der Länder für Gesundheitsangelegenheiten (ZLG) im Benehmen mit den zuständigen Bundesoberbehörden (BfArM / PEI).
§ 41a Absatz 3 Nr. 2
„… die interdisziplinäre Zusammensetzung der Ethik-Kommission unter Beteiligung von je mindestens einem Juristen, einer Person mit wissenschaftlicher oder beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik in der Medizin, drei Ärzten, die über Erfahrungen in der klinischen Medizin verfügen sowie einem Laien,…“
Wir erachten es für sinnvoll, ebenfalls die Beteiligung einer Person mit Erfahrung in der Studienmethodik, insbesondere der Versuchsplanung und Statistik (beispielsweise eines Studienstatistikers / Biometrikers) vorauszusetzen, auch wenn sie von der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 nicht gefordert ist. Dies ergibt sich unseres Erachtens bereits aus der Zuständigkeit für die Bewertung der in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genannten Aspekte, insbesondere die Beurteilung der „Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der im Rahmen der klinischen Prüfung gewonnenen Daten unter Einbeziehung des statistischen Ansatzes, des Aufbaus und der Methodik der klinischen Prüfung“. Auch der Bundesrat hat hierzu in seiner Sitzung vom 22.04.2016 eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Im Hinblick auf weitere Details verweisen wir auf unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit.
§ 41a Absatz 5
Es sollte klargestellt werden, dass nicht eine einzige verwirkte Frist zu einem Entzug der Registrierung führt.
§ 41b Verfahrensordnung und Geschäftsverteilungsplan
§ 41 b Absatz 1 Satz 2
„…, die festen Gebührensätze oder Rahmensätze jeweils nach dem Personal- und Sachaufwand für die Stellungnahmen und Bewertungsberichte…“
Die Formulierung in § 40 Absatz 1 Satz 2 erweckt den Eindruck, als könne jede Ethik-Kommission (auf der Grundlage der Rechtsverordnung) ihre Gebühr auf der Basis von eingesetztem Personal- und Sachaufwand selbst festlegen. Ein solches Vorgehen würde die Kosten unkalkulierbar machen. Wir plädieren – auch aus Gründen der Planbarkeit – dafür, dass die Gebührensätze auf der Basis von realistischen Kostenschätzungen durch die Ethik-Kommissionen vereinheitlicht werden und einem festgelegten Schema folgen. Diese Gebührensätze sollten an die allgenmeinen Kostensteigerungen angepasst werden.
§ 41c Verordnungsermächtigung
§ 41c Satz 1
„Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, eine Bundes-Ethik-Kommission bei dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte und dem Paul-Ehrlich-Institut einzurichten. …“
Satz 1 sollte um die Bedingung aus der Begründung, nach der eine Bundes-Ethik-Kommission nur eingerichtet werden soll, sofern nicht ausreichend nach Landesrecht gebildete Ethik-Kommissionen registriert sind, ergänzt werden. Darüber hinaus sollte überlegt werden, wo eine solche Bundes-Ethik-Kommission angesiedelt werden sollte, um das Ziel einer unabhängigen Bewertung zu gewährleisten.
Artikel 2 Weitere Änderung des Arzneimittelgesetzes
Zu Nummer 2 § 4 Absatz 25
„Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikel 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikel 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.“
Die Begriffe Hauptprüfer und Prüfer werden in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 nicht immer entsprechend der ihnen eigentlich zuzuordnenden Aufgaben verwendet und sollten daher baldmöglichst per Rechtsverordnung auf europäischer Ebene angepasst werden. Ungeachtet einer solchen Änderung auf EU-Ebene sollte in der nationalen Umsetzung möglichst dafür Sorge getragen werden, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Qualifikation des Prüfungs(Prüfer)teams nicht dadurch nachzuweisen ist, dass von allen Prüfern ein aktueller Lebenslauf zu übermitteln ist. Der damit verbundene bürokratische Aufwand hatte im Jahr 2012 zur Änderung der entsprechenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes im Rahmen des Zweiten Änderungsgesetzes geführt. Der Hauptprüfer sollte die Qualifikation des Prüfungsteams (einschließlich der Prüfer) sicherstellen und entsprechend dokumentieren, damit diese bei Bedarf im Studienverlauf anhand der Lebensläufe kontrolliert und überwacht werden kann.
