Interview

„Datenschutz und Ethik sind ver­nach­lässigte The­men der Mediziner­aus­bil­dung“

Interview mit Petra Duhm-Harbeck und Gisela Antony zum Beratungsservice der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz

Gisela Antony und Petra Duhm-Harbeck

Gisela Antony (Universität Marburg) leitet das Central Information Office KNP, das für medizinische Forschungsverbünde datenschutzkonforme IT-Infrastrukturen zur Verfügung stellt. Sie ist stellvertretende Sprecherin der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz. Petra Duhm-Harbeck ist Leiterin der klinischen Forschungs-IT der Universität zu Lübeck. © TMF e.V.

Das Interdisziplinäre Centrum für Biobanking-Lübeck hat ein Datenschutzkonzept auf Basis der generischen Konzepte der TMF entwickelt und ein Votum der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz eingeholt. Petra Duhm-Harbeck (Lübeck) und Gisela Antony (Marburg) schildern im Interview den Ablauf des Verfahrens und erläutern, wie der Beratungsservice der Arbeitsgruppe Forschungsprojekte unterstützen kann.

Frau Duhm-Harbeck, Sie haben ein Datenschutzkonzept für das Interdisziplinäre Centrum für Biobanking-Lübeck, kurz ICB-L, entwickelt. Wie sind Sie da herangegangen und was war die Herausforderung?
 

Duhm-Harbeck: Das ICB-L ist eine zentralisierte Biobank im klinischen Kontext. Die Herausforderung für unser Datenschutzkonzept bestand darin, dass an der Sammlung von Proben und Daten nicht nur verschiedene Biobankpartner beteiligt sind, sondern auch rechtlich unterschiedlich eingebundene Einrichtungen: Das ICB-L ist eine Einrichtung der Universität zu Lübeck. Die Ärzte erheben die Daten aber im klinischen Zusammenhang, also am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, dem UKSH. Wenn der Patient eingewilligt hat, werden seine Daten über eine Schnittstelle vom Klinikinformationssystem (KIS) an das Biobank- und Studien-Managementsystem übertragen, das von der IT for Clinical Research, Lübeck (ITCR-L) betreut wird. Das KIS wiederum wird von der UKSH Gesellschaft für IT Services mbH (ITSG) betrieben,  die für das UKSH die Datenverarbeitung im Auftrag durchführt. Der Datenaustausch zwischen diesen Partnern muss natürlich datenschutzkonform passieren, und dazu war es notwendig, auf Basis von Datenschutzkonzepten entsprechende Kooperationsverträge zu schließen. Ich habe den Datenschutzbeauftragten des Klinikums von Anfang an mit eingebunden. Um uns in dieser komplexen Situation abzusichern, haben wir das Datenschutzkonzept auch hier in der TMF vorgestellt und ein Votum der Arbeitsgruppe Datenschutz eingeholt.
 

Frau Antony, die Arbeitsgruppe Datenschutz der TMF bietet Beratung an, um Forschungsprojekte bei der Erstellung ihrer Datenschutzkonzepte zu unterstützen. Wie läuft das ab?
 

Antony: Wir beraten auf Basis der generischen Datenschutzkonzepte, die wir in der Arbeitsgruppe Datenschutz über viele Jahre entwickelt haben. Diese Konzepte passen aber natürlich nicht ohne Modifikationen auf jeden Einzelfall. Für jemanden, der sich nur einmal im Leben mit einem Datenschutzkonzept beschäftigen muss, ist der Einstieg oft schwer. Hier versuchen wir zu helfen. Meist kommt die erste Kontaktaufnahme telefonisch in die Geschäftsstelle der TMF. Wenn das Konzept oder die Idee vorstellungsreif ist, wird in aller Regel eine mündliche Präsentation in der Arbeitsgruppensitzung organisiert. Häufig erhalten wir vorab auch schon erste schriftliche Entwürfe. So können wir demjenigen, der die undankbare Aufgabe hat, ein Datenschutzkonzept zu schreiben, Hinweise geben, etwas vielleicht noch konkreter zu fassen oder ausführlicher zu beschreiben. Wir haben jetzt die Arbeitslast für die Arbeitsgruppe ein wenig gesenkt, denn diese schriftlichen Einreichungen kamen irgendwann in ungeahnten Mengen oft erst kurz vor der Sitzung. Projekte, die beraten werden möchten, sollen nun einige wenige schriftliche Ausführungen mindestens drei Wochen vor der Sitzung eingereicht haben, und die werden dann in der Arbeitsgruppe verteilt. Die Anzahl der Konzepte, die uns zur Diskussion angeboten werden, hat doch deutlich zugenommen.
 

