Interview

"Standardisierungs­arbeit muss gestärkt werden"

Interview mit Sebastian C. Semler zum E-Health-Gesetzentwurf

Sebastian C. Semler und das Zitat: "Experten zu Technologie und Standards müssen mit Experten aus den medizinischen Anwendungsbereichen reden – mit den Ärzten und Wissenschaftlern."

Sebastian Claudius Semler ist seit 11 Jahren Geschäftsführer der TMF. © TMF e.V.

"Unser Ziel ist die sektorenübergreifende Stärkung der Interoperabilität" betonte Sebastian C. Semler im Interview zum geplanten e-Health-Gesetzentwurf. Gemeinsam mit weiteren Organisationen aus medizinischer Forschung und Versorgung sowie von Anwendern und Industrie hatte die TMF eine Stellungnahme im Februar veröffentlicht.

Der Referentenentwurf zum E-Health-Gesetz soll u.a. eine nachhaltige Interoperabilität sichern. Ist das aus Ihrer Sicht in der jetzigen Fassung gewährleistet?


Grundsätzlich unterstützen wir den Impuls und das Ziel des Gesetzgebers, durch verstärkte sichere Nutzung von adäquaten Informations- und Kommunikationstechnologien die Qualität und Wirtschaftlichkeit in der medizinischen Versorgung zu stärken. Dennoch ergibt sich allein aus der „Definition offener Schnittstellen“, wie sie der Entwurf vorsieht, noch keine Interoperabilität. Wir sehen die große Gefahr, dass rein sektorale Festlegungen getroffen werden und Dokumenten- und Datenaustausch, auf den es schließlich ankommt, lediglich auf niedrigem Level intersektoral erfolgen.
 

Im Referentenentwurf ist von einem Expertenrat die Rede. Wer sollte diesen bilden?


In einem Expertenrat sollten auch Vertreter aus der Forschung und den Fachgesellschaften eingebunden sein, neben den Vertretern der Selbstverwaltung und der Industrie. Experten zu Technologie und Standards müssen mit Experten aus den medizinischen Anwendungsbereichen reden – mit den Ärzten und Wissenschaftlern.
 

Laut Ihrer Stellungnahme sehen Sie die Versorgungsforschung im Gesetzesentwurf zu wenig berücksichtigt….


Absolut. Die medizinische Forschung und der öffentliche Gesundheitsdienst sind für das  Gesundheitswesen relevante Bereiche, bleiben aber komplett unberücksichtigt. Dabei müssen beide Bereiche dringend bei der weiteren Ausgestaltung der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen stärker berücksichtigt werden, da hier hoher Bedarf an Infrastrukturaufbau für sichere elektronische Kommunikations- und Datenverarbeitungsprozesse besteht. Außerdem tragen sie maßgeblich zu den übergeordneten Zielen des Gesetzentwurfes bei: Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung sowie Versorgungssicherung.
 

Wie kann man die reale Nutzung von Standards in der Medizin etablieren?


Zunächst einmal durch präzise Vorgaben und einen festgelegten verbindlich übergreifenden Konsensprozesses. Hier müsste der Gesetzgeber noch einmal nachbessern.
 

Welche Ressourcen sind für die Stärkung der Standardisierungsarbeit in der Medizin notwendig?


Es wäre wichtig, dass die geplante Gesetzgebung die Chance nutzt, die Standardisierungsarbeit insgesamt zu stärken. Das bedeutet, dass der damit verbundene steigende Ressourcenbedarf gedeckt wird, indem die Gematik entsprechende Aufträge an Dritte für die Aufgaben der Standardweiterentwicklung und der moderierten Konsensbildung erteilt.

 

Sebastian Claudius Semler ist seit 11 Jahren Geschäftsführer der TMF.

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Das Interview erscheint auch in der Zeitschrift E-Health-COM 2 | 2015.