Weitere Anmerkung zur Thematik der Qualifikationsnachweise:
Wir erachten es für sehr wichtig, dass es bis zum Zeitpunkt der Geltung der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 zu einer Einigung unter den Mitgliedstaaten bezüglich der Auslegung des Kapitels M in Anhang I (Eignung des Prüfers) kommt, wobei eine Änderung der Vorgaben wünschenswert wäre.
Zu Nummer 10 § 40 – Verfahren zur Genehmigung einer klinischen Prüfung
§ 40 Absatz 6
„Die zuständige Bundesoberbehörde erhebt eine Gesamtgebühr im Sinne der Artikel 86 und 87 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Die zuständige Ethik-Kommission erhebt eine Gebühr für die Bearbeitung eines Antrags nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 41b Absatz 1 und teilt diese der zuständigen Bundesoberbehörde mit. Diese Gebühr ist in den Gebührenbescheid über die Gesamtgebühr nach Satz 1 aufzunehmen.“
Die Formulierung in § 40 Absatz 6 erweckt den Eindruck, als könne jede Ethik-Kommission (auf der Grundlage der Rechtsverordnung) ihre Gebühr selbst festlegen. Wir plädieren – auch aus Gründen der Planbarkeit – dafür, dass die Gebührensätze der Ethik-Kommissionen vereinheitlicht werden und einem festgelegten Schema folgen. Aus diesem Grunde halten wir es auch nicht für erforderlich, dass die Ethik-Kommissionen diese Gebühren für jede klinische Prüfung der Bundesoberbehörde mitteilen müssen.
Zu Nummer 11 § 40a Allgemeine Voraussetzungen für die klinische Prüfung
§ 40a Satz 1 Nr. 3
„Über die Voraussetzungen nach der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 hinaus darf eine klinische Prüfung bei Menschen nur durchgeführt werden, solange…
3. für den Fall, dass bei der Durchführung einer klinischen Prüfung ein Mensch getötet wird oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird, eine Versicherung, die auch Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet, nach folgenden Maßgaben besteht…“
Wie bereits dargelegt, bedauern wir sehr, dass in Deutschland kein nationaler Entschädigungsfonds eingerichtet wird. Es gibt bereits europäische Länder, in denen ähnliche Konstrukte sehr gut funktionieren. Ein solcher Entschädigungsfonds hätte gerade die akademisch initiierte klinische Forschung, die ja in ihren klinischen Prüfungen sehr häufig gängig eingesetzte Therapien überprüft und vergleicht, sehr entlastet. Wie auch bereits in der auf eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingesetzten Arbeitsgruppe Probandenversicherung vor einigen Jahren dargelegt, wäre das Risiko einer solchen Lösung vergleichsweise gering. Andere europäische Länder haben solche Regelungen seit Jahren erfolgreich installiert.
Die Bundesregierung hat hier zum großen Bedauern der akademischen klinischen Forschung von ihrem Regelungsspielraum Gebrauch gemacht und sieht statt eines nationalen Entschädigungsfonds eine Probandenversicherung vor.
§ 40a Absatz 3:
Die Bundesregierung sieht vor, den derzeitigen Wortlaut im Arzneimittelgesetz in Teilen beizubehalten. Die dort gewählt Formulierung weicht jedoch entscheidend von der Formulierung der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ab:
Vorgeschlagene Formulierung im Referentenentwurf:
„Einer Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 bedarf es nicht bei einer minimalinterventionellen klinischen Prüfung nach Artikel 2 Absatz 2 Nummer 3 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, soweit eine anderweitige Versicherung für Prüfer und Sponsor besteht.“
Formulierung in der Verordnung (EU)Nr. 536/2014:
„…verlangen vom Sponsor für minimalinterventionelle klinische Prüfungen keine zusätzliche Anwendung des Verfahrens gemäß Absatz 1, wenn alle Schäden, die einem Prüfungsteilnehmer aus der Anwendung des Prüfpräparats…entstehen könnten, durch das bereits vorhandene anwendbare Entschädigungssystem abgedeckt sind“ (Artikel 7, Abs. 1g/ Artikel 76, Abs. 3 /Anhang I Kapitel O)
Eine Anpassung der vorgeschlagenen Formulierung an die Formulierung der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ist unserer Meinung nach unbedingt erforderlich, da der Gesetzgeber die Verordnung in ihrem Wortlaut übernehmen muss. Zudem sollte bedacht werden, dass die im Referentenentwurf vorgeschlagene Formulierung aus dem derzeit gültigen Gesetzestext des Arzneimittelgesetzes übernommen wurde, der nicht zu der gewünschten – dem Risiko der klinischen Prüfung entsprechenden – Entlastung bei minimalinterventionellen, in der Regel wissenschaftsinitiierten klinischen Prüfungen geführt hat.
