Interview

"Nicht kalt erwischt"

Interview mit Prof. Dr. Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch Instituts, zum Nutzen der Verbundforschung angesichts der aktuellen Grippe-Pandemie

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"Aus Sicht des Robert Koch Instituts bin ich dankbar für die Existenz der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen. Sie ist ein Teil der Strukturen, aufgrund derer uns die 'Neue Grippe' in Deutschland nicht kalt erwischt hat."

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Das Interview führte Beate Achilles im Juni 2009. Eine Kurzfassung erscheint in der Zeitschrift E-HEALTH-COM 4 2009.

Protraitbild Prof. Dr. Jörg Hacker

Prof. Dr. Jörg Hacker © TMF e.V.

Herr Professor Hacker, wie beurteilen Sie die vernetzte medizinische Forschung nach den Erfahrungen der letzten 10 Jahre?

Da uns alle momentan die "Neue Grippe" sehr beschäftigt, möchte ich die Vorteile eines Forschungsnetzes am Beispiel des FluResearch Netzwerks skizzieren. Dieses Netz bringt Standorte aus ganz Deutschland zusammen. Vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems und in Tübingen über das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen, die Universität Münster und die süddeutschen Universitäten. An diesen Standorten gibt es ganz unterschiedliche Forschergruppen mit spezieller Expertise. Diese wird über das FluReseach Netzwerk zusammengeführt und kann so schneller qualitativ hochwertige Ergebnisse erzielen.

 

Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die Infrastruktur und als koordinierende Stelle die TMF für die medizinische Forschung in Deutschland?

Die Forschungslandschaft in Deutschland ist relativ stark fragmentiert. Geforscht wird an Universitäten, Kliniken und außeruniversitären Institutionen. Hier erfüllt die TMF als Dachorganisation eine wichtige Funktion. Sie sorgt für interdisziplinären Austausch und bearbeitet ein breites Spektrum an übergreifenden Themen - von der Optimierung von Arbeitsprozessen über Datenverarbeitung, Qualitätsmanagement, Verzahnung von Forschung und Versorgung bis hin zu rechtlichen und ethischen Fragen.

 

Welche Rolle spielt die 2009 geschaffene Nationale Forschungs­plattform für Zoonosen beim Kampf gegen die „Neue Grippe“?

Aus Sicht des RKI bin ich dankbar für die Existenz der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen. Sie ist ein Teil der Strukturen, einschließlich der Forschungsinfrastrukturen, aufgrund derer uns die „Neue Grippe“ in Deutschland nicht kalt erwischt hat. Die WHO hat inzwischen die Phase 6 - die Pandemiephase - ausgelöst, was weltweit Konsequenzen haben wird. Deutschland ist davon weniger betroffen, weil die entsprechenden Strukturen hier in den letzten Jahren bereits geschaffen wurden. 

 

Das FluReseachNet ist Teil der Nationalen Forschungs­plattform für Zoonosen. Warum?

Zoonosen sind definiert als Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Genau das geschieht bei Grippeviren. Das Wirtsspektrum für diese Viren reicht von Vögeln, Wildtieren und Haustieren bis hin zum Menschen. Durch Mutationen bringen beispielsweise die für die Forschung wichtigen RNA Viren immer neue Erregervarianten hervor, die von Tieren auf den Menschen übergehen können. Mischviren, die Genomsequenzen von Viren tragen, die bei Vögeln, Schweinen oder Menschen auftreten, sehen wir jetzt bei der neuen Grippe, der sogenannten „Schweinegrippe“. Wegen der Erforschung der Wirtstiere, der Übertragungsmechanismen und der Übertragungswege ist das Influenza-Netzwerk Teil der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen.

 

 

Prof. Dr. Jörg Hacker ist Präsident des Robert Koch Instituts und Mitglied im Beirat der TMF.