Trouble shooting vermeiden – rechtliche, ethische und methodische Aspekte im Forschungsdesign berücksichtigen
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„Tragen Sie die hier gewonnenen Einsichten an die Kolleginnen und Kollegen weiter, die nicht an diesem Kongress teilnehmen konnten. Nur so können wir die Sicherheit, Qualität, Effizienz und die für die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse wichtige Standardisierung in der medizinischen Forschung voranbringen und die immer vielschichtigeren Fragestellungen in einem komplexeren Umfeld lösen.“ Diesen Appell richtete PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, Präsident und Gastgeber des diesjährigen TMF-Jahreskongresses, an die rund 160 Teilnehmer, die am 2. und 3. April 2014 aus ganz Deutschland in Jena zusammengekommen waren. Ziel müsse es sein, medizinische Forschung als Quelle von Innovationen unmittelbarer und schneller als bisher für die Krankenversorgung zu nutzen.
Prof. Dr. Thomas Deufel © TMF e.V.
In seinem Grußwort zur Kongresseröffnung betonte Prof. Dr. Thomas Deufel, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, wie wichtig die wissenschaftliche Schwerpunktbildung für die Entwicklung von Regionen sei. Forschung und Forschungsförderung seien heute eher Standort- und Struktur- als Fächer-bezogen. In Jena sei diese Schwerpunktsetzung insbesondere mit dem Cluster zur Sepsisforschung sehr gut gelungen. Die TMF sei dabei eine wichtige Einrichtung, um bundesweite Fördermaßnahmen mit Nachhaltigkeit zu versehen.
Impressionen
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The congress venue Jena is characterized by a long tradition of optical technologies and infection research. © TMF e.V.
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Prof. Dr. Andreas Hochhaus © TMF e.V.
Der Prodekan für Forschung der Medizinischen Fakultät der Universität Jena, Prof. Dr. Andreas Hochhaus, betonte, dass Infrastrukturen in der medizinischen Forschung in Jena eine wichtige Rolle spielen. Dies fange schon bei der Betreuung der Doktoranden an, die frühzeitig Zugang zu Infrastrukturprojekten erhielten. Das größte Infrastrukturprojekt sei derzeit der Bau eines neuen Klinikums in Lobeda, bei dem Forschungsinfrastrukturen von Anfang an mit etabliert würden
PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf © TMF e.V.
Partnerschaftliche Kooperationen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe ausbauen
In seiner Eröffnungsrede wies Kongresspräsident PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, Kommissarischer Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik am Universitätsklinikum Jena, darauf hin, dass die hohe Qualität der akademischen Forschung eine große Stärke des Forschungsstandortes Deutschland darstellt. „Herausragende Bedeutung hat hierfür der Ausbau von partnerschaftlichen, wissenschaftlichen Kooperationen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe“, sagte er. Es müssten entsprechende Finanzierungsanreize geschaffen werden, um die Entwicklung und Implementierung zukunftsweisender, international wettbewerbsfähiger Hochschulprofile für die translationale medizinische Forschung zu gewährleisten. Die TMF unterstütze diese Kooperationen seit vielen Jahren, indem sie eine Plattform für den interdisziplinären Austausch und die projekt- wie standortübergreifende Zusammenarbeit und die gemeinsame Lösung der rechtlich-ethischen, technologischen und organisatorischen Probleme bereitstelle.
Prof. Dr. Michael Krawczak © TMF e.V.
Der Trend zur Vernetzung in der medizinischen Forschung nimmt weiter zu
Prof. Dr. Michael Krawczak, der Vorstandsvorsitzende der TMF, wies darauf hin, dass die TMF nun seit zehn Jahren als Verein organisiert sei. Die Vereinsgründung hatte sich damals von der Gründungsversammlung im August 2003 über die erste Mitgliederversammlung und den Neustart der Geschäftsstelle bis zum Eintrag im Vereinsregister im Oktober 2004 erstreckt. Insofern sei das Jubiläumsdatum etwas unscharf, April 2014 sei aber ein guter Mittelwert. Die TMF war 1999 als Förderprojekt des BMBF gegründet worden. Mit der Ausgründung als Verein sei das Ziel verfolgt worden, größere Flexibilität bei der Umsetzung der Aufgaben und eine Verstetigung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen medizinischer Forschungsverbünde zu schaffen. Der „bottom up“-Ansatz sollte die Möglichkeiten der Mitgestaltung durch die Verbünde verbessern und die Forscher stärker selbst für die Entwicklung von Instrumenten und Methoden in die Verantwortung nehmen. Da der Trend zur Vernetzung in der medizinischen Forschung zunehme, die Ressourcen in den Forschungseinrichtungen sich zugleich verringerten und der digitale Wandel in Gesundheitswesen und Wissenschaft auch auf der Ebene der Politik weiter vorangetrieben werde, sehe er auch für die kommenden Jahre noch eine zentrale Rolle und zahlreiche wichtige Aufgaben für die TMF.