Sie haben mit Ihrem Datenschutzkonzept für das ICB-L das gesamte Verfahren durchlaufen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
 

Duhm-Harbeck: Ich habe das Konzept an die TMF geschickt und von Frau Antony, die sich als Berichterstatterin für die Arbeitsgruppe damit im Detail beschäftigt hat, kam postwendend eine kritisch-konstruktive Zusammenfassung. Ich habe die Anregungen eingearbeitet und das Konzept dann in der Arbeitsgruppe vorgestellt. Die wesentlichen Punkte waren bei uns die Kooperationsverträge mit den verschiedenen Partnern und Einrichtungen am Standort. Das war ein bisschen schwierig.
 

Das heißt, Sie haben wesentliche Punkte schon vorab geklärt, bevor Sie das Konzept dann in der Arbeitsgruppe präsentiert und ein Votum erhalten haben?
 

Antony: Man muss dazu sagen, dass dieses Konzept sowieso schon recht ausgereift war. Ich bin unseren Fragenkatalog anhand der schriftlichen Vorlagen von Frau Duhm-Harbeck durchgegangen und habe ihr gesagt, hier an der Stelle fehlt dies und an jener Stelle fehlt eine andere Formulierung. Frau Duhm-Harbeck hat das dann sehr schnell umgesetzt, sodass wir bei der Vorstellung bereits ein votumsreifes Konzept hatten. Dadurch mussten wir das Konzept nicht in einer nächsten Sitzung noch einmal durchsprechen, und das ICB-L hat ganz schnell im Umlaufverfahren das Votum der Arbeitsgruppe bekommen. Das ist aber nicht immer so. Man hat nicht immer Konzepte, die sich durch eine gute Vorbereitung und gegenseitige Unterstützung so zügig behandeln lassen.
 

Wie lange hat das Ganze gedauert?
 

Duhm-Harbeck: Wir haben mit Beginn des Aufbaus des ICB-L begonnen, an dem Datenschutzkonzept zu arbeiten und haben unter anderem auch ein dreistufiges Patienteneinwilligungskonzept entwickelt. Das hat ungefähr ein Jahr gedauert. Danach waren wir beide mit Vorstellung und Begutachtung ganz schnell…

Antony: Ja, zwei oder drei Wochen, dann waren wir durch. Andere Projekte können aber länger dauern, manche ziehen sich über Monate hin. Beim ICB-L hat man in der Vorbereitung natürlich deutlich gemerkt, dass das Konzept von Anfang an an den generischen Datenschutzkonzepten der TMF orientiert war. Für mich war das viel, viel leichter bei der Prüfung. Das ist aber bei weitem nicht immer so.
 

Was motiviert Sie, Zeit in die Beratung von Projekten zu investieren?
 

Antony: Meine wesentliche Motivation, mich in der Arbeitsgruppe zu engagieren und meine langjährige Erfahrung auch anderen Projekten zur Verfügung zu stellen, rührt daher, dass dieses Thema Datenschutz bei vielen Forschern zu wenig im Fokus ist. Ich möchte gerne vermeiden, dass sie in Situationen geraten, die strafbewehrt sind – und die auch schnell an der Reputation von Ärzten oder Institutionen wackeln können. Seit Jahren versuche ich darauf hinzuweisen, dass die Durchführung klinischer Studien nach Arzneimittelgesetz, dass Datenschutz und Ethik vernachlässigte Themen der Medizinerausbildung sind. Ich bin davon überzeugt, dass es hierzu für jeden Medizinstudenten wenigstens ein Pflichtsemester geben sollte. Dann hätten wir alle viel weniger Arbeit miteinander.

 

Petra Duhm-Harbeck ist Leiterin der klinischen Forschungs-IT der Universität zu Lübeck.

Gisela Antony (Universität Marburg) leitet das Central Information Office KNP, das für  medizinische Forschungsverbünde datenschutzkonforme IT-Infrastrukturen zur Verfügung stellt. Sie ist stellvertretende Sprecherin der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz.

 

Das Gespräch wurde anlässlich eines Treffens zum Erfahrungsaustausch der Berichterstatter für die AG Datenschutz am 17. Dezember 2015 in Berlin geführt. Das Interview führte Antje Schütt.

 

Info-Film zur Datenschutzberatung der TMF