"Standardisierungsarbeit muss gestärkt werden"
Interview mit Sebastian C. Semler zum E-Health-Gesetzentwurf
März 2015. "Unser Ziel ist die sektorenübergreifende Stärkung der
Interoperabilität" betonte Sebastian C. Semler im Interview zum
geplanten e-Health-Gesetzentwurf. Gemeinsam mit weiteren Organisationen aus
medizinischer Forschung und Versorgung sowie von Anwendern und Industrie hatte
die TMF eine Stellungnahme im Februar veröffentlicht.
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Das Interview erscheint auch in
der Zeitschrift E-Health-COM 2 | 2015.
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Der Referentenentwurf zum E-Health-Gesetz soll u.a. eine nachhaltige
Interoperabilität sichern. Ist das aus Ihrer Sicht in der jetzigen Fassung
gewährleistet?
Grundsätzlich unterstützen wir den Impuls und das
Ziel des Gesetzgebers, durch verstärkte sichere Nutzung von adäquaten
Informations- und Kommunikationstechnologien die Qualität und
Wirtschaftlichkeit in der medizinischen Versorgung zu stärken. Dennoch ergibt
sich allein aus der
„Definition offener Schnittstellen“, wie sie der Entwurf vorsieht, noch keine
Interoperabilität. Wir sehen die große Gefahr, dass rein sektorale Festlegungen
getroffen werden und Dokumenten- und Datenaustausch, auf den es schließlich
ankommt, lediglich auf niedrigem Level intersektoral erfolgen.
Im Referentenentwurf ist von einem Expertenrat die Rede. Wer sollte diesen
bilden?
In einem Expertenrat sollten auch Vertreter aus der
Forschung und den Fachgesellschaften eingebunden sein, neben den Vertretern der
Selbstverwaltung und der Industrie. Experten zu Technologie und Standards
müssen mit Experten aus den medizinischen Anwendungsbereichen reden – mit den
Ärzten und Wissenschaftlern.
Laut Ihrer Stellungnahme sehen Sie die Versorgungsforschung im
Gesetzesentwurf zu wenig berücksichtigt….
Absolut. Die medizinische Forschung und der
öffentliche Gesundheitsdienst sind für das
Gesundheitswesen relevante Bereiche, bleiben aber komplett unberücksichtigt.
Dabei müssen beide Bereiche dringend bei der weiteren Ausgestaltung der Telematikinfrastruktur im
Gesundheitswesen stärker berücksichtigt werden, da hier hoher Bedarf an Infrastrukturaufbau
für sichere elektronische Kommunikations- und Datenverarbeitungsprozesse
besteht. Außerdem tragen sie maßgeblich zu den übergeordneten Zielen des
Gesetzentwurfes bei: Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der
medizinischen Versorgung sowie Versorgungssicherung.
Wie kann man die reale Nutzung von Standards in der
Medizin etablieren?
Zunächst einmal durch
präzise Vorgaben und einen festgelegten verbindlich übergreifenden
Konsensprozesses. Hier müsste der Gesetzgeber noch einmal nachbessern.
Welche Ressourcen sind für die Stärkung der Standardisierungsarbeit in der
Medizin notwendig?
Es wäre wichtig, dass die geplante Gesetzgebung die Chance
nutzt, die Standardisierungsarbeit insgesamt zu stärken. Das bedeutet, dass
der damit verbundene steigende Ressourcenbedarf gedeckt wird, indem die Gematik
entsprechende Aufträge an Dritte für die Aufgaben der Standardweiterentwicklung
und der moderierten Konsensbildung erteilt.
Sebastian Claudius
Semler ist seit 11 Jahren Geschäftsführer der TMF.
- Stellungnahme zum e-Health-Gesetz