Prof. Dr. Heyo K. Kroemer © TMF e.V.
Mit den Zentren der Gesundheitsforschung könnte die translationale Forschung eine neue Qualität erreichen
In seiner Keynote machte Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Dekan der medizinischen Fakultät in Göttingen und Präsident des Medizinischen Fakultätentages, deutlich, dass sich der Druck in Richtung Translation – der Übersetzung von experimentellen Befunden in die Anwendung in Diagnostik und Therapie – durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren verstärken wird: Man rechne beispielsweise für das Jahr 2050 mit drei Millionen Demenzkranken bei einer Gesamtbevölkerung von 70 Millionen in Deutschland.
Eine große Chance böten hier insbesondere die in den vergangenen Jahren gegründeten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, mit denen die translationale Forschung in Deutschland eine neue Qualität erreichen könnte, wenn es gelingt, eine faire Partnerschaft zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen zu etablieren und die nötigen administrativen Voraussetzungen zu schaffen. Defizite in der Universitätsmedizin sehe ehr darin, dass es wenig Institutions-übergreifende Aktivitäten gebe und keine dauerhafte Finanzierung verfügbar sei. Die Situation verschärfe sich zudem durch Föderalismusreform und Schuldenbremse. Die Universitätsmedizin sei für die translationale Forschung allerdings unerlässlich, da es nur hier die Kombination von intensiver Forschung und großen Patientenzahlen gebe. Notwendig sei jedoch eine Standardisierung und Harmonisierung der Infrastrukturen.
Dr. Siegfried Throm © TMF e.V.
Die TMF hat wichtige Vorarbeiten für den Aufbau von medizinischen Forschungsinfrastrukturen geleistet
Mit den Zentren für klinische Studien, den Kompetenznetzen in der Medizin, den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, der Nationalen Kohorte, den zentralisierten Biobanken und zahlreichen weiteren Verbundprojekten existieren aus Sicht von Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung, Entwicklung, Innovation beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) in Deutschland wichtige Forschungsinfrastrukturen.
Eingebettet in eine vielfältige Forschungslandschaft und zusammen mit gut ausgebildeten Fachkräften sowie einer starken biomedizinischen Industrie machen sie die Stärke des F&E-Standorts Deutschland aus. Insbesondere zu Fragen der IT-Infrastruktur und Datenkompatibilität, des Datenschutzes, des Qualitätsmanagements und zum Aufbau und Betrieb von Biobanken habe die TMF wichtige Vorarbeiten geleistet. Wichtig sei für die weitere Entwicklung eine aufeinander abgestimmte Wirtschafts-, Gesundheits- und Forschungspolitik.
Dr. Renate Loskill (rechts) mit Session-Moderator Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst © TMF e.V.
Bedarf an strukturierter Aufbereitung von Daten steigt enorm an
Dr. Renate Loskill, Leiterin des Referats Gesundheitsforschung im BMBF, wies auf die zunehmende Bedeutung der Medizininformatik hin. Es sei ein enorm ansteigender Bedarf zu sehen, vorhandene Daten – Stichwort „Big Data“ – zu strukturieren, aufzubereiten und sowohl für die Forschung als auch für versorgungsrelevante Entscheidungen zugänglich zu machen. Als Beispiel für eine Infrastruktur, die sich dieser Aufgabe widme, nannte sie das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastrukturen, das seit Kurzem von ihrem Haus gefördert werde. Sie appellierte an die Kooperationsbereitschaft der Akteure in Forschung und Versorgung, die notwendig sei, um entsprechende Infrastrukturen aufzubauen und zu nutzen.
