Interview

„Wir möchten die Forschung dahin­gehend unter­stützen, dass sie sich ganz auf Innovationen konzentrieren kann”

Interview mit Dr. Robert J. Beck zum caBIG-Projekt in den USA

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Dr. Robert J. Beck ist Leiter des caBIG-Projektes sowie Senior Vice President und Chief Academic Officer am Fox Chase Cancer Center in Philadelphia (USA). In diesen Funktionen hat er die Verantwortung für die wissenschaftlichen Programme, für Business Development, Informationstechnologie, quantitative Wissenschaften und Forschungsadministration.

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Das Interview führten Dagmar Baust und Sebastian C. Semler am 23. Januar 2008.

Eine Kurzfassung ist in der E-HEALTH-COM Nr. 1 / 2008 erschienen.

Portraitbild Dr. Robert J. Beck

Dr. Robert J. Beck © TMF e.V.

Herr Dr. Beck, was sind die Ziele von caBIG?

Wir möchten eine gemeinsame Infrastruktur schaffen, innerhalb derer die Forscher zusammen arbeiten können. Wir möchten eine Reihe gemeinsamer Daten-Modelle und Standards generieren, die die gemeinsame Nutzung von Daten sowie die Datenintegration ermöglichen und verbessern. Und schließlich möchten wir Werkzeuge für die Auswertung von Informationen im Zusammenhang mit der Krebsforschung und der onkologischen Patientenversorgung entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Wir möchten mit caBIG die Forschung dahingehend unterstützen, dass sie sich ganz auf Innovationen in der Prävention, der Diagnose und der Behandlung konzentrieren kann – und sich nicht um das Daten-Management und ein dauerndes „Trouble-Shooting“ bei der zugrunde liegenden Forschungs-Infrastruktur kümmern muss.

 

Wie haben Sie die Integration der Infrastruktur in den Vereinigten Staaten erreicht?

Um eine funktionierende Gemeinschaft aufbauen zu können, hat caBIG™ in der Pilot-Phase eine Reihe amerikanischer Krebsforschungs-Zentren mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet. Diese Einrichtungen wurden darin unterstützt, für Domain-spezifische Probleme bei klinischen Studien, bei Bioinformatik-Tools, bei Gewebebanken oder in der Bildbearbeitung Software-Lösungen zu erstellen oder zu integrieren. Andere Zentren konzentrierten sich auf Fragen der Querschnitts-Infrastruktur wie Standards für die syntaktische und semantische Interoperabilität, wieder andere haben das Grid aufgebaut: Das ‚caGrid’ ist das Rückrat von caBIG. Der enge Zeitrahmen und die ehrgeizigen Ziele führten zu einem raschen Konsens bei der Entwicklung einer integrativen Infrastruktur.

 

Welche Anreize gibt es im US-Projekt für die gemeinsame Arbeit und die Nutzung der IT-Infrastruktur, die von caBIG entwickelt und geliefert wurde?

Nachdem eine Reihe von Tools entwickelt wurden und caGrid in der Version 1.1 zur Verfügung steht, gibt es nun eine Richtlinie aus dem National Cancer Institute (NCI), mit der solche Projekte und Zentren gefördert werden, die die caBIG-Prinzipien und Architekturen dann auch einsetzen müssen. Zusätzlichen Anreiz bieten parallele Arbeiten in der Privatwirtschaft zur Standardisierung des Berichtswesens und zur Auswertung klinischer Prüfungen. Es gibt heute keine guten Gründe mehr für die Bereitstellung von Werkzeugen für die Krebsforschung, die nicht caBIG-kompatibel gemacht werden können.

 

Wie erreicht caBIG Nachhaltigkeit? Wer wird die Pflege und Weiterentwicklung der verschiedenen caBIG-Werkzeuge übernehmen?

Durch verschiedene Maßnahmen. Erstens: Den vom NCI geförderten Krebs-Zentren werden Mittel zur Unterstützung lokaler Koordinatoren für die Implementierung dreier Gruppen von caBIG-Tools und Produkten angeboten: Software für das Management klinischer Studien, Bioinformatik- und Gewebebanken-Tools sowie die gemeinsame Nutzung von Daten und Regeln. Dadurch wird eine kontinuierliche Anpassung und Implementierung der caBIG-Ressourcen unterstützt. Zweitens werden Dienstleister gesucht, die die caBIG-Umsetzung und -Wartung bei denjenigen Einrichtungen unterstützen, die im Bereich Informatik und Infrastruktur nicht so gut ausgestattet sind. Diese Dienstleister sollen sich selbst tragende, privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen sein. Drittens wird es eine anteilige Förderung der Werkzeug-, Daten- und Grid-Entwicklung durch Bundesinstitute geben.

 

Was sind Ihre Empfehlungen für die IT-Strategie der TMF in Deutschland?

Die TMF und das MediGRID-Projekt haben beim Aufbau von biomedizinischen Grids und Compute-Grids für die Bioinformatik sowie für die translationale Forschung und für die klinische Forschung bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Der Schwerpunkt muss nun auf die Nachhaltigkeit gelegt werden. 
Diese Selbst-Perpetuierung kann durch drei ähnliche Bemühungen wie in den USA erreicht werden: Erstens müssen Anstrengungen unternommen werden, die Anwendung von Standards zu verbreiten, um eine semantische und syntaktische Interoperabilität in kollaborativen Telematik- und Informatik-Anwendungen zu schaffen. Zweitens sollten auf der gemeinsamen Plattform die erfolgreichen Demonstrations-Projekte verschiedener Projekte wie MediGRID, services@medigrid und MedInfoGrid gebündelt werden. Drittens wird die Initiative der TMF, an den gemeinsamen internationalen Anstrengungen im medizinischen Grid Computing mitzuwirken und – soweit das möglich ist – zum Aufbau einheitlicher Terminologien beizutragen, auch den Zugang zu Ressourcen außerhalb Deutschlands schaffen.

Wir freuen uns darauf, die TMF bei unseren kontinuierlichen Bemühungen, eine internationale Gemeinschaft für die biomedizinische Forschung zu schaffen, als Partner zu haben.

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Hintergrundinfo: Das caBIG-Projekt

Das Kooperationsprojekt ‚cancer biomedical informatics grid’ (caBIG) hat zum Ziel, in den großen amerikanischen Krebsforschungszentren eine Infrastruktur zu etablieren, die die Kommunikation und den Austausch von Bioinformatik-Tools, Daten und Forschungsergebnissen durch die Nutzung gemeinsamer Standards und Daten-Modelle ermöglicht. Diese Infrastruktur unterstützt die Entwicklung neuer Auswertungsmöglichkeiten, die sowohl innerhalb einzelner Experimente als auch zwischen verschiedenen Vorhaben genutzt werden können. Dies ermöglicht Wissenschaftlern die Arbeit an neuen Herausforderungen: 

  • Die Analyse und Integration großer Datenmengen in den Bereichen Genomik und Proteomik.
  • Die Ermittlung und Anwendung von Informationen aus klinischen und molekularen Gewebeproben. 
  • Die Integration von Informationen aus einer Vielzahl von Quellen - zur Unterstützung der translationalen Forschung sowie der individualisierten Medizin.
  • Die Entscheidungsunterstützung durch Informationen aus Ergebnissen relevanter klinischer Studien.