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"Keine auf­konzentrierte Stickstoff-Bouillon"

AG Biomaterialbanken der TMF besucht Kryobank des Fraunhofer IBMT in Sulzbach

Kryoforschungsbank

Das Fraunhofer IBMT hat mehrere Standorte. In Sulzbach ist unter anderem die Kryoforschungsbank angesiedelt. © TMF e.V.

Mit plastischen Worten verdeutlichte Professor Dr. Günter R. Fuhr, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT), das sehr heterogene Qualitätsniveau heutiger Biobanken. Das Beispiel verweist auf die Möglichkeit, Bioproben auf unter -150 Grad Celsius zu kühlen und sie so langfristig aufzubewahren, ohne dass der Kühlungs- und Auftauprozess größere Schäden in den Zellen hervorruft.

Beim Öffnen der mit flüssigem Stickstoff gekühlten Tanks muss jedoch eine fortschreitende Kontamination des Innenraumes mit Viren und Bakterien aus der Umgebungsluft verhindert werden, sonst können auch Proben langfristig unbrauchbar werden.

Anlässlich eines Besuchs der Arbeitsgruppe Biomaterialbanken der TMF am Standort Sulzbach des IBMT am 01. April 2008 verglich Fuhr die unterschiedlichen Qualitätsstandards aktueller Biobanken mit dem Unterschied zwischen Oldtimern und heutigen Oberklasse-Automobilen. Er empfiehlt eine technologische Harmonisierung der Biobanken.

Cover TMF-Schriftenreihe Biomaterialbanken

© TMF e.V.

Die Arbeitsgruppe Biomaterialbanken der TMF setzt sich mit Fragen der Qualitätssicherung und der Infrastruktur sowie mit den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen für den Aufbau und Betrieb von Biobanken auseinander. Erst jüngst ist in der TMF-Schriftenreihe eine Checkliste zur Qualitätssicherung von Biobanken publiziert worden, die ein Produkt dieser Arbeitsgruppe ist (Kiehntopf et al.: Biomaterialbanken - Checkliste zur Qualitätssicherung, Berlin 2008). Der Besuch beim Fraunhofer IBMT war deshalb für die Mitglieder der Arbeitsgruppe von besonderem Interesse.

Das IBMT erforscht die notwendige Technologie für Biobanken und betreibt am Standort Sulzbach die Kryoforschungs- und Demonstrationsbank ‚eurocryo SAAR’. Darüber hinaus baut es mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation eine weitere Kryobank für die internationale HIV-Impfstoff-Forschung auf. Hierfür hat das Fraunhofer-Institut im vergangenen Jahr auch ein Hochsicherheitslabor (S3) aufgebaut.

Neben der Frage der Qualitätsstandards interessierte die Mitglieder der Arbeitsgruppe Biomaterialbanken bei der Besichtigung der Kryobank insbesondere auch die notwendige IT-Unterstützung der Prozesse. Dabei sollte neben der eindeutigen Identifizierung von Proben und dem Ausschluss von Verwechslungen beispielsweise auch die Steuerung und Überwachung der genauen Kühlungs- und Auftauvorgänge IT-gestützt ablaufen. Forscher des IBMT haben hierfür drei koppelbare Systeme entwickelt: Die webbasierte Software ‚eurocryoDB' ist für zentrale logistische und administrative Aufgaben zuständig, die Laborautomations-Software ‚Chameleon' unterstützt die Analyse-Workflows im Labor, und mit dem ‚eurocryoPortal' kann ein weltweiter Zugriff berechtigter Forscher auf den Probenbestand realisiert werden.

Eine Spezialität der Entwicklung im Fraunhofer IBMT ist die redundante Speicherung umfassender Probendaten auf einem Chip, der im Substrat integriert mit jeder Probe zusammen kryokonserviert wird. Diese Chips können auch in den Kühltanks ausgelesen werden. Die hierfür verwendete Elektronik basiert auf handelsüblichen Bauteilen, die vom Fraunhofer IBMT für die Umgebungsbedingungen in der Kryobank präpariert werden und bis -180°C in flüssigem Stickstoff sicher funktionieren. Zusätzlich sind alle Proben mit Barcodes und einem RFID-Chip versehen, so dass redundante Systeme für die Identifizierung genutzt werden können.

In Proben, die nach den Qualitätsstandards des IBMT eingefroren werden, seien nach dem Auftauen noch 95 Prozent lebender Zellen nachzuweisen, in anders behandelten Proben betrage die Rate teilweise nur bis zu einem Prozent. Dies erläuterte Fuhr bei seiner Führung durch das IBMT. Ein ausreichend detailliertes Verständnis der beim Einfrieren und Auftauen in den Zellen ablaufenden Prozesse fehle jedoch immer noch. Auch die exakte Wirkung der dabei eingesetzten Kryoprotektiva, also spezialisierter Frostschutzmittel, sei noch weitgehend unverstanden. Da diese aber heute unter anderem auch die Größe des einfrierbaren Gewebes eng begrenzen, sei ein breit angelegtes Screening möglicher Kryoprotektiva erforderlich. Hierfür müsse die Forschergemeinschaft gemeinsam ein groß angelegtes Projekt initiieren, von einem Institut alleine könne dies nicht geleistet werden. Fuhr betonte auch, dass die Biobanken in der Öffentlichkeit besser sichtbar werden müssten: "Wenn wir vorzeigbare Biobanken aufbauen, können wir auch das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnen".

Für die Mitglieder der Arbeitsgruppe Biomaterialbanken der TMF war die Möglichkeit, die Ausstattung und die Arbeitsweisen einer großen Biobank direkt einsehen und mit den Experten in der Institution diskutieren zu können, sehr bereichernd. Auch künftig wird die TMF deshalb einzelne Sitzungen der Arbeitsgruppe als Vor-Ort-Termine organisieren.