Dr. Katja Hartig © TMF e.V.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Nutzung von Infrastrukturen im Rahmen von Projekten und hat außerdem 2012 eine eigene Förderlinie zu Infrastrukturen für Forschungsdaten eingerichtet. Darauf wies Dr. Katja Hartig, DFG-Mitarbeiterin im Fachbereich Medizin und in der Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme, in ihrem Beitrag hin. Diese Angebote würden allerdings bisher noch recht wenig genutzt. Da die Fördermittel der DFG nach Bedarf (= Menge der eingegangenen Anträge) auf die Bereiche verteilt werden, sei eine höhere Zahl von Anträgen sehr zu wünschen, damit aus DFG-Mitteln Infrastrukturen stärker gefördert werden könnten. Insbesondere wies sie darauf hin, dass im Rahmen von Projekten auch der TMF-Mitgliedsbeitrag beantragt werden könne. „Das Engagement in der TMF ist sehr zu unterstützen“, betonte Hartig.
Prof. Dr. Otto Rienhoff © TMF e.V.
Interoperabilität zwischen den Zentren fördern
Zum Thema „Infrastruktur für die Zusammenarbeit von universitärer und nicht universitärer Forschung in den deutschen Zentren der Gesundheitsforschung“ sprach Prof. Dr. Otto Rienhoff, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik an der Universitätsmedizin Göttingen und Vorsitzender des Beirats der TMF, der für einen kurzfristig ausgefallenen Referenten eingesprungen war. Wenn Deutschland international kompetitiv bleiben wolle in der Methodik der Infrastrukturen, so betonte er, dann müsse dringend die Interoperabilität zwischen den Forschungszentren und -verbünden gefördert werden.
Ein Problem sei insbesondere, dass die methodischen und infrastrukturellen Aspekte in den Verbundprojekten meist als reine Services gesehen und nicht von Anfang an konzeptuell in die Planung der Projekte eingebunden würden. Dies führe zu einer Unterschätzung und Unterausstattung insbesondere der statistischen und informatischen Bereiche und bringe im Projektverlauf nachhaltige Hindernisse mit sich. Rienhoff plädierte für einen Ausbau der Fortbildungsangebote an Forscher und Forschungsmanager sowie für eine Fortentwicklung der Begutachtungsverfahren mit einem entsprechenden Wertesystem und fachlich ausgewiesenen Gutachtern.
Prof. Dr. Ulrich Sax, Dr. Thomas Ganslandt und Matthias Löbe © TMF e.V.
Ein Werkzeugkasten zur Zusammenführung und Aufbereitung heterogener Datenbestände
In der klinischen und translationalen Forschung mit zunehmend dezentralen Forschungsinfrastrukturen müssen heterogene Datenbestände zusammengeführt und aufbereitet werden, um eine langfristige Nachnutzung der Forschungsdaten zu ermöglichen. Dies kann über eine datenschutzkonforme Plattform in einem Data Warehouse geschehen. Ein modulares Open Source System hierfür bietet i2b2 (Informatics for Integrating Biology and the Bedside), für das im Rahmen eines TMF-Projektes ein Werkzeug-Set entwickelt worden ist, das den Einsatz des Systems in Deutschland erleichtert.
Die Projektleiter Prof. Dr. Ulrich Sax (Universität Göttingen), Dr. Thomas Ganslandt (Universität Erlangen) und Matthias Löbe (Universität Leipzig) stellten das „Integrated Data Repository Toolkit“ (IDRT) vor. Es bietet eine Anpassung von i2b2 an die Anforderungen in Deutschland sowie zusätzliche Unterstützung, beispielsweise mit dem Installations-Wizard, der auch beim i2b2-Entwicklerteam in Boston bereits auf großes Interesse gestoßen ist. Darüber hinaus liegen Werkzeuge für die Extraktion und für die Aufbereitung der Daten sowie für Supportfunktionen vor. Darüber hinaus wird derzeit an einer Anbindung des IDRT an das Nationale Metadatenregister gearbeitet.
Wesentlich für die Nutzer von i2b2 in Deutschland und die TMF als Förderer des IDRT ist die Frage der Nachhaltigkeit. Die IDRT-Projektleiter konnten berichten, dass die erste Förderphase von i2b2 zwar ausgelaufen ist, dass das System aber in den Harvard Medical-Häusern verstetigt worden ist. Weltweit gebe es mittlerweile eine große i2b2-Community. Die TMF habe außerdem nun einen Kooperationsvertrag mit dem i2b2 Center for Biomedical Computing geschlossen. Parallel würden verschiedene andere Werkzeuge weiter beobachtet, die auch eingesetzt werden könnten, sollte i2b2 nicht weiter gefördert werden. Session-Moderator Ronald Speer (ZKS Leipzig), der in der TMF seit vielen Jahren aktiv ist, bezeichnete das IDRT als eines der beeindruckendsten Projekte, die die TMF in den letzten Jahren gestemmt habe.