Bei minimalinterventionellen klinischen Prüfungen sollten eventuelle Schäden durch die Anwendung des Prüfpräparats durch die Produkthaftung abgedeckt sein, so dass ein separater Nachweis von Versicherungen oder sonstiger Deckung für Schadenersatz (siehe Anhang I Kapitel O) nicht erforderlich sein sollte. Es ist jedoch klarzustellen, ob dies auch gilt, wenn der Einsatz eines Prüfpräparates im off-label-Bereich (z. B. ein Großteil der klinischen Prüfungen mit Minderjährigen) bei in Deutschland oder in anderen Mitgliedstaaten dokumentierter Evidenz zur Wirksamkeit erfolgt bzw. wenn das Prüfpräparat falsch angewendet wird.
§ 40b Besondere Voraussetzungen für die klinische Prüfung
§ 40b Absatz 4
„…Bei einer volljährigen Person, die nicht in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten, darf eine klinische Prüfung im Sinne des Artikels 31 Absatz 1 Buchstabe g Ziffer ii der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, die ausschließlich einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgruppe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge haben wird (gruppennützige klinische Prüfung) nur durchgeführt werden, soweit eine Patientenverfügung nach § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die gruppennützige klinische Prüfung gestattet. Bei Minderjährigen, für die nach Erreichen der Volljährigkeit Satz 1 gelten würde, darf eine solche gruppennützige Forschung nicht durchgeführt werden.“
In § 40 b Absatz 4 wurde von der Möglichkeit, national strengere Regelungen vorsehen zu können, Gebrauch gemacht. Gemäß Verordnung (EU) Nr. 536/29014 wäre eine gruppennützige Forschung bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen möglich, wenn es wissenschaftliche Gründe für die Erwartung gibt, dass die Teilnahme an der klinischen Prüfung
- einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgruppe, zu der der betroffene, nicht einwilligungsfähige Prüfungsteilnehmer gehört, zur Folge haben wird, sofern:
- die klinische Prüfung im direkten Zusammenhang mit dem lebensbedrohlichen oder zu Invalidität führenden klinischen Zustand steht, unter dem der Prüfungsteilnehmer leidet, und sofern
- die Prüfung den betroffenen nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmer im Vergleich zur Standardbehandlung seiner Erkrankung nur einem minimalen Risiko und einer minimalen Belastung aussetzt.
Alle anderen Schutzvorschriften für die Durchführung einer klinischen Prüfung gelten darüber hinaus. Des Weiteren
- muss die Einwilligung nach Aufklärung des gesetzlichen Vertreters vorliegen, der nicht einwilligungsfähige Prüfungsteilnehmer muss die Informationen zu der klinischen Prüfung in einer Form erhalten haben, die seiner Fähigkeit, diese zu begreifen, angemessen ist und
- der ausdrückliche Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmers, die Teilnahme an der klinischen Prüfung zu verweigern oder seine Teilnahme daran zu irgendeinem Zeitpunkt zu beenden, muss durch den Prüfer beachtet werden.
Wir sehen in dem Vorschlag, bei Vorliegen einer Patientenverfügung gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähig gewordenen Patienten zu ermöglichen, eine vorsichtige Öffnung der derzeitigen Regelungen und danken der Bundesregierung, dass sie eine solche Öffnung in Erwägung zieht. Wir denken allerdings, dass die in § 40 b Absatz 4 vorgesehene Verknüpfung der Möglichkeit einer solchen gruppennützigen Forschung an eine entsprechende Patientenverfügung, die vor dem Verlust der Einwilligungsfähigkeit erteilt wurde, nicht ausreichend sein wird, um den Forschungsbedarf für Patienten dieser Bevölkerungsgruppe zu decken. Wir gehen davon aus, dass zum einen nur wenige Personen im Rahmen einer Patientenverfügung an klinische Prüfungen denken werden, und zum anderen – und dies ist entscheidender, ist zu befürchten, dass die gewählte Formulierung im Zweifelsfall zu offen gewählt wäre, um anerkannt zu werden.
