Stellungnahme

Referentenentwurf zum Digitale Versorgung-Gesetz vorgelegt

TMF gibt Stellungnahme ab - Einbezug der Forschung in die Ausgestaltung der Elektronischen Patientenakte gefordert - Änderungen im Daten­transparenz­verfahren und der Innovations­fonds-Förderung

Headergrafik für das Thema Kommunikation & Stakeholder Engagement

© bonezboyz - stock.adobe.com

Am 15. Mai hat das Bundesministerium für Gesundheit unter dem Titel „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG)“ den lang erwarteten Entwurf eines weitergehenden Digitalisierungsgesetzes für das Gesundheitswesen vorgelegt. In ihrer am heutigen Tag veröffentlichten Stellungnahme begrüßt die TMF als Dachorganisation der medizinischen Verbundforschung in Deutschland den Gesetzentwurf und insbesondere die darin vorgesehene Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA).

Cover der TMF-Stellungnahme zum Referentenentwurf zum Digitale Versorgung-Gesetz

Stellungnahme der TMF zum Referentenentwurf zum Digitale Versorgung-Gesetz. © TMF e.V.

Die ePA soll alle für die Patientenversorgung relevanten Patientendaten aus unterschiedlichen Quellen (Informationssysteme der Krankenhäuser, Krankenkassen, niedergelassenen Ärzte, etc.) patientenbezogen zusammenführen. Die Erschließung der Routinedaten der Krankenversorgung für die Zwecke der medizinischen Forschung in einem lernenden Gesundheitssystem steht dabei im besonderen Interesse des Gemeinwohls. Datengetriebene Forschung ermöglicht beispielsweise die Entwicklung zielgerichteterer Therapien und weltmarktfähiger Versorgungsinnovationen.     
Hierzu will das Bundesministerium im vorgelegten Gesetzentwurf die Gesellschaft für Telematik im Gesundheitswesen (gematik) beauftragen, die technischen Voraussetzungen für eine Forschungsdatenausleitung aus der ePA zu schaffen. Dies ist ein Meilenstein für die medizinische Forschung an und mit Routinedaten in Deutschland. Die TMF schlägt dazu eine Ergänzung im Gesetzestext vor, um die neu zu schaffende Schnittstelle von Anfang unter Anwendung internationaler Standards zu konzipieren und interoperabel zu den bereits bestehenden oder im Aufbau befindlichen öffentlich geförderten Infrastrukturen wie der Medizininformatik-Initiative auszugestalten. Auch sollten durch die Spezifikationen keine unangemessene Investitionskosten und organisatorische Anforderungen auslöst werden (z.B. durch Anschluss aller Forschenden an die TI). Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine zukünftige Nutzung der Inhalte der patientengeführten elektronischen Patientenakte für wissenschaftliche Erkenntnisprozesse („Forschungsdatenspende“) schafft der Referentenentwurf mit der neu aufgenommenen Erlaubnis für die Patienteninnen und Patienten ihre Akteninhalte für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. Der Forschungszugriff ist zudem nicht auf Angehörige der Heilberufe beschränkt.  

Nutzbarkeit der ePA-Inhalte für die Forschung sicher stellen

Mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) am 11. Mai 2019 hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits aufgrund des darin erteilten gesetzlichen Auftrages damit begonnen, die semantischen und syntaktischen Festlegungen der Medizinischen Informationsobjekte (MIO) als Inhalte der elektronischen Patientenakte zu definieren. Die TMF ist dabei ebenfalls gesetzlich als „für die Wahrnehmung der Interessen der Forschung im Gesundheitswesen maßgeblicher Bundesverband“ im Rahmen einer Benehmensherstellung mit ihrer Expertise beteiligt. Damit über die zukünftige Forschungsschnittstelle auch tatsächlich für die Forschung nutzbare Inhalte ausgeleitet werden können, muss ebenso in den von der KBV zu definierenden Informationsobjekten die Verwendung vollwertiger internationaler Standards und eine codierbare Datentiefe und -breite nicht unterhalb des MII-Kerndatensatzes festgelegt sein. Eine vertiefte Dokumentation für Forschungszwecke etwa in speziellen Forschungspraxen muss zudem entsprechend finanziell incentiviert werden. Flankierend sollte ein Bundesprogramm zur Optimierung der Abläufe der Primärdokumentation aufgelegt werden, in dem auch die Ausbildung und Anstellung von Data Curation Scientists gefördert wird. Schließlich ist, um die ePA-Inhalte mittels der Schnittstelle für Forschungszwecke nutzen zu können, in einem weitergehenden Gesetzgebungsverfahren der eigentliche Rechtsrahmen für die Datenbereitstellung, Datengovernance und Datennutzung zu errichten. Gemeinsames nationales Ziel sollte die Schaffung eines international wettbewerbsfähigen einheitlichen deutschen bzw. europäischen Raumes für Gesundheitsforschungsdaten sein. 

Verbesserte Forschungsmög­­­­lich­kei­ten mit Sozialdaten

Als bislang unveröffentlichten Nachtrag hat das BMG außerdem die erste Stufe einer Novellierung des Datentransparenzverfahrens nach §§ 303a-303f SGB V vorgelegt, die ganz maßgeblich auch auf Initiative und Expertise aus der TMF zurückgeht. Besonders positiv ist aus Sicht der Forschung zu bewerten, dass der Gesetzgeber sich mit dieser Novellierung dazu entschieden hat, schrittweise die bisherig auf Grundlage des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs durch das Bundesversicherungsamt bereitgestellten bis zu vier Jahre alten DaTraV-Daten, durch wesentlich aktuellere und detaillierte Datensätze der Krankenkassen zu ersetzen. Auch die Aufbewahrungsdauer der Daten bei dem neu geschaffenen Forschungsdatenzentrum soll mit dreißig Jahren forschungsfreundlich ausgestaltet werden. Neu ist zudem die Möglichkeit eines Datenfernzugangs. Bedarf zum Nachsteuern besteht noch bei der konkreten Ausgestaltung der Strafbarkeit einer Re-Identifikation der anonymisierten Datensätze und der institutionellen Anbindung eines Arbeitskreises der Nutzungsberechtigten.

Innovationsfonds-Förderung wird novelliert

Der beim gemeinsamen Bundesausschuss angesiedelte Innovationsfonds soll im vorliegenden Gesetzentwurf für eine weitere Förderphase fortgeschrieben werden. Die TMF kritisiert jedoch das Abschmelzen des Etatansatzes von 300 auf 200 Mio. Euro sowie die zusätzliche Reduzierung des Anteils der Versorgungsforschung am Gesamtvolumen. Auch die Beschränkung der eigentlichen Innovationsfondförderung im Nachgang einer vorgeschalteten Konzeptphase auf maximal 15 Vorhaben pro Jahr, setzt falsche Anreize für die Projektantragssteller, unabhängig vom Erkenntnismehrwert große Teilnehmerzahlen und Budgets aufzurufen. Dies birgt zusätzliche Erfolgsrisiken und schließt agile Projekte kleinerer Vorhabenträger systematisch aus. Auch regt die TMF an, die neu vorgesehenen umfangreichen Unterstützungs—und Bratungsleistungen für die geförderten Projekte nicht bei der Geschäftsstelle des GBA-Innovationsausschusses anzusiedeln, sondern auszuschreiben. Eine mündliche Anhörung zum Referentenentwurf wird voraussichtlich am 17. Juni 2019 unter Beteiligung der TMF im Bundesministerium stattfinden. Im Anschluss an die folgende Ressortabstimmung wird das Bundeskabinett möglicherweise noch vor der Sommerpause den eigentlichen Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren einbringen. Ein Inkrafttreten ist zum 1.1.2020 wäre dann wahrscheinlich. Übersicht der Stellungnahmen und Positionspapiere der TMF