Prof. Dr. Klaus Pommerening © TMF e.V.
Datenschutzbeauftragte empfehlen die neuen generischen Konzepte der TMF
Prof. Dr. Klaus Pommerening, langjähriger Sprecher der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz, brachte ganz frisch die Nachricht mit, dass die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im Rahmen ihrer Tagung am 27. und 28. März 2014 in Hamburg beschlossen hat, medizinischen Forschungseinrichtungen und -verbünden die neuen generischen Datenschutzkonzepte der TMF als Basis für die konkrete Ausgestaltung von Datenschutzkonzepten zu empfehlen. Das bedeute eine noch größere Anerkennung der TMF-Konzepte und -Beratungsleistungen als mit dem bisher schon gut etablierten Verfahren. Die neuen Datenschutzkonzepte seien 2013 in den Gremien der TMF konsentiert sowie intensiv mit den Arbeitskreisen Wissenschaft und Technik der Datenschutzbeauftragten diskutiert worden. Der Leitfaden werde in Kürze auch in der TMF-Schriftenreihe publiziert.
Prof. Dr. Nils Hoppe © TMF e.V.
Das Kind nicht erst in den Brunnen fallen lassen
Eine Konvergenz der Arbeit von „Nass-Wissenschaftlern“ und Juristen bzw. Ethikern legte Prof. Dr. Nils Hoppe vom Centre for Ethics and Law in the Life Sciences (Leibniz Universität Hannover) den Kongressteilnehmern in seiner Evening-Lecture sehr ans Herz. Klassisch sei es so, dass moralische, rechtliche und gesellschaftliche Wirkweisen von Technologien oder Aktivitäten erst zum Thema würden, wenn es zu spät sei. So wie im Verlauf des ersten Kongresstages schon von Medizininformatikern zu hören war, dass sie oft erst zu spät als „Trouble shooter“ in die Projekte eingebunden würden, gelte dies auch für die Experten in rechtlichen und ethischen Fragen.
Das Kind sei dann meist schon in den Brunnen gefallen und die weitere Begleitung des Projektes könne dann nicht mehr ausreichend erfolgen. Hieraus resultierten häufig negative Wahrnehmung und mangelnde Akzeptanz des Forschungszweigs oder der Technologie sowie oftmals prohibitive normative Rahmenbedingungen, an deren Gestaltung die Forscher selbst dann weniger mitwirken könnten. Regulierung basiere in der Regel nicht auf der Expertenmeinung, sondern auf öffentlicher Wahrnehmung. „Wer mit neuen Technologien arbeitet, muss sich auch mit den – körperlichen wie gesellschaftlichen bzw. sozialen – Risiken beschäftigen“, betonte Hoppe abschließend. Die Öffentlichkeit, und damit auch der Gesetzgeber, habe kein Verständnis für sorglosen Umgang mit als risikoreich wahrgenommenen Technologien.
Prof. Dr. Jürgen Popp © TMF e.V.
Ziel ist die Identifizierung von Sepsis-Erregern in weniger als drei Stunden
Schwingungsspektroskopie als eine Methode der Biophotonik bietet die Möglichkeit, Erregermoleküle direkt anzuschauen und zu charakterisieren. Dies wird die Infektionsdiagnostik in Zukunft deutlich beschleunigen, wie Prof. Dr. Jürgen Popp, Leiter des Instituts für Physikalische Chemie der Universität Jena, in seiner Keynote lecture am Morgen des zweiten Kongresstages erklärte. Goldstandard ist bisher ein verlässliches Verfahren, das allerdings die Kultivierung der Erreger erfordert und damit Zeit braucht. Ziel ist es beispielsweise, für die Sepsis die Identifizierung der pathogenen Keime in weniger als drei Stunden zu erreichen.
