Interview

Gruppenarbeit statt Einzelerfolg

Interview mit Dr. Gabriele Hausdorf (BMBF) und Prof. Dr. Otto Rienhoff (Beiratsvorsitzender der TMF) über zehn Jahre TMF

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Das Interview führte Beate Achilles im April 2009. Eine Kurzfassung wurde in der E-Health-Com Nr. 3 2009 veröffentlicht.

Dr. Gabriele Hausdorf, Prof. Dr. Otto Rienhoff

Dr. Gabriele Hausdorf, Prof. Dr. Otto Rienhoff © TMF e.V.

Das BMBF hat die TMF vor zehn Jahren initiiert und seither immer gefördert und unterstützt. Warum ist diese Institution für den Forschungs­standort Deutschland wichtig?

Hausdorf: Die nahezu explosionsartig gewachsenen Erkenntnisse über die Funktionsweise des menschlichen Organismus auf allen Ebenen bieten zum einen völlig neue Möglichkeiten, Krankheiten besser diagnostizieren und auch heilen zu können. Zum anderen bedürfen sie aber einer zunehmenden Spezialisierung. Damit erhöht sich die Gefahr des „Auseinanderdriftens“ verschiedenster medizinischer Fachgebiete und in Folge auch entsprechender Forschungsarbeiten. Die Nutzung neuester Erkenntnisse für die Versorgung der Patienten kann sich unter Umständen verzögern. Vernetzte Forschung ist eine Möglichkeit hier Abhilfe zu schaffen. Sie ist somit ein Gebot der Zeit.

Synergien werden erzeugt, wenn man innerhalb von Verbünden und Netzwerken zusammenarbeitet, Ergebnisse werden schneller in die Praxis überführt. Zeit und Kosten werden gespart, wenn sich z. B. nicht jeder Forscher seine eigene Infrastruktur aufbaut, wenn Infrastrukturen an verschiedenen Stellen zueinander kompatibel sind. 
Dafür bedarf es aber auch entsprechender Strukturen. Diese Erkenntnis muss wachsen und sich in der wissenschaftlichen Community durchsetzen.

 

Sie haben die TMF seit ihrer Gründung immer an zentraler Stelle begleitet und mitgestaltet. Können Sie uns einige Beispiele für entstandene Synergien und Strukturen nennen, die den Forschungsnetzen die Arbeit erleichtern?

Rienhoff: Meines Erachtens liegt der größte Fortschritt der letzten zehn Jahre darin, dass immer mehr Forscher aller medizinischen Fachdisziplinen sowie deren methodisch arbeitende Partner lernen, wie Forschungsverbünde betrieben werden müssen. Traditionell werden Forscher auf Einzelleistung gepolt – in den Netzen müssen sie die Vorteile der Gruppenarbeit und des Teamworks kennen lernen und vor allem die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Patienten.

Dem fortschreitenden Lernprozess müssen sich die Strukturen der TMF anpassen. So waren früher die Arbeitsgruppen eher Spezialistenteams auf Arbeitsebene – jetzt müssen sie einen Weg finden, wie auch die Primärforscher einbezogen werden können und so am methodischen Erkenntnisprozess partizipieren können. Der methodische Lernfortschritt der Primärforscher ist ein Outcome-Ktiterium für den Erfolg der TMF.

 

Auch die medizinische Forschung benötigt eine gemeinsame IT-Infrastruktur. Welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich?

Hausdorf: Übergreifende IT-Lösungen für die medizinische Forschung sind notwendig, wenn man das Ziel ernst nimmt, Forschungsergebnisse schneller in die Patientenversorgung zu bringen. Die Forschung  muss wissen, was die Praxis braucht, was die Patienten brauchen, aber die Praxis muss auch wissen, was die Forschung zu bieten hat. Um dieses Zusammenspiel zu erleichtern, muss es eine gemeinsame Sprache geben und bedarf es gemeinsamer Werkzeuge. Beispielsweise IT-Werkzeuge – so wie die Pseudonymisierungslösung für Studien, die in der TMF gemeinsam erarbeitet worden ist.

 

Was hat der Patient von der verbesserten Infrastruktur? 

Hausdorf: Ich hoffe sehr viel! Es gibt immer noch Gebiete, wo die Patienten unzureichend informiert, die Ärzte ungenügend vernetzt  sind oder die neuesten Erkenntnisse nicht nutzen können weil zum Beispiel die notwenigen Tools nicht zur Verfügung stehen. Die Patienten profitieren natürlich auch davon, dass Forschungsergebnisse über vernetzte Strukturen schneller in den medizinischen Alltag kommen, dass sich Forschung durch eine bessere Kooperation zwischen Akademia und Praxis noch stärker an den Erfordernissen der Praxis orientiert.

 

Auch um Pandemien  wie der Schweinegrippe zu begegnen, müssen Forscher interdisziplinär und vernetzt zusammenarbeiten. Welche Rolle spielt dabei die TMF?

Rienhoff: Glücklicherweise scheint die Schweinegrippe deutlich harmloser zu sein als zunächst befürchtet. Diese Erkenntnis wurde vor allem durch die internationalen Forschungsnetzwerke geleistet, die vor etlichen Jahren für die Kontrolle der jährlich auftretenden Grippeepidemien angelegt wurden.

Das Grundproblem, dass immer mehr Krankheiten sich von Tieren auf Menschen übertragen, sogenannte Zoonosen, wird durch Forschungsverbünde des BMBF bearbeitet. In den kommenden Jahren muss die TMF helfen, hier dauerhafte Strukturen zu schaffen, die es deutschen Forschern ermöglichen,  national und international problembezogene Multicenter-Teams zu etablieren und mit höchster Effizienz zu betreiben. Die Mitgliedschaft des Robert-Koch-Institutes ist hier ein wichtiger Aspekt.