Wir bitten Sie daher nochmals zu bedenken, ob - obwohl nicht einwilligungsfähige Personen zweifellos eine besonders zu schützende Personengruppe darstellen – eine gruppennützige Forschung unter den genannten strengen Kriterien nicht zumindest für nicht einwilligungsfähige Erwachsene, die nicht bereits vor Erreichen der Volljährigkeit nicht einwilligungsfähig waren und die Einwilligungsfähigkeit auch später nicht erreichen würden, erlaubt werden sollte (z. B. Patienten mit degenerativen Erkrankungen). Bei Minderjährigen ist die gruppennützige Forschung in Deutschland seit 2004 erlaubt. Die Einführung der Möglichkeit der gruppennützigen Forschung bei Minderjährigen war auf die Erkenntnis zurückzuführen, dass die bis dahin strengeren Regelungen letztendlich zu einer ungenügenden Evidenzlage zur Behandlung Minderjähriger geführt haben, mit allen damit verbundenen Unsicherheiten in der Anwendung von Arzneimitteln und den damit verbundenen Konsequenzen. Dieses Problem hat damals durch zahlreiche „Aufklärungsaktionen“ unter anderem der Pädiater große Aufmerksamkeit sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in der Presse gefunden. Ähnliche Evidenzlücken bestehen durch den zunehmenden Bedarf bei der Behandlung nicht einwilligungsfähiger Erwachsener.
Auch die Deklaration von Helsinki erlaubt gruppennützige Forschung bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen unter spezifischen Bedingungen:
„20. Medizinische Forschung mit einer vulnerablen Gruppe ist nur gerechtfertigt, wenn das Forschungsvorhaben auf die gesundheitlichen Bedürfnisse oder Prioritäten dieser Gruppe reagiert und das Forschungsvorhaben nicht an einer nicht-vulnerablen Gruppe durchgeführt werden kann. Zusätzlich sollte diese Gruppe in der Lage sein, aus dem Wissen, den Anwendungen oder Maßnahmen Nutzen zu ziehen, die aus dem Forschungsvorhaben hervorgehen.“
Damit trägt auch die von der Bundesärztekammer mitgetragene Deklaration von Helsinki dem Bedarf nach Schaffung von Evidenz für die Behandlung dieser schutzbedürftigen Personengruppe Rechnung. Die dort aufgeführten Bedingungen werden durch Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 erfüllt.
Forschung zur Diagnostik und Therapie ist auch und insbesondere in den Indikationsbereichen notwendig, in denen die Patienten oftmals nicht einwilligungsfähig sind, um Erkenntnisse über deren spezifische Krankheiten zu gewinnen, aus denen sich nachfolgend Ansatzpunkte für Behandlungsmöglichkeiten entwickeln könnten. So sind Untersuchungen zur Pharmakokinetik wichtig, um die Dosis und Anwendungshäufigkeit ggf. einer spezifischen Stoffwechselsituation oder Interaktionen anpassen zu können. Damit dient diese gruppennützige Forschung dazu, die Behandlungsoptionen dieser Bevölkerungsgruppe zu verbessern. Auch die Möglichkeit, diagnostische Werkzeuge für eine Früherkennung solcher Krankheiten und damit einen frühzeitigen (und damit verbunden möglicherweise wirksameren Einsatz von Medikamenten) zu gewinnen, wäre Ziel einer solchen Forschung.
Die Forschung mit nicht einwilligungsfähigen Personen stellt gesellschaftlich eine große Herausforderung dar. Unter dem Aspekt des demografischen Wandels geht es hierbei zum einen um die Behandlung älterer Menschen und der damit verbundenen altersspezifischen Erkrankungen und die Therapie von Personen mit psychischen Erkrankungen.
Forschung zur Verbesserung therapeutischer Optionen, die zum Teil gruppennützig ist, sollte daher auch bei dieser Patientengruppe möglich sein, um medizinischen Fortschritt für diese Patientengruppe zu ermöglichen. Der grundrechtlich geforderte Schutzstandard für diese Patientengruppe ist unseres Erachtens durch die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gewährleistet. Ggf. könnte man hier noch auf nationaler Ebene einschränkend auf ein absolutes Minimum abstellen, wie dies derzeit für gruppennützige Forschung bei nicht einwilligungsfähigen Minderjährigen gilt. Wir denken, dass eine gruppennützige Forschung entsprechend strenger Vorgaben für diese Gruppe ebenso möglich sein sollte, wie dies bei Minderjährigen der Fall ist, um die Evidenzlage und die Behandlungsmöglichkeiten für diese Gruppe zu verbessern.
Wir schlagen daher vor, auch in Deutschland bei dieser Personengruppe eine gruppennützige Forschung unter den genannten Kriterien zu ermöglichen, und diese Möglichkeit nicht ausschließlich an das Vorhandensein einer Patientenverfügung zu binden. Dies könnte in einer weiteren Einschränkung nur für solche nicht einwilligungsfähige Erwachsene gelten, die nicht bereits vor Erreichen der Volljährigkeit nicht einwilligungsfähig waren und die Einwilligungsfähigkeit auch später nicht erreichen würden. Bei der Entscheidung, ob man einer solchen Öffnung zustimmt, sollte auch bedacht werden, dass eine gruppennützige klinische Prüfung immer noch der zustimmenden Bewertung einer Ethik-Kommission sowie der Bundesoberbehörde bedarf. Unserer Auffassung ist diese ethische Abwägung im Einzelfall eher im Sinne der betroffenen Patienten und Patientengruppe, als ein genereller Ausschluss dieser Personen von einer gruppennützigen Forschung.
Auch der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland hat im Juni 2015 bei seiner Tagung über diese Frage diskutiert. Eine Mehrheit der Ethik-Kommissionen hat sich dafür ausgesprochen, bei diesen Patienten in sehr engen Grenzen analog zu den Minderjährigen eine gruppennützige Forschung zu erlauben.
§ 40b Absatz 6
„Die betroffene Person oder, falls diese nicht in der Lage ist, eine Einwilligung nach Aufklärung zu erteilen, ihr gesetzlicher Vertreter, muss schriftlich und ausdrücklich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten, insbesondere von Gesundheitsdaten einwilligen. Sie ist über Zweck und Umfang der Erhebung und Verwendung dieser Daten aufzuklären…“
Die in Absatz 6 gewählte Formulierung ermöglicht es nicht, von der in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 in Artikel 30 vorgesehenen Regelung für ein vereinfachtes Verfahren für die Einwilligung nach Aufklärung für clusterrandomisierte klinische Prüfungen Gebrauch zu machen, sondern hält für diese klinischen Prüfungen an den strengeren allgemeinen Regelungen fest. Es gibt – wenn auch nur sehr selten – klinische Prüfungen, für die die Regelung, wie sie in die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 aufgenommen wurde, sinnvoll sein kann. Dabei ist zu beachten, dass ein solch vereinfachtes Verfahren für die Einwilligung nach Aufklärung auch nach den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 nur unter sehr begrenzten Bedingungen möglich ist, und zwar nur dann, wenn
- es sich um eine nationale und minimalinterventionelle klinische Prüfung handelt (die zusätzlichen diagnostischen oder Überwachungsverfahren stellen im Vergleich zur normalen klinischen Praxis in dem betroffenen Mitgliedstaat nur ein minimales zusätzliches Risiko bzw. eine minimale zusätzliche Belastung für die Sicherheit der Prüfungsteilnehmer dar)
und
- die bereits zugelassenen Prüfpräparate gemäß den Bedingungen der Zulassung verwendet werden. Die einzige Intervention besteht in der Zuteilung zu einer der Behandlungsgruppen.
Eine Regelung, wie in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 vorgesehen, könnte beispielsweise im Bereich der Hygienemedizin sinnvoll sein. So würde bei Maßnahmen zur Keimreduktion bzw. Infektionsprophylaxe, die auf Stationsebene erfolgen sollen, durch die Einbindung nur einzelner Patienten einer Station anstatt der gesamten Patienten der Station als Cluster eine künstliche Situation geschaffen, die in der Folge die Aussage der klinischen Prüfung verfälschen würde. Als Beispiel sei folgendes Forschungsprojekt angeführt:
Ziel der klinischen Prüfung ist es, zu untersuchen, ob der Einsatz von Waschlappen, die mit einem antiseptischen Wirkstoff (in einem Fall zugelassen als Arzneimittel) getränkt sind, bei Patienten auf Intensivstationen, die einen zentralen Venenkatheter haben, zu einer Reduktion der Inzidenz Katheter-bedingter Sepsis führt. Das Design ist cluster-randomisiert (teilnehmende Station als Cluster), cross-over und Placebo-kontrolliert (Waschlappen ohne Wirkstoff). Es werden nur aggregierte Daten erhoben, die in den Hygiene-Abteilungen unabhängig von der klinischen Prüfung routinemäßig anfallen. Es werden explizit keine Einzeldaten von Patienten benötigt.
Die klinische Prüfung ist nur sinnvoll, wenn alle Patienten einer Station gleich gepflegt werden. Würden nur einzelne Patienten einer Station teilnehmen, wäre das Ergebnis nicht auf eine Situation, in der alle Patienten mit Waschlappen gewaschen würden, übertragbar (andere Keimverteilung auf der Station).
Uns ist bewusst, dass es sich bei der in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 vorgesehenen Möglichkeit um einen Paradigmenwechsel handelt und es daher aus nachvollziehbaren Gründen große Vorbehalte gibt, die in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 vorgesehene Regelung für eine vereinfachte Aufklärung für cluster-randomisierte klinische Prüfungen für Deutschland zu übernehmen. Sollten wir uns auf nationaler Ebene entschließen – wofür wir aufgrund der Beispiele plädieren – die europäische Regelung zu übernehmen, dann sollten im Durchführungsgesetz ergänzende Regelungen aufgenommen werden, die sicherstellen, dass dies nur unter sehr restriktiven Bedingungen erfolgt. Dazu können z.B. gehören: Hinweis im Anschreiben; detaillierte Darlegung der Notwendigkeit des Verfahren und der Gründe, aus denen das übliche Verfahren der Einwilligung nicht durchführbar ist; Hinweis von Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission in der Genehmigung der clusterrandomisierten Prüfung, die sicherstellt, dass dieser Punkt bei der Genehmigung besonders geprüft wurde, obligatorische Einbindung von Patientenvertretern in Design und Gestaltung des Aufklärungsprozedere.
Zu Nummer 12 § 41 Stellungnahme der Ethik-Kommission
§ 41 Absatz 1
„Die Stellungnahme der Ethik-Kommission nach § 40 Absatz 2 Satz 2 muss ein klares Votum im Sinne einer Zustimmung oder einer Ablehnung der Vertretbarkeit der Durchführung der klinischen Prüfung sowie eine entsprechende Begründung enthalten.“
Hier sollte zusätzlich die Möglichkeit eines Votums vorgesehen werden, dass eine Zustimmung bei Erfüllung spezifischer Auflagen vorsieht da die Genehmigung der Behörde gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 mit „Auflagen“ versehen werden kann. Dieses dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgende Vorgehen (milderes Mittel als Ablehnung) sollte auch bei der Stellungnahme der Ethik-Kommission greifen.
Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung
Wir bedauern sehr, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung außer in der Begründung nicht auf die unseres Erachtens dringend erforderliche Änderung der Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung eingeht und keine entsprechenden Änderungsvorschläge für die Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung und das künftige Strahlenschutzgesetz enthält.
Unseres Erachtens ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Verfahren, die sowohl unter das Arzneimittelgesetz, als auch unter die Röntgen- bzw. Strahlenschutzverordnung fallen, zeitlich aufeinander abgestimmt und bestenfalls auch strukturell miteinander verknüpft werden, um das Ziel, die gute Positionierung des Standorts Deutschland zu bewahren und auszubauen, aber ganz besonders auch das Ziel, schwerkranke Patienten schnellstmöglich mit innovativen Arzneimitteln zu versorgen, erreicht werden kann. Hierzu ist es erforderlich, zeitnah verbindliche, mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 vereinbare Fristen für die Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz gesetzlich zu verankern, damit Planungssicherheit für alle Beteiligten erreicht wird.
Wir gehen davon aus, dass dies auch durch die Bundesregierung ähnlich gesehen wird, wie wir dem allgemeinen Teil der Begründung des vorgelegten Gesetzentwurfs entnehmen.
Leider haben wir nach der Präsentation der derzeitigen Überlegungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) am 13.04.2016 im Rahmen des „9. Konsultationstreffen zum Genehmigungsverfahren ‚Medizinische Forschung’ gemäß § 23 StrlSchV und § 28a RöV“ begründete Zweifel, dass die Überlegungen des BMUB mit dem in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sowie in dem Bericht der Bundesregierung zum Pharmadialog formulierten Ziel von mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 vereinbarer Fristen im Strahlenschutzrecht vereinbar sind. Damit besteht unseres Erachtens die Gefahr, dass die große Chance vertan wird, sachgerechte Lösungen für diesen Bereich zweifelsfrei und zeitgerecht zu verankern.
Zwar begrüßen wir den am 13.04.2016 vorgestellten Grundansatz, für Begleitdiagnostik ein mit Fristen versehenes Anzeigeverfahren vorzusehen, ausdrücklich. Die im Rahmen der Sitzung vorgeschlagenen Abläufe gehen jedoch an einer rechtssicheren Ausgestaltung vorbei und laufen auch den geplanten Regelungen im nationalen Durchführungsgesetz zur Verordnung (EU) 536/2014 zur Genehmigung klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln zuwider. Darüber hinaus ist der derzeitige Vorschlag mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand auf nationaler Ebene verbunden. Und für alle klinischen Prüfungen, die unter das ausführliche Verfahren fallen, sind keine Fristen vorgesehen.
Dies ist unserer Auffassung nach inakzeptabel. Zeitlich sollte sich das Anzeigeverfahren für klinische Prüfungen mit Begleitdiagnostik beim BfS an den Regelungen der Verordnung (EU) 536/2014 orientieren, um ein solches Zuwiderlaufen zu verhindern. Daher sollte für das Anzeigeverfahren folgender Ablauf vorgesehen werden: 10 Kalendertage für die Prüfung auf formale Vollständigkeit durch das BfS; 10 Kalendertage für den Antragsteller, fehlende Unterlagen beizubringen bzw. Informationen zu ergänzen; 5 Kalendertage für die finale Prüfung auf formale Vollständigkeit durch das BfS, sofern eine Nachforderung erfolgt ist; 21 Kalendertage für die inhaltliche Prüfung des Antrags durch das BfS, damit die strahlenschutzrechtliche Genehmigung des BfS bei der nationalen Entscheidung im EU-Verfahren Eingang finden kann. Wichtig ist dabei auch, dass die zustimmende Stellungnahme der Ethik-Kommission keine Voraussetzung für die strahlenschutzrechtliche Genehmigung darstellen sollte, da die zustimmende Stellungnahme der Ethik-Kommission ohnehin eine grundlegende Voraussetzung für die Durchführung der klinischen Prüfung darstellt. So wäre auch sichergestellt, dass die Verfahren parallel ablaufen.
Auch der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. April 2016 in seiner Empfehlung zum Gesetzentwurf für ein Viertes Änderungsgesetz die Bundesregierung aufgefordert, im Hinblick auf strahlenschutzrechtliche Genehmigungen zeitnah gesetzliche Regelungen zur Bearbeitungszeit solcher Prüfungen einzuführen. In seiner Empfehlung findet sich folgende Passage: "Es ist daher erforderlich, für beide Genehmigungsverfahren gesetzliche Fristen einzuführen, wie sie bereits seit langem für die Genehmigungen durch andere Bundesoberbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Paul-Ehrlich-Institut) gelten. Es ist hier kein sachlicher Grund erkennbar, der für den Bereich der Röntgen- und Strahlenschutzverordnung einen höheren Zeitaufwand rechtfertigen könnte. Es wird daher gefordert, dass die zu implementierenden Fristen für Genehmigungen durch das Bundesamt für Strahlenschutz grundsätzlich auf die Fristen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von klinischen Prüfungen nach Verordnung (EU) Nr. 536/2014 abgestimmt werden. Hiernach sind in der Regel für eine Validierung zehn Tage und für die Bewertung von Teil I und II 45 Tage ab dem Tag der Validierung vorgesehen."
Wenn die Ethik-Kommissionen, die insbesondere im universitären Bereich zum Teil auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen sind bzw. diese Aufgaben zusätzlich zu anderen Dienstaufgaben erledigen müssen, im Rahmen der vorgegebenen Fristen sachgerecht arbeiten können, dann ist es unseres Erachtens legitim, dies bei einer Bundesoberbehörde wie dem BfS ebenso vorauszusetzen. Auch dem Bundesrat scheint in seiner Empfehlung vom 22.04.2016 nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Bundesamt für Strahlenschutz längere Fristen beansprucht. Da sich nach eigenen Mitteilungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Bau (BMUB) die Bewertungszeiträume seit Oktober 2014 bereits wesentlich verkürzt haben und den geforderten Bewertungszeiträumen bereits entsprechen sollen, gehen wir davon aus, dass die rechtsverbindliche Einführung solcher Fristen nur noch einen formalen, wenn auch wichtigen Schritt darstellt.
Die strahlenschutzrechtliche Genehmigung klinischer Prüfungen, die sowohl unter das Arzneimittelgesetz wie unter die Röntgen-/Strahlenschutzverordnung fallen, sollte unserer Meinung nach bereits jetzt im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften mit geregelt und es sollte für eine Parallelität der Verfahren gesorgt werden. Eine Einbindung der Genehmigung des BfS in die nationale Stellungnahme/ in die nationale Genehmigung würden wir – auch aus Gründen der Klarheit für den Sponsor einer klinischen Prüfung – für wichtig erachten. Dies würde für multinationale klinische Prüfungen zudem ein deutliches Signal setzen und für den Sponsor den Vorteil aufweisen, dass bei Vorliegen der nationalen Genehmigung klar ist, dass die klinische Prüfung in allen Punkten genehmigt ist und begonnen werden kann.
Sollte das BMUB sich weiterhin außer Stande sehen, solche Fristen für das Bundesamt für Strahlenschutz vorzusehen und entsprechende Regelungen einzuführen, dann sollte zumindest für den Bereich der Begleitdiagnostik die Genehmigung der Anwendung ionisierender Strahlung durch die Genehmigung des BfArM / PEI für die gesamte Studie abgedeckt werden. Denkbar wäre hier auch die Aufnahme einer Regelung analog der für Prüfpräparate, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen bestehen (siehe §40, Absatz 7, 4tes Änderungsgesetz).
Wir halten es zudem für dringend erforderlich, sachgerechte Fristen für das vollumfängliche Verfahren einzuführen. Wir haben bisher keine Argumente gehört, die gegen die Einführung solcher Fristen sprechen bzw. keinen sachlichen Grund erkennen können, der für den Bereich der Röntgen- und Strahlenschutzverordnung einen höheren Zeitaufwand rechtfertigen könnte wie für die Genehmigung einer klinischen Prüfung an sich.
Es würde eine ernste Gefährdung der Verfügbarkeit und Zulassung von Innovationen (wie z. B. einer Vielzahl von derzeit in der Entwicklung befindlichen molekularen Substanzen in der Onkologie) bedeuten, wenn weiterhin keine verlässlichen Genehmigungszeiträume eingeführt werden. In bestimmten Indikationsgebieten würden den Patienten damit gleichzeitig mögliche Chancen aus einer alternativen oder spezifischen Therapie verloren gehen, die oftmals auch die letzte therapeutische Möglichkeit darstellt und damit für diese Patienten eine hohe Überlebensrelevanz hat. Aufgrund der fehlenden rechtssicheren Ausgestaltung gehen nach einer Schätzung des vfa etwa 15 Prozent der klinischen Prüfungen mit innovativen neuen Therapieformen am Standort Deutschland vorbei. Wir erlauben uns an dieser Stelle, die Vertreter von Patientenorganisationen zu zitieren, die im Verlauf der Erarbeitung gemeinsamer Stellungnahmen darauf hingewiesen haben „wir (die Patienten) haben keine Zeit zu verlieren“ (siehe z. B. den von 39 Organisationen aus dem Bereich der medizinischen Forschung getragenen Vorschlag für gesetzliche Regelungen für die Genehmigung klinischen Prüfungen durch das Bundesamt für Strahlenschutz).