Notwendig sei es hierfür, eine große Datenbank anzulegen, um die Varianz der Umwelt- und Messparameter zu erfassen. Darüber hinaus sei es, gerade bei der Sepsis, auch wichtig zu betrachten, wie das eingesetzte Antibiotikum den Erreger beeinflusst. Mittlerweile läge ein standardisiertes Verfahren vor, das nun auch klinische Untersuchungen ermögliche. Das Verfahren sei nicht auf Bakterien beschränkt, sondern könne auch für Viren eingesetzt werden.
Prof. Dr. Michael Bauer © TMF e.V.
Ein Kristallisationskern für die Sepsisforschung in Deutschland
Am Standort Jena verbinden sich eine lange Tradition von Optik, Photonik und Biophotonik einerseits und infektionsbiologischer Forschung andererseits, die sich in den Profillinien der Universität widerspiegeln. Prof. Dr. Michael Bauer, Center for Sepsis Control and Care (CSCC), zeigte auf, wie diese Umgebungsbedingungen für das Aufsetzen des Forschungscampus Infectognostics genutzt werden konnten und wie sich Jena damit zum Kristallisationskern für Sepsisforschung in Deutschland entwickelt hat.
Ein wesentliches Problem sei nach wie vor die Verbindung von Grundlagenforschung und Klinik – das „Valley of Death“ –, für dessen Überwindung Infrastrukturen geschaffen werden müssten. Hier knüpfen die Integrierten Forschungs- und Behandlungszentren (IFB) an, zu denen auch das CSCC gehört. Eine Aufgabe der IFBs sei es, alternative Karrierewege zu entwickeln. So sei am CSCC beispielsweise ein Doktorandenprogramm etabliert worden, bei dem Mediziner ein Jahr Auszeit von der Klinik bekämen und gemeinsam mit Naturwissenschaftlern an Forschungsprojekten arbeiteten. Es sei wichtig, diesen Dialog schon sehr frühzeitig im Studium zu beginnen.
Eugen Ermantraut © TMF e.V.
Räumliche Nähe ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung und Verwertung von Innovationen
Der Jenaer Forschungscampus Infectognostics bringt Unternehmen und Forschungsinstitute mit Förderung durch das BMBF und das Land Thüringen in einer öffentlich-privaten Partnerschaft zusammen. Infectognostics arbeitet an der Entwicklung von Werkzeugen, die Diagnostik möglichst nah beim Patienten ermöglichen. Diese Nähe habe nachweisbaren Effekt auf die Verbesserung der Versorgung, erläuterte Eugen Ermantraut (Alere Technologies GmbH). Die Vision sei, Technologie zu entwicklen, die Diagnostik schnell, dezentral, robust, kostengünstig und „Eine-Welt-kompatibel“ ermögliche. Hierfür solle in Jena eine geschlossene Wertschöpfungskette geschaffen werden. Er betonte, dass Proximität ein wesentlicher Aspekt sei, der die Entwicklung und Verwertung von Innovationen voranbringe.
Prof. Dr. Axel A. Brakhage © TMF e.V.
Humanpathogene Pilze sind ein zunehmendes Problem in der medizinischen Versorgung. Die Diagnose ist schwierig und kommt oft zu spät, es stehen nur sehr begrenzte therapeutische Optionen zur Verfügung, so dass die Mortalität sehr hoch ist. Dies berichtete Prof. Dr. Axel A. Brakhage, Direktor des Hans-Knöll-Instituts Jena und Sprecher des Sonderforschungsbereiches (SFB) FungiNet an den Universitäten Jena und Würzburg. Im SFB FungiNet solle nun mit bioinformatischen Methoden versucht werden, die Netzwerke der Interaktion zwischen pathogenen Pilzen und ihren menschlichen Wirten zu verstehen. Dies geschehe in einem systembiologischen Ansatz in einem iterativen Zyklus von Experiment und Modell. Die Vision sei die Simulierung eines virtuellen Infektionsmodells.
Prof. Dr. Oliver Kurzai © TMF e.V.
Die Grundlagenforschung nicht aus den Augen verlieren
Neben der wichtigen Frage der Translation sollte auch die Weiterentwicklung der Grundlagenforschung nicht aus den Augen verloren werden. Dies betonte Prof. Dr. Oliver Kurzai vom Zentrum für Innovationskompetenz Septomics. Auch dieses BMBF-geförderte Grundlagenforschungsprojekt erforscht die pathogene Bedeutung von Pilzen, hier spezifisch für Sepsis. Hier wird beispielsweise das genetische Risiko für eine invasive Aspergillose erforscht, an der nur etwa zehn Prozent der immunsupprimierten Hochrisikopatienten erkranken, obgleich der Erreger ubiquitär vorkommt. Als Gründe werden die Art der Exposition, die Art und Dauer der Immunsupprimierung sowie die genetische Disposition vermutet.
Kurzai stellte auch das neue Projekt InfectControl 2020 vor, das im Rahmen der Fördermaßnahme „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ des BMBF ausgewählt worden ist. Der Forschungsverbund mit einer Laufzeit von fünf Jahren will grundlegend neue Strategien zur frühzeitigen Erkennung, Eindämmung und erfolgreichen Bekämpfung von Infektionskrankheiten entwickeln und kommerziell erfolgreich implementieren.
Prof. Dr. Mathias Pletz © TMF e.V.
Infektiologische Konsile tragen zur Senkung der Mortalität bei
Seit zwei Jahren wird mit Förderung des BMBF in Jena der Bereich der klinischen Infektiologie aufgebaut, der in Deutschland mit nur wenigen Lehrstühlen immer noch ausbaufähig sei, wie Prof. Dr. Mathias Pletz (Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene (ZIMK), Universitätsklinikum Jena) darstellte. Dabei sei nachgewiesen, dass infektiologische Konsile beispielsweise die Mortalität bei Infektionen mit Staphylococcus aureus um 30 Prozent senkten. Das ZIMK verzahne Forschung und Versorgung und sei ein wichtiges Bindeglied innerhalb der Klinik. Für vergleichbare Strukturen sollten ausreichend Mittel für IT-Schnittstellen vorgesehen werden. Außerdem sei es wichtig für den Erfolg, den klinischen Partnern einen Mehrwert anzubieten.
Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst © TMF e.V.
Für eine ausreichende Berücksichtigung von „Good cops“ in den Finanzplänen von klinischen Forschungsprojekten plädierte Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst, Leiter des Zentrums für Klinische Studien (ZKS) Jena. Damit meine er beispielsweise die Studienassistentinnen, die maßgeblich für das Screening geeigneter Studienpatienten, für deren Rekrutierung und für eine Dokumentation der Daten in hoher Qualität sorgten. Diese Unterstützung bietet ein ZKS neben weiteren Leistungen wie der Identifizierung von Lücken und Defiziten in der Klinik und Bereitstellung der Evidenzlage vor Beginn der Studie oder der methodenwissenschaftlichen Beratung zum Studienprotokoll.
Prof. Dr. Christian Menge © TMF e.V.
One Health: Gesundheit von Tieren und Menschen hängt zusammen
Nutztiere werden schon lange als Modelle für die Infektionsforschung eingesetzt. Dies berichtete Prof. Dr. Christian Menge (Institut für molekulare Pathogenese, Friedrich-Loeffler-Institut, Standort Jena). Mit nationalen Berichtssystemen wie dem TierseuchenNachrichtenSystem (TSN) stehen darüber hinaus Infrastrukturen zur Verfügung, die auch im Sinne des One Health-Konzeptes – der Betrachtung von Tier- und Humangesundheit im Konzext – genutzt werden könnten. Im Zoonosen-Forschungsverbund „Zoonotische Chlamydien“ wurden beispielsweise Therapiestrategien im Kalb auf ihre Wirksamkeit getestet. Dieser experimentelle Ansatz sei weltweit einmalig auf dem Gebiet der Chlamydienforschung und wesentlich aussagekräftiger als die weithin verwendeten Mausmodelle.
Prof. Dr. Heinrich Neubauer © TMF e.V.
Wie eng die Gesundheit von Nutztieren und Menschen zusammenhängt, zeigen auch die Arbeiten im Zoonosen-Forschungsverbund Q-Fieber, präsentiert von Prof. Dr. Heinrich Neubauer (Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen, FLI, Jena). Während die Infektion beim Tier zumeist klinisch inapparent verlaufe, könne beim Menschen schon die Inhalation eines Keimes zur Erkrankung mit grippeartigen Symptomen führen. Insbesondere ein Wohnort in der Nähe von Viehweiden oder Beschäftigung in der Landwirtschaft führten zu einem erhöhten Risiko einer Infektion mit Coxiella burnetii.
Prof. Dr. Eberhard Straube © TMF e.V.
Mit der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen existiert seit fünf Jahren eine Infrastruktur, die die im Sinne eines One Health-Konzeptes dringend notwendige Zusammenarbeit zwischen Human- und Veterinärmedizin unterstützt. Prof. Dr. Eberhard Straube (Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Jena) berichtete, dass die Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Gesundheit und für Landwirtschaft in der zweiten Förderphase hierfür erneut insgesamt 1,5 Millionen Euro bereitgestellt haben. Insbesondere hob er die Pilot- und Querschnittsprojekte heraus, die unter dem Dach der Zoonosenplattform durchgeführt und deren Ergebnisse allen wissenschaftlich tätigen Zoonosenforschern in Deutschland zugänglich gemacht werden. Die Zoonosenplattform sei eine komplementäre Struktur zum Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), in welchem das Thema Zoonosen nur am Rande vorkomme. Eine stärkere Verzahnung beider Organisationen sei sehr zu wünschen.
Prof. Dr. Thomas Wienker (rechts) mit Session-Moderatorin Prof. Dr. Marcella Rietschel © TMF e.V.
Eine Datenbank für die Bewertung der klinischen Relevanz genetischer Varianten
Bei der Suche nach der einen bestimmten Phänotypen – beispielsweise eine seltene Erkrankung – verursachenden genetischen Variation werden verschiedene Schritte durchlaufen, die Prof. Dr. Thomas Wienker (Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin) beschrieb: von der Sequenzierung über den Abgleich und die Abbildung auf das Referenzgenom bis zur Charakterisierung der Abweichungen von diesem. Danach müssen irrelevante Varianten ausgesondert und hinsichtlich der Auswirkungen auf den Phänotyp bzw. der krankheitsursächlichen Relevanz bewertet werden. Entscheidend sei anschließend die Suche nach genotypisch und phänotypisch gleichgelagerten Fällen in Referenzdatenbanken. Solange Vergleichsfälle fehlten, könne die Beurteilung bestenfalls tentativ sein. Dies betreffe drei Viertel der Fälle von Patienten mit seltenen Erkrankungen, die sich in humangenetischen Praxen vorstellten, erklärte Wienker. Abhilfe hierfür könne eine transitorische Genotyp-Phänotyp-Datenbank bieten.
PD Dr. Arne Pfeufer © TMF e.V.
Über den Aufbau einer solchen Datenbank berate derzeit die Arbeitsgruppe Molekulare Medizin der TMF, wie PD Dr. Arne Pfeufer (Institut für Humangenetik, TU München) berichtete. Nach einer Bestandsaufnahme bestehender Datenbanken und Konzepte sei hierzu im Rahmen von zwei Workshops der Dialog mit allen Stakeholdern geführt worden. Darüber hinaus sei ein Online-Survey durchgeführt worden, um Erwartungen und Feedback der Stakeholder darzustellen. Eine wissenschaftliche Antragstellung sei nun in Vorbereitung.
Prof. Dr. Marc-Thomas Hütt © TMF e.V.
Die Systembiologie als Werkzeugkasten für die Medizin nutzbar machen
Die Frage, was das sehr mathematische Feld der Systembiologie für die Medizin zu bieten hat, beleuchtete Prof. Dr. Marc-Thorsten Hütt (Jacobs University Bremen) im Abschlussvortrag des Kongresses. Die Netzwerkmedizin gehe davon aus, dass in Netzwerken Eigenschaften auftreten, die nur in dem jeweiligen Netzwerk vorhanden sind. Die Systemmedizin meine die systemorientierte Erforschung von Krankheiten und Präventionsmaßnahmen, bei der Mathematik und Informationswissenschaften eine tragende Rolle spielten.
Die Systembiologie können auf zelluläre Netzwerke angewendet werden und biete damit unter anderem eine Interpretationsstrategie für Hochdurchsatz-Genotypisierungsdaten. Ebenso sei aber beispielsweise auch die Fettleibigkeit als Epidemie auf sozialen Netzwerken wissenschaftlich beschrieben worden. Die Vision sei, die Systembiologie von einer Naturwissenschaft, die die Theorie von Netzwerkmustern bereitstellt zu einem „Werkzeugkasten“ für die Medizin weiterzuentwickeln. Als Beispiel hierfür nannte Hütt die so genannte Flux-Balance-Analyse, die heute bereits sehr gut für die Beschreibung metabolischer Netze benutzt werden könne.