Interview

"Es wird Qualitäts­normen geben müssen"

Interview mit Prof. Dr. Otto Rienhoff zur Entwicklung der TMF und zum TMF-Beirat

Drei Personen stehen bei einem großen Bildschirm, auf dem Statistiken und Daten zu sehen sind.

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"Der Beirat der TMF wird sich um schwierige übergreifende Fragen kümmern, die man als den Medienwechsel in der Wissenschaft bezeichnen kann."

Prof. Dr. Otto Rienhoff ist Direktor der Abteilung für Medizinische Informatik der Universität Göttingen und Vorsitzender des Beirats der TMF.

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Das Interview führten Sebastian C. Semler und Antje Schütt im April 2008.

Eine Kurzfassung ist in der E-HEALTH-COM Nr. 3 2008 erschienen.

Herr Professor Rienhoff, zehn Jahre haben Sie die Arbeit der TMF maßgeblich mitgestaltet. Welche Erfahrung war überraschend und was hat das Themenspektrum der TMF geprägt?

Überrascht hat mich, dass es auch mit ministerieller Hilfe so schwierig ist, professionelle IT-Infrastrukturen in der deutschen Verbundforschung zu etablieren. Wir lernten, dass die Rahmen­bedingungen der IT mindestens so viel Aufmerksamkeit verlangen wie die Technik selbst – das hat eine Untersuchung der TMF sechs Monate nach ihrer Gründung nachgewiesen. Inzwischen wissen wir, dass in Deutschland in der medizinischen Verbundforschung nicht die Technik, sondern ein Mangel an professioneller Methodik in der Informations­logistik das Hauptproblem ist.

 

Welche Entscheidung oder Vorstellung hat sich im Nachhinein als falsch erwiesen und was haben Sie – und mit Ihnen die TMF – daraus gelernt?

Die TMF hätte mit dem Ministerium und der DFG eher das Problem der Finanzierung von IT-Infrastrukturen in der deutschen Forschung angehen müssen. Es wurde auch deutlich, dass die ministeriellen Strukturen historisch stark vertikal gegliedert sind. Wenn wir die inter­disziplinäre Forschung unterstützen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass es für die Förderprogramme mehr Koordination der Ministerien und Fachreferate untereinander gibt.

 

Auf welchen Entwicklungs­schritt der TMF sind Sie besonders stolz?

Auf das Team in Berlin und den Entscheid, 2003 die TMF aus der Forschungs­bürokratie heraus näher an kommerzielle Strukturen heranzuführen. Hier sind unter anderem die Namen Überla, Fölsch, Becker, Hollmann und Debold zu nennen. Die Entscheidung fiel nach langen Beratungen in einem kleinen Sitzungszimmer im Flughafen Köln-Bonn.

 

Die Entwicklung und Optimierung der IT-Infrastruktur für patienten­orientierte medizinische Forschung ist immer noch ein zentrales Thema für die Forschungs­verbünde in der TMF. Was müsste aus Ihrer Sicht hier ganz dringend geschehen?

Ähnlich wie bei klinischen Studien wird es Qualitätsnormen geben müssen, da wir sonst kaum über das teure „Bastelniveau“ im Lande hinaus kommen werden. Die Forschungs-IT in der Medizin muss – wie in der Industrie –  auf hohem qualitativem Niveau standardisiert und rationalisiert werden.

 

Sie haben Ihr Vorstandsamt abgegeben, bleiben der TMF jedoch als Beiratsvorsitzender verbunden. Um welche Themen wird sich der Beirat, für den Sie hochkarätige Mitglieder gewinnen konnten, kümmern?

Der Beirat wird dazu beitragen, die Vernetzung verschiedener Ministerien untereinander zu stärken. Er wird sich um schwierige übergreifende Fragen kümmern, die man als den Medienwechsel in der Wissenschaft bezeichnen kann: Wie müssen wir medizinische Forschung gestalten, wenn die IT-Infrastrukturen einschließlich der Computational Medicine den entscheidenden Wettbewerbs­vorteil bilden?

 

Sie haben in den vergangenen zehn Jahren sehr viel Zeit in die TMF-Arbeit investiert. Was haben Sie nun für Pläne?

Ein Teil der Zeit wird in ein neues Forschungsprojekt in Göttingen fließen, das die Nutzung von Daten aus technischen Assistenz­umgebungen, medizinischer Robotik, Telemonitoring sowie genomischen und environtomischen Quellen in der klinischen Entscheidungs­findung von Arzt und Patient zum